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Außenbandruptur, Sprunggelenk

Synonyme

Ruptur der lateralen fibulotarsalen Bänder

Englischer Begriff

Rupture of the lateral ankle ligaments; Anterior talofibular ligament; Calcaneofibular ligament; Posterior talofibular ligament

Definition

Traumatische Zerreißung eines der Außenbänder am Sprunggelenk (Ligamentum talofibulare anterius, Ligamentum calcaneofibulare, Ligamentum talofibulare posterius).

Pathogenese

Distorsionstraumata des oberen Sprunggelenks gehören zu den häufigsten Verletzungen des Menschen. Durch Supination und Plantarflexion werden das Lig. talofibulare anterius und das Lig. Calcaneofibularie gestresst. Verletzungen des Lig. talofibulare posterius und des Lig. talocalcaneare sind selten oder klinisch wenig relevant.

Symptome

Hämatom und Schwellung um den lateralen Malleolus mit lokalisierter Druckdolenz, Instabilitätsgefühl auf unebenem Untergrund, rezidivierende Supinationstraumata.

Diagnostik

Zur klinischen Untersuchung setzt sich der Patient auf die Untersuchungsliege mit hängenden Unterschenkeln. Dadurch werden die dynamischen Stabilisatoren des lateralen oberen Sprunggelenks, die Peronealsehnen, ausgeschaltet, und das Ausmaß der Instabilität kann mithilfe des Talus-Vorschub-Tests und Talus-Inversion-Stress-Tests abgeschätzt werden. Isolierte Verletzung des Lig. talofibulare anterius führt zu einer verstärkten Talusinversion in Plantarflexion, nicht aber in neutraler Stellung. Die isolierte Ruptur des Lig. calcaneofibulare führt zu einer erhöhten Mobilität des Subtalargelenks in Neutralstellung. Verletzungen des Lig. talofibulare anterius und des Lig. calcaneofibulare führen zu einem instabilen oberen Sprunggelenk. Eine isolierte Verletzung des Lig. talofibulare posterius ermöglicht eine vermehrte Dorsalextension ohne laterale Instabilität. Ein Vergleich mit der unverletzten Gegenseite kann Aufschluss über die individuelle Bandlaxität geben.

Konventionelle Röntgenbilder unter Belastung, wenn möglich, sollen die Stabilität der Syndesmose demonstrieren und Begleitverletzungen wie Frakturen der Fibula und ossäre Bandausrisse ausschließen. Gehaltene Aufnahmen werden wegen großer interindividueller Normwertevarianz und reflektorischer Stabilisation des lateralen oberen Sprunggelenks durch die Peronealsehnen selten zur Diagnosestellung verwendet.

Das Magnetresonanztomogramm eignet sich gut zur Beurteilung des Ausmaßes der einzelnen Bandverletzung und besonders zur Evaluation von osteochondralen Begleitverletzungen.

Differenzialdiagnose

Laterale Malleolarfraktur, Syndesmosenruptur, Fraktur des Processus lateralis tali, kombinierte mediale und laterale Bandruptur des oberen Sprunggelenks, osteochondrale Frakturen des Talus.

Therapie

Akuttherapie

Alle akuten Außenbandrupturen können mit gutem Erfolg konservativ therapiert werden. Je nach Grad der Verletzung und Regredienz der Symptome im Verlauf werden Immobilisation und frühes Funktionstraining individuell modifiziert. Initial ist eine Immobilisation in einer Schiene oder gespaltenem Gips mit Kompression, Eis, Hochlagern für ein bis zwei Wochen mit Entlastung oder Belastung nach Maßgabe der Schmerzen empfohlen. Anschließend intermittierende, aktive Funktionsübungen innerhalb der Schmerzgrenzen und Erreichen der Vollbelastung an Stöcken, je nach Compliance im Gips oder Stabilschuh. Bei Verletzungen von Grad I und II wird in der Regel die Vollbelastung nach ca. ein bis zwei Wochen und bei Verletzungen von Grad III nach ca. vier bis sechs Wochen erreicht. Nachts ist eine kontinuierliche Stellungskontrolle für sechs Wochen zu empfehlen. Falls kein geschlossener Gips angelegt wurde, bietet sich eine Nachtschiene an. Diese Regime führen in über 90 % der Fälle zu einer Restitution mit Erreichen der ehemaligen Sportfähigkeit.

Bei Grad-III-Verletzungen rechtfertigt sich in ausgewählten Fällen die primäre Naht der Bänder. Die Restitution nach primärer Operation ist jedoch nicht sicher häufiger oder schneller als nach konservativer Therapie.


Tabelle 1.
Einteilung der lateralen Bandverletzungen am oberen Sprunggelenk.

Grad

Verletzung

Anamnese

Befund

I

Dehnung

Gehen schmerzfrei

milde Schwellung, stabiles oberes Sprunggelenk

II

Zerrung

Gehen schmerzhaft

moderate Schwellung, stabiles oberes Sprunggelenk

III

Ruptur der Ligg. talofibulare anterius und calcaneofibulare lateralis

Gehen unmöglich

starke Schwellung, instabiles oberes Sprunggelenk


Konservative/symptomatische Therapie

Siehe Akuttherapie für frische Verletzungen. Bei chronischer Instabilität nach alter Verletzung ist häufig eine operative Stabilisation nötig. Falls keine Operation durchgeführt werden soll, können stabilisierende Orthesen oder Verbände eine symptomatische Therapie darstellen.

Operative Therapie

Nur selten in der akuten Phase indiziert: Über einen Hautschnitt über der distalen Fibula in Richtung der Basis des Os metatarsale V werden die Außenbänder dargestellt und direkt vernäht (Broström-Technik). Augmentationstechniken mit Retinaculum-extensorum-Anteilen (Gould-, Harper-, Karlsson-Technik) oder Rekonstruktionen mit freien oder ortsständigen Sehnentransplantaten (Weber: Plantarissehne; Evans, Watson-Jones, Chrisman-Snooks: Peroneus-brevis-Sehne) sind meist nur bei chronischer lateraler Instabilität des oberen Sprunggelenks nötig.

Dauertherapie

Nach ausgeheilter Außenbandruptur kann das Sprunggelenk durch einen Tape-Verband für den Wettkampf stabilisiert werden. Besonders bei Kontaktsportarten kann diese Maßnahme prophylaktisch wirksam sein. Jedoch ist die Dauer der Stabilisation eines Tape-Verbands auf ca. eine Stunde begrenzt, dann ist er ausgelockert. Generell werden körpereigene Stabilisatoren des Sprunggelenks zunehmend atrophieren, falls die Verbände oder Orthesen auch während des geschützten Trainings getragen werden.

Bewertung

Generell ist ein frühes funktionelles Regime für alle Außenbandverletzungen zu empfehlen. Aus der Vielzahl der angebotenen Schemata hat sich folgendes Schema als Beispiel bewährt: Aircast-Schiene zur Kompression mit Eis und lokaler massierender, antiphlogistischer Medikation bis zum Abschwellen. Eine Entlastung für zwei bis vier Tage kann bei schweren Verletzungen hilfreich sein. Eine Nachtschiene für sechs Wochen in Neutralstellung verhindert ein unbewusstes Aufdehnen im Schlaf. Beginn mit vorsichtigem dorsoplantaren Funktionstraining bereits in der Aircast-Schiene. Nach dem Abschwellen Beginn mit Belastung nach Maßgabe der Schmerzen im Stabilschuh für insgesamt sechs Wochen nach Unfall. Bei erreichter stockfreier Vollbelastung Beginn mit Physiotherapie.

Nachsorge

Nach erreichter schmerzfreier Vollbelastbarkeit schließt sich eine Physiotherapie mit Koordination, Propriozeption und Funktionstraining an. Die Rückkehr zur ehemaligen Aktivität richtet sich nach den individuellen Beschwerden und wird nach ca. vier bis acht Wochen erreicht.

Autor

Geert I. Pagenstert

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