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Heparin, unfraktioniertes

Handelsnamen

heparin, Heparin AL, Liquemin, Thrombophob, Vetren

Anwendungsgebiete/Indikationen

Thrombolyse bei tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie, Thromboseprophylaxe. Zur Thromboseprophylaxe hat sich jedoch mittlerweile der Einsatz von niedermolekularen Heparinen durchgesetzt. (siehe auch Heparin, niedermolekulares)

Dosierung

Indikationsabhängige Dosierung

  • Zur Thrombolyse bzw. Vermeidung der Ausbreitung der Thrombose bei tiefer Venenthrombose und bei Lungenembolie kann eine so genannte Vollheparinisierung durchgeführt werden. Hierbei wird ein Bolus von 5000 IE intravenös gegeben, anschließend über einen Perfusor in Abhängigkeit von der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) eine Tagesdosis von üblicherweise 25.000–35.000 IE intravenös. Die PTT sollte auf das 1,5–2,5-Fache des Normalwerts angehoben werden. Die Dauer richtet sich nach der Art der Thrombose; vorgeschlagen wird eine Therapiedauer von fünf Tagen, wobei während dieses Zeitraums überlappend die Gabe von Kumarin eingeleitet wird. Therapieende der Vollheparinisierung nach Erreichen therapeutischer INR-Werte.
  • Zur Thromboseprophylaxe wird eine so genannte „Low-dose-Heparinisierung“ durchgeführt, im Normalfall 3 × 5000 IE subkutan, bei Vorliegen von Risikofaktoren oder Patienten mit deutlichem Übergewicht wird die Dosis auf 3 × 7500 IE subkutan erhöht. Seit der Einführung der niedermolekularen Heparine wird die Thromboseprophylaxe im orthopädisch-traumatologischen Indikationsspektrum jedoch weniger häufig mit unfraktioniertem Heparin durchgeführt.

Darreichungsformen

Injektionslösung

Wirkmechanismus

Heparin ist ein körpereigenes Mukopolysaccharid, welches in Mastzellen gebildet wird und durch die Aktivierung von Antithrombin III wirkt. Das Antithrombin III hemmt das Thrombin und den Faktor Xa der Gerinnungskaskade. Cave: Bei angeborenem Antithrombin-III-Mangel kann das Heparin seine volle Wirkung nicht entfalten!

Pharmakokinetik

Nach intravenöser Bolusgabe tritt die Wirkung innerhalb von Minuten ein, nach subkutaner Injektion ist der gerinnungshemmende Effekt nach zwei bis vier Stunden maximal. Die biologische Halbwertszeit liegt bei ca. zwei Stunden.

Kontraindikation

Kontraindikationen sind die vorangegangene HIT, Ulzera des Gastrointestinaltrakts, frische Verletzungen oder Operationen am Zentralnervensystem und drohender Abort. Unmittelbar vor und nach Spinalpunktionen (Spinalanästhesie!) sollte kein unfraktioniertes Heparin gegeben werden.

Nebenwirkungen

Häufigste relevante Nebenwirkung ist die erhöhte Blutungsneigung, gefolgt von der heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT). Bei der HIT werden zwei Formen unterschieden:

  1. Die weniger ernste HIT Typ I, die mit einer dosisabhängigen, frühen Thrombopenie einhergeht, in der Regel in den ersten zwei bis drei Tagen nach Therapiebeginn.
  2. Die HIT Typ II, bei der eine dosisunabhängige, allergische Thrombopenie mit oft wesentlich stärkerem Abfall der Thrombozytenwerte auftritt und die zu schwersten Gerinnungsstörungen (u. U. mit dem Auftreten venöser und arterieller Thrombosen, so genanntes „white clot syndrome“) führen kann. Ein Abfall der Thrombozytenwerte unter 50 % des Ausgangswerts gilt als Alarmsignal. Die allergische HIT Typ II tritt aufgrund der zunächst stattfindenden Sensibilisierung und Bildung von Antikörpern typischerweise erst eine Woche nach Therapiebeginn auf.

Um die verschiedenen HIT-Formen rechtzeitig erkennen zu können, ist die zumindest wöchentliche Kontrolle der Thrombozytenzahl angezeigt.

Unabhängig von der HIT ist ein vorübergehender Transaminasenanstieg relativ häufig, während allergische und anaphylaktoide Reaktionen, Haarausfall und bei Langzeitanwendung Osteoporose seltener sind.

Antidot des Heparins ist das Protamin (Protamin 1000 Roche), bei dem 1 ml (1000 IE) etwa 1000 IE Heparin antagonisiert.

Wechselwirkungen

Erhöhte Blutzuckerwerte werden unter der Heparintherapie relativ häufig beobachtet, was insbesondere bei Diabetikern relevant ist.

Autor

Nils Hailer

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