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Lumbago

Synonyme

Lumbalgie

Definition

Lumbago beschreibt Schmerzzustände an der Lendenwirbelsäule, die mit eingeschränkter Beweglichkeit einhergehen und ihre Ursache zumeist in degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule haben. Der Begriff „Lumbalgie“ wird oft synonym gebraucht; es hat sich jedoch eingebürgert, mit dem Begriff „Lumbago“ das komplexe Symptombild bei degenerativen Lendenwirbelsäulenleiden und mit dem Begriff „Lumbalgie“ das enger gefasste Symptom des Schmerzes in der Lendenwirbelsäule zu bezeichnen. Davon abzugrenzen ist der Begriff der „Ischialgie“, bei der eine radikuläre Schmerzausstrahlung in das Bein vorliegt (siehe dort). Liegen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule kombiniert mit ausstrahlenden Schmerzen in das Bein vor, spricht man von der „Lumboischialgie“.

Pathogenese

Die Ursachen von Schmerzen in der Lendenwirbelsäule sind vielfältig, in den meisten Fällen sind jedoch degenerative Veränderungen die Ursache. Alle Elemente eines Bewegungssegments können degenerative Veränderungen entwickeln und so Schmerzen auslösen: Bandscheibendegeneration und Degeneration des hinteren Längsbands mit Protrusion (Vorwölbung) oder Prolaps des Nucleus pulposus (Vorfall), reaktive osteophytäre Randanbauten der Wirbelkörper (Osteochondrose), Hypertrophie des Lig. flavum, Arthrose der Facettengelenke (Spondylarthrose). Diese Veränderungen können ganz ohne relevante Einengung des Spinalkanals lokale Schmerzen im Sinne der Lumbalgie hervorrufen. Kommt es aber durch eine dieser Veränderungen oder eine Kombination mehrererVeränderungen zu einer Einengung des Spinalkanals, einer Spinalkanalstenose, können Symptome einer Claudicatio spinalis auftreten. Die Kompression einer Nervenwurzel kann zur Ischialgie führen.

Symptome

Das Leitsymptom bei der Lumbago ist die Lumbalgie, der Schmerz in der Lendenwirbelsäule. Eine Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ist meist begleitend vorhanden, von diskreten Befunden bis hin zur schmerzbedingten, fast vollständigen Bewegungsunfähigkeit. Eine Schmerzausstrahlung in das Bein gehört nicht zum Bild bei der reinen Lumbago (siehe Definition), neurologische Ausfallserscheinungen fehlen.

Diagnostik

Im Rahmen der klinischen Untersuchung können bei der Inspektion eine schmerzbedingte skoliotische Seitausbiegung, zumeist ohne rotatorische Komponente, sowie eine Steilstellung der Lendenwirbelsäule mit Entlordosierung beobachtet werden (Güntz-Zeichen). Bei der Palpation können schmerzhafte knöcherne Druckpunkte (z. B. Processus spinosus) oder schmerzhafte Bewegungssegmente ausgemacht werden, des Weiteren ein muskulärer Hartspann oder Myogelosen. Eine Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule lässt sich orientierend durch die Bestimmung des Fingerspitzen-Boden-Abstands beim Vornüberneigen und genauer mit dem Maß nach Schober objektivieren. Die akute Lumbago ohne neurologische Ausfallserscheinung, ohne vorangegangenes Trauma und ohne relevante Begleiterkrankungen muss nicht unmittelbar einer bildgebenden Diagnostik zugeführt werden; bei länger anhaltenden Beschwerden werden Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule angefertigt. In Abhängigkeit von der Gesamtkonstellation kann natürlich bei Bedarf die Bildgebung mit Magnetresonanztomographie ergänzt werden. Laboruntersuchungen sind sinnvoll, wenn neoplastische, rