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Nervenregeneration

Synonyme

Reinnervation

Englischer Begriff

Nerve regeneration

Definition

Wiederherstellung der Kontinuität und Funktion eines Nervs.

Beschreibung

Nach einer Nervenverletzung kommt es zur Waller-Degeneration des distalen Nervenendes. Im Rahmen der Nervenregeneration wachsen vom proximalen Nervenende meist im Bereich des ehemaligen Schnürrings Axone nach distal vor (Wachstumskolben). Nach Erreichen des distalen Stumpfs dringen die Axone in die Büngner-Bänder ein, die ihnen als Leitschienen dienen. Der distale Stumpf dient jedoch nicht nur als mechanische Leitschiene, sondern sezerniert auch chemisch wirksame Substanzen (Chemotaxis). Unter diesen Faktoren finden sich 18 verschiedene Interleukine, Tumor-Nekrose-Faktor α (TNFα), zwei Lymphotoxine, drei Colony-stimulating Faktoren (CSF), Interferone und transforming growth factors mit lokaler autokriner oder parakriner Wirkung von Wachstumsfaktoren. Beispiele hierfür sind: epidermal growth factor (EGF), platelet derived growth factor (PDGF), transforming growth factor α (TGFα), vascular endothelial growth factor (VEGF). Offensichtlich haben die einzelnen Faktoren spezifische Aufgaben, einige unterstützen die Erhaltung des proximalen Nervenendes, andere die Aussprossung der Axone, die Proliferation der Schwann-Zellen oder die Aussprossung der Kapillaren. Der Erfolg der Nervenregeneration ist auch von dem zeitgerechten Zusammenspiel der einzelnen Faktoren abhängig. Die Geschwindigkeit der Nervenregeneration beträgt beim Menschen ca. 1–5 mm pro Tag, wobei proximale Nervenabschnitte schneller als distale regenerieren. Experimentell kann die Nervenregeneration durch die Gabe von neurotrophen Faktoren (CNTF, BDNF, NT-4/5, IGF, TGF, Glutamatrezeptorenblocker, Deprenyl) gefördert werden; diese Therapien sind aber im klinischen Alltag noch nicht etabliert. In der Praxis wird die Nervenregeneration vorwiegend durch die lokalen Faktoren wie Durchblutungsverhältnisse, Gewebesauerstoffgehalt, Glukose, Elektrolyte, Zytokine und Vitamine beeinflusst. Therapeutisch wird die aktive, moderate Bewegung der verletzten Extremität empfohlen. Eine Elektrotherapie des verletzten Nervs fördert zwar im Tiermodell die Nervenregeneration, für die Wirksamkeit dieser Therapie beim Menschen fehlen bisher die Daten. Die zum Erhalt der Muskulatur eingesetzte Elektrostimulation der Muskulatur wird positiv beurteilt. Eine Hemmung der terminalen Aussprossung der auswachsenden Axone durch die Elektrostimulation, wie verschiedentlich in der Literatur berichtet, konnte Henning nur für 5–20 % der Axone zeigen. Klinisch kann das Auswachsen der Axone durch das Hoffmann-Tinel-Zeichen, welches auf Höhe des Nervenstumpfs Parästhesien auslöst, bestimmt werden.

Kleine polyphasische Potentiale zeigen Reinnervation im Elektromyogramm an (Reinnervationspotentiale). Zu beachten ist, dass auch bei klinisch vollständiger Erholung der Nervenfunktion, die Nervenleitgeschwindigkeiten meist herabgesetzt bleiben und auch Denervationszeichen fortbestehen können, ohne dass dies auf einen erneuten Nervenschaden hinweist.

Autor

Iris Reuter

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