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D-Avitaminose

Synonyme

Rachitis; Osteomalazie

Definition

Mangel an D-Vitamin, der im Kindesalter zum Bild der Rachitis, im Erwachsenenalter zur Osteomalazie führen kann.

Pathogenese

Die Biosynthese des Vitamin D3 beginnt in der Haut durch Einwirkung von UV-Strahlen mit der Spaltung des 7-Dehydrocholesterins in Cholecalciferol (Vitamin D3). Cholecalciferol wird in der Leber durch Hydroxylierung zum 25-Hydroxycholecalciferol. Das biologisch weniger aktive 25-Hydroxycholecalciferol wird durch Hydroxylierung in der Niere zum aktiveren 1,25-Dihydroxycalciferol, oder auch 1,25-(OH)2-D3. Diese Substanz stimuliert im Knochen die Mineralisierung, also die Einlagerung von Hydroxylapatit in das Osteiod. Im Darm wird die Resorption von Kalzium und Phosphat angeregt. Ein Mangel an Vitamin D3 kann durch fehlende UV-Strahlung und fehlende Vitamin-D-Zufuhr entstehen, was heute selten ist, aber bei den schlechten Wohn- und Lebensverhältnissen im 19. Jahrhundert häufiger vorkam. Weitere Gründe für einen Mangel an 1,25-Dihydroxycalciferol sind entsprechend des geschilderten Biosynthesewegs Malabsorptionssyndrome, schwere Lebererkrankungen wie die Zirrhose und chronische Nierenerkrankungen. Der Vitamin-D-Mangel resultiert in einer verminderten Mineralisation des Osteoids, wodurch eine weiche, mechanisch wenig belastbare Knochengrundsubstanz entsteht. Im Kindesalter wird zudem die enchondrale Ossifikation gestört.

Symptome

Die Symptome des Vitamin-D-Mangels ergeben sich aus der verminderten Mineralisation des Osteoids und der nur im Wachstumsalter relevanten Störung der enchondralen Ossifikation: Beim Kind lassen sich Minderwuchs, Kraniotabes, Zahndefekte, Kielbrust, Auftreibungen der Knorpel-Knochen-Grenze der Rippen („rachitischer Rosenkranz“), metaphysäre Auftreibungen, insbesondere proximal der Malleolen und proximal der Handgelenke, Coxa vara und Genua vara beobachten. Beim Erwachsenen entstehen Coxa vara bis hin zur pathologischen Schenkelhalsfraktur, Protrusio acetabuli, Genua vara, Verbiegungen des Femurs und der Tibia sowie metaphysäre Umbauzonen (Looser-Umbauzonen), die bis zur Stressfraktur gehen können.

Diagnostik

Das Röntgenbild zeigt aufgrund der reduzierten Mineralisation des Osteoids eine Osteopenie. Die oben beschriebenen Veränderungen am Skelett im Sinne der Verbiegung, Bildung von Umbauzonen oder Frakturen finden sich im Röntgenbild wieder. Im Labor findet sich in der Regel eine Hyokalzämie und aufgrund des erhöhten Knochenumsatzes eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase. Beim Malabsorptionssyndrom liegen eine Hypophosphatämie und eine Reduktion des 25-Hydroxycholecalciferol vor, bei der Nierenerkrankung als Ursache eines Vitamin-D-Mangels findet sich dagegen eine Hyperphosphatämie und eine Reduktion des 1,25-Dihydroxycalciferol.

Differenzialdiagnose

Hereditäre hypophophatämische Vitamin-D-resistente Rachitis, eine Resorptionsstörung des Nierentubulus mit exzessivem Phosphatverlust.

Therapie

Konservative/symptomatische Therapie

Je nach zugrunde liegender Erkrankung für ausreichende UV-Exposition und Vitamin-D3-Zufuhr sorgen.

Medikamentöse Therapie

Bei mangelnder Zufuhr von Vitamin D3 oder Malabsorptionssyndromen kann 25-Hydroxycholecalciferol verabreicht werden. Bei Nierenerkrankungen muss 1,25-Dihydroxycalciferol gegeben werden, da bei diesen Erkrankungen die notwendige Hydroxylierung in der Position 1 nicht erfolgen kann.

Operative Therapie

Da eine kausale medikamentöse Therapie existiert, ergeben sich Operationsindikationen nur in Ausnahmefällen: Bei dislozierter medialer Schenkelhalsfraktur oder anderen dislozierten, instabilen Frakturen muss eine Osteosynthese durchgeführt werden, Stressfrakturen lassen sich konservativ behandeln. Eine Aufklärung über die Möglichkeit der medikamentösen Behandlung und Ruhigstellung muss erfolgen.

Dauertherapie

Eine dauerhafte Substitution mit Vitamin D empfiehlt sich bei Risikopatienten, also Patienten mit zugrunde liegender Störung der Absorption, der Leber- oder Nierenfunktion.

Bewertung

Vor der operativen Therapie von stabilen Frakturen durch Looser-Umbauzonen muss über die Möglichkeit der Ausheilung durch medikamentöse Substitution und gegebenenfalls Ruhigstellung nachgedacht werden.

Autor

Nils Hailer

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