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Tremor

Synonyme

Zittern

Englischer Begriff

Tremor

Definition

Tremor ist eine rhythmische unwillkürliche Bewegung.

Vorkommen

Tremor ist ein Symptom und kommt bei verschiedenen Erkrankungen vor. Man unterscheidet die Tremorformen nach der Klassifikation der Movement Disorder Society (Deuschl 1998). Tremor wird beschrieben nach der Frequenz (niederfrequent 2–4 Hz, mittelfrequent 4–7 Hz, hochfrequent über 7 Hz), Erblichkeit, Dauer der Erkrankung und Provokationsbedingungen (Ruhe-, Halte-, Aktionstremor, Zielbewegungen, ungerichtete Bewegungen).

Physiologischer Tremor: Kommt bei allen Gesunden in jedem Gelenk vor, die Amplitude ist niedrig und die Frequenz hoch (bis zu 20 Hz), daher nur an den Fingern sichtbar. Er hat keinen Krankheitswert. Von verstärktem physiologischem Tremor spricht man, wenn der Tremor zum Beispiel unter Haltebedingungen sichtbar wird, die Frequenz ist hoch; diese Tremorart kommt häufiger bei Intoxikationen vor.

Klassischer essentieller Tremor: Häufig erblich, in 60 % der Fälle autosomal-dominant, bilateraler, meist symmetrischer Halte- und Aktionstremor, selten Ruhetremor. Beginn liegt im mittleren Lebensalter (um die 40 Jahre), jedoch Erkrankung zwischen Jugendalter und Senium möglich. Betroffen sind am häufigsten die Hände (94 %), gefolgt von Kopf (33 %), Stimme (16 %), Beine (12 %) und Rumpf (3 %). Besserung nach Alkoholeinnahme.

Orthostatischer Tremor: Tremor, der beim Stehen auftritt, Sistieren des Tremors beim Sitzen, Liegen und Laufen, Tremorfrequenz: 13–18 Hz, Folge: Standunsicherheit.

Aufgaben- und positionsspezifischer Tremor: Z. B. Schreibtremor. Es gibt hiervon zwei Sorten:

  1. der nur bei der Aufgabe Schreiben auftretende Tremor;
  2. der Tremor, der nicht nur beim Schreiben auftritt, sondern auch bei anderen Tätigkeiten mit der betroffenen Hand.

Stimmtremor: Tremor, der beim Sprechen auftritt.

Parkinson-Tremor:

  • Typ I: Ruhetremor, Tremorfrequenz 4–6 Hz, Tremorsuppression im Schlaf;
  • Typ II: Ruhe- und Haltetremor, Tremorfrequenz ca. 1,5–2 Hz niedriger als Typ I;
  • Typ III: reiner Halte- und Aktionstremor, Tremorfrequenz > 5 Hz.

Zerebellärer Tremor: uni- oder bilateraler Intentionstremor, seltener auch posturaler Tremor, Wackeltremor, Standtremor, Tremorfrequenz < 5 Hz.

Holmes-Tremor (rubraler Tremor): Ruhe- und Intentionstremor, aber auch posturaler Tremor, Tremorfrequenz 4–5 Hz, weniger rhythmisch als die übrigen Tremorarten mit großer Amplitude.

Gaumensegeltremor:

  • Symptomatischer Gaumensegeltremor nach Hirnstammläsion unter Einbezug des Velum palatinum.
  • Essentieller Gaumensegeltremor fällt oft durch Klicken im Ohr auf und beteiligt auch andere Muskeln im Rachenraum:
  • Medikamentös induzierter Tremor: Tritt zum Beispiel nach Sympathomimetika, Koffein, Dopamin, Theophyllin, Steroiden, Valproat, Antiarrhythmica, Schilddrüsenhormonen, Zytostatika, Neuroleptika, Metoclopramid, Lithium, Kokain, Alkohol auf. Weiterhin bei Entzug von Alkohol und Drogen. Eine Sonderform ist der tardive Tremor nach langjährigem Neuroleptikagebrauch, welcher als Haltetremor mit 3–5 Hz auftritt.

