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Kyphose

Synonyme

Rundrücken; Buckel

Englischer Begriff

Kyphosis

Definition

Nach posterior konvexe Krümmung der Wirbelsäule.

Vorkommen

Im Bereich der Brustwirbelsäule besteht physiologischerweise eine flexible nach dorsal konvexe Schwingung (Kyphose). Eine Kyphose der Lenden- oder Halswirbelsäule ist als krankhafte Veränderung zu interpretieren und kann nach Erkrankungen oder Verletzungen entstehen.

Diagnostik

Klinisch imponiert physiologischerweise im Brustwirbelsäulenbereich eine nach dorsal konvexe Wirbelsäulenausbiegung, die flexibel oder kontrakt sein kann. Möglich ist die quantitative klinische Bestimmung des Kyphoseausmaßes mithilfe eines Kyphometers. Klinisch ist die mangelnde Aufrichtbarkeit der Kyphose zu überprüfen, indem sich der Patient mit hängendem Kopf nach vorn beugt, dann den Kopf aktiv anhebt und so versucht, die Brustkyphose aktiv auszugleichen. Ebenso kann der Ausgleich der Brustkyphose aus der Bauchlage überprüft werden. Gelingt dies nicht, ist die Kyphose strukturell fixiert. Besteht eine übermäßige Brustkyphose über einen längeren Zeitraum, kann es kompensatorisch zu einer Hyperlordosierung der Lendenwirbelsäule kommen, was sich durch die seitliche Inspektion der Wirbelsäule abgrenzen lässt.

Das genaue Ausmaß der Brustkyphose lässt sich durch Messung des Kyphosewinkels (nach Stagnara) bestimmen. Hierzu werden anhand eines Röntgenbilds in seitlicher Projektion Tangenten an die Grundplatte des vierten Brustwirbelkörpers und die Deckplatte des zwölften Brustwirbelkörpers angelegt (Normalwert < 40°). Krankhafte Kyphosierungen werden quantifiziert, indem das Ausmaß der Kyphose zwischen der Grundplatte des ersten normal ausgerichteten kranialen Wirbelkörpers und der Deckplatte des ersten normal ausgerichteten kaudalen Wirbelkörpers bestimmt wird.

Differenzialdiagnose

Durch Krankheiten (Frakturen, Tumoren, Osteoporose (siehe Osteoporose Typ II), Adoleszentenkyphose, Spondylodiszitis, ankylosierende Spondylitis, Rachitis, Marfan-Syndrom, Neurofibromatose) kann es zu einer strukturell präformierten und meist rigiden Ausprägung einer Kyphose im Brustwirbelsäulenbereich oder im Übergang zur Hals- bzw. Lendenwirbelsäule kommen.

Therapie

Therapeutisch kann im Kindes- und Jugendalter eine Korsettversorgung sinnvoll sein. Ausgeprägte kyphotische Deformitäten können operativ aufgerichtet werden. Die Indikation besteht dann, wenn zunehmende Beschwerden, neurologische Ausfallerscheinungen, eine progrediente Kyphosierung, Blickfeldabweichungen oder eine Instabilität angrenzender Wirbelsäulensegmente auftreten.

Akuttherapie

Eine sofortige operative Therapie ist nur bei Kyphosen infolge Frakturen, tumoröser Destruktion oder Entzündung (z. B. Spondylodiszitis) indiziert.

Konservative/symptomatische Therapie

Kommt es infolge einer Spondylodiszitis der Hals-, Brust- oder oberen Lendenwirbelsäule mit bevorzugtem Befall der anterioren Wirbelkörperanteile zur Ausbildung einer Kyphose, kann eine konservative Therapie mit gezielter Antibiotikatherapie und Immobilisation durchgeführt werden. Trotz bildwandlergestützter Punktion des Wirbelkörpers gelingt allerdings nur bei etwa der Hälfte der Patienten ein Keimnachweis. Im Hals- und Brustwirbelsäulenbereich kann nach Anpassung einer reklinierenden Orthese eine frühfunktionelle Behandlung erfolgen. Ist der thorakolumbale oder lumbale Abschnitt betroffen, sollte vorübergehend eine Immobilisation durch Bettruhe (sechs bis zwölf Wochen) eingehalten werden, ehe die Mobilisationsphase mit einem Korsett eingeleitet werden kann.

Medikamentöse Therapie

Analgetika, Antiphlogistika, bei Spondylodiszitis Antibiotika.

Operative Therapie

Verstärkte Kyphosierungen der Brustwirbelsäule können operativ korrigiert werden, wobei je nach Ätiologie der Profilstörung kurzstreckige oder langstreckige Korrekturen indiziert sind. Meist ist zunächst ein ventrales Release (gelegentlich auch endoskopisch möglich) erforderlich, ehe die dorsale Instrumentierung vorgenommen werden kann. Abschließend erfolgt die ventrale interkorporelle Spondylodese.

Entzündliche Veränderungen der Wirbelsäule (Spondylodiszitis) mit zunehmender Kyphosierung können operativ saniert und stabilisiert werden. Hierzu werden ventrale Verfahren (Herdsanierung, Knochenspananlage) bevorzugt, die mit einer anterolateralen Instrumentierung zur Schaffung einer ausreichenden Primärstabilität kombiniert werden können. Der operative Ausgleich einer verstärkten Kyphosierung im zervikothorakalen Übergang (z. B. bei ankylosierender Spondylitis) erfolgt in der Regel durch ein kombiniertes dorsoventrales Vorgehen, da erst nach Durchführung eines ventralen Release eine ausreichende Aufrichtung des Wirbelsäulenabschnitts durch eine dorsale Instrumentierung möglich ist.

Kurzbogige Kyphosierungen (z. B. im thorakolumbalen Wirbelsäulenbereich) infolge Frakturen werden zunächst von dorsal über einen Fixateur interne ausgeglichen. Anschließend erfolgt von ventral die Spondylodese mit oder ohne partiellen Wirbelkörperersatz. Dieses Verfahren ist der transpedikulären interkorporellen Spongosaplastik hinsichtlich der Fusionsraten überlegen.

Bewertung

Brustkyphosen unter 60° sind nur selten symptomatisch und erfordern in der Regel keine spezifische Therapie. Größere Abweichungen führen meist durch Beschwerden, die auf eine Instabilität angrenzender Wirbelsäulensegmente zurückzuführen sind, zu einer Reduktion der Lebensqualität, so dass hier operative Korrekturen zur Wiederherstellung der physiologischen Ausrichtung indiziert sind.

Nachsorge

Rückengerechtes Verhalten und die konsequente Durchführung von isometrischen Übungen zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur sind als langfristige Therapie unerlässlich. Die klinischen und röntgenologischen Kontrolluntersuchungen sollten die Vergleichbarkeit der Befunde ermöglichen, um eine suffiziente Beurteilung der kyphotischen Fehlstellung bzw. der postoperativen Konsolidierung zu ermöglichen.

Autor

Renée Fuhrmann

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