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Daumenbeugekontraktur

Synonyme

Flexionskontraktur des Daumengrundgelenks; Pollex flexus congenitus

Englischer Begriff

Flexion contracture of the thumb; Thumb in palm; Clasped thumb

Definition

Kontrakte Beugefehlstellung im Interphalangealgelenk (Endgelenk) oder Metakarpophalangealgelenk (Grundgelenk) des Daumens.

Pathogenese

Beugefehlstellungen im Interphalangealgelenk des Daumens resultieren in der Regel aus Verletzungen (z. B. Avulsionsverletzung der Sehne des M. extensor pollicis longus, Frakturen) oder komplexen Fehlstellungen des Daumenstrahls bei der rheumatoiden Arthritis (z. B. Schwanenhalsdeformität). Ein Befall des ersten Strahls bei Dupuytren-Kontraktur oder palmarer Narbenbildung nach Verbrennung kann ebenfalls eine Beugefehlstellung des Daumens hervorrufen. Bei Säuglingen kann eine angeborene Ringbandstenose (Pollex flexus congenitus) ursächlich für eine Beugefehlstellung des Daumens sein. In seltenen Fällen kann die Beugekontraktur jedoch auch Ausdruck einer komplexen Deformität (z. B. Arthrogrypose) mit einem Missverhältnis zwischen den Extensoren und Flexoren des Daumens sein.

Symptome

Durch die kontrakte Beugefehlstellung im Interphalangealgelenk des Daumens ist die Greiffähigkeit vor allem für den Spitzgriff und den Grobgriff deutlich eingeschränkt.

Im Metakarpophalangealgelenk des Daumens führt eine kontrakte Beugefehlstellung zu einer Behinderung des Grobgriffs. Vor allem bei Patienten mit rheumatoider Arthritis ist dies mit einer Überstreckstellung im Interphalangealgelenk des Daumens kombiniert (90-90-Deformität, Knopflochdeformität).

Neugeborene mit einer Beugekontraktur des Daumens weisen einen in die Hohlhand eingeschlagenen Daumen auf (Pollex flexus congenitus), der oft zusätzlich eine Adduktionskomponente hat.

Diagnostik

Die klinische Untersuchung beinhaltet die gesamte obere Extremität und vor allem das Daumensattelgelenk. Das Interphalangealgelenk und Metakarpophalangealgelenk des Daumens werden auf ihre Redressierbarkeit und Seitenbandführung überprüft. Erkrankungen der Weichteile (z. B. Dupuytren-Kontraktur oder hypertrophe Narben nach Verbrennung) lassen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung verifizieren.

Bei der Untersuchung der angeborenen Deformitäten lässt sich der Daumen auch bei einer Ringbandstenose nur selten unter Auslösen eines Schnapp-Phänomens strecken. Meist imponiert eine Beugekontraktur mit weichem Anschlag, die ein Strecken des Daumens verhindert.

Differenzialdiagnose

Aufgrund der unterschiedlichen Ätiologie einer Daumenbeugekontraktur muss die jeweilige klinische und röntgenologische Befundkonstellation sowie die Anamnese zur Stellung der Diagnose und Ausschluss von Differentialdiagnosen herangezogen werden.

Therapie

Beugekontrakturen des Interphalangealgelenks des Daumens, die zu einer schmerzhaften Funktionsbehinderung führen, sollten operativ versorgt werden. Flexible Beugefehlstellungen des Daumengrundgelenks können mit einem Weichteileingriff (z. B. Tenodese) stabilisiert werden, so dass die Greiffunktion bei eingeschränkter Beweglichkeit möglich ist. Neugeborene mit einer Ringbandstenose müssen unverzüglich einer operativen Therapie (Spaltung des Ringbands) zugeführt werden. Ist die Daumenbeugekontraktur einem Missverhältnis zwischen Extensoren und Flexoren zuzuschreiben („clasped thumb“), kann eine konservative Therapie (Orthese zum Aufdehnen der Flexionsadduktionskontraktur) begonnen werden. Sollte sich nach etwa sechs Monaten keine Besserung des Befunds einstellen, können operative Maßnahmen angeschlossen werden.