Tremor bei Neuropathie: Sowohl bei demyelinisierenden als auch, wenn auch weniger häufig, bei axonalen Neuropathien kann ein peripherer Tremor auftreten, gehäuft bei CIDP (chronisch inflamatorische demyelinisierende Polyneuropathie) oder bei Gammopathie.

Psychogener Tremor: gekennzeichnet durch ungewöhnliche Kombination von plötzlichem Beginn und plötzlichem Sistieren, Ko-Aktivierung der Muskulatur, Abnahme der Tremorfrequenz und -amplitude bei Willkürbewegung der kontralateralen Seite.

Pathogenetisch liegt beim physiologischen und neuropathischen Tremor ein peripherer Mechanismus vor, bei dem zerebellären Tremor liegt eine Enthemmung von Reflexschleifen häufig bei einer Kleinhirnläsion vor, beim physiologisch verstärktem Tremor eine Enthemmung eines zentralen Oszillators, bei dem essentiellen Tremor vermutlich eine Störung im Bereich der Olive vor. Der orthostatische Tremor hat häufig einen Oszillator im Bereich des Hirnstamms, beim Gaumensegeltremor und beim rubralen Tremor liegt häufig eine Hirnstammläsion vor, der Tremor kann mit einer Latenzzeit bis zu zwei Jahren nach der Schädigung auftreten.

Diagnostik

Klinische Untersuchung; gegebenenfalls Elektromyographie und Tremoranalyse; Labor: Blut-, Leber-, Nierenwerte, TSH, T3, T4, Elektrolyte, Kupferbestimmung im Urin, Coeruloplasminbestimmung, gegebenenfalls Bestimmung von Hormonen, Vitaminen und Vaskulitisparametern; Lumbalpunktion; Bildgebung: kraniale Magnetresonanztomographie, gegebenenfalls DAT-Scan bzw. IBZM-SPECT und PET-Scan zur Beurteilung des Dopaminstoffwechsels.

Differenzialdiagnose

Differentialdiagnostisch müssen die einzelnen Tremorformen voneinander unterschieden werden sowie von Myoklonien bzw. Dyskinesien.

Therapie

Aufgrund der unterschiedlichen Tremorformen werden auch unterschiedliche Therapien bevorzugt.

Medikamentöse Therapie

Der klassische essentielle Tremor wird bevorzugt mit Beta-Blockern, in zweiter Wahl mit Primidon oder einer Kombination von Primidon und Propranolol behandelt. Man kann auch mit Gabapentin und Clonazepam therapieren. Zusätzlich spricht der essentielle Tremor auf die tiefe Hirnstimulation an. In der Vergangenheit wurden Thalamotomien durchgeführt (heute rar geworden). Beim Parkinson-Tremor helfen dopaminerge Substanzen, aber auch die beim essentiellen Tremor eingesetzten Substanzen. Der zerebelläre Tremor wird mit Carbamazepin, Clonazepam, Physostigmin und Ondansetron, der orthostatische Tremor bevorzugt mit Gabapentin oder Clonazepam, der Schreib- und aufgabenspezifischer Tremor zum Beispiel mit Botulinumtoxininjektionen behandelt. Der Gaumensegeltremor spricht auf Carbamazepin, 5-Hydroxitryptophan oder Phenytoin an, während der Holmes-Tremor mit Trihexyphenidyl, L-Dopa oder Clozapin behandelt wird.

Operative Therapie

Essentieller Tremor, seltener Kleinhirntremor: tiefe Hirnstimulation.

Bewertung

Ansprechen auf Therapie unterschiedlich, essentieller Tremor spricht in ca. 80 % der Fälle befriedigend auf Therapie an, aufgabenspezifischer Tremor in ca. 40–45 %.

Autor

Iris Reuter

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