Akuttherapie

Bei Neugeborenen mit einer angeborenen Ringbandstenose sollte unverzüglich die operative Spaltung des Ringbands A1 erfolgen. Neugeborene mit einer Flexionsadduktionsfehlstellung des Daumens sollten möglichst rasch mit einer Orthese zur Redression der Fehlstellung versorgt werden.

Konservative/symptomatische Therapie

Redressierbare Beugefehlstellungen im Interphalangealgelenk oder Metakarpophalangealgelenk des Daumens können durch geeignete Orthesen in die Neutralstellung überführt werden. Diese Orthesen behindern jedoch meist zusätzlich die Funktion des Daumens, so dass sie als Dauertherapie nicht geeignet sind.

Medikamentöse Therapie

Stehen die schmerzhaften degenerativen oder entzündlichen Veränderungen (z. B. Synovitis) im Vordergrund, können lokale antiphlogistische Maßnahmen (Salben) oder intraartikuläre Injektionen mit einem Kortikoidpräparat durchgeführt werden.

Operative Therapie

Kontrakte Beugefehlstellungen im Daumenendgelenk können durch eine Arthrodese in Funktionsstellung (Daumen, Arthrodese) korrigiert und stabilisiert werden. Beugefehlstellungen im Daumengrundgelenk lassen sich, solange sie noch redressierbar sind, durch geeignete Weichteileingriffe (dorsale Tenodese mit der distal abgelösten Sehne des M. extensor pollicis longus) korrigieren und unter Erhalt einer Restbeweglichkeit stabilisieren. Die oft begleitend vorhandene Hyperextensionsfehlstellung im Daumenendgelenk kann durch ein beidseitiges Release des Lig. retinaculum obliquum (Landsmeer-Band) verbessert werden.

Kommt es trotz adäquater konservativer Vorbehandlung einer angeborenen Flexionsadduktionsfehlstellung des Daumens zu keiner Befundbesserung, können operative Maßnahmen (lokale Hauterweiterungsplastiken, Rotationslappen, Durchtrennung fibröser subkutaner Stränge, Release des M. adductor pollicis, gegebenenfalls Transposition der Sehne des M. extensor indicis bei Hypoplasie der Daumenstrecksehnen) indiziert sein.

Dauertherapie

Nach der Operation und Abschluss der postoperativen Konsolidierungsphase sind langfristige ergotherapeutische und physiotherapeutische Maßnahmen zur Gebrauchsschulung des Daumens sinnvoll. Kinder mit angeborenen Deformitäten („clasped thumb“) sollten langfristig mit einer Orthese zur Aufdehnung der palmaren Weichteile und der ersten Kommissur versorgt werden.

Bewertung

Beugekontrakturen im Daumenendgelenk und Daumengrundgelenk sollten bei Beschwerdepersistenz und Funktionsbehinderung operativ korrigiert werden. Der Eingriff führt nach Abschluss der postoperativen Konsolidierungsphase zu einer dauerhaften Funktionsverbesserung beim Spitz- und Grobgriff. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis kann die Tenodese am Daumengrundgelenk mittelfristig insuffizient werden, weshalb dann gelegentlich die Arthrodese erforderlich wird.

Neugeborene mit einer angeborenen Ringbandstenose erreichen postoperativ eine uneingeschränkte Funktion des Daumens. Bei komplexen Fehlbildungen („clasped thumb“) kann es trotz adäquater konservativer und operativer Maßnahmen zu einem bleibenden Funktionsdefizit des Daumens kommen.

Nachsorge

Die Behandlung degenerativer oder posttraumatischer Daumenbeugekontrakturen erfordert bis zum Abschluss der postoperativen Behandlung eine fachärztliche Beurteilung. Kinder mit angeborenen Deformitäten sollten hingegen bis zum Wachstumsabschluss kontinuierlich in fachärztlicher Kontrolle verbleiben, um die Progredienz der Deformität zu beurteilen und frühzeitig die Indikation zu operativen Korrekturmaßnahmen stellen zu können.

Autor

Renée Fuhrmann

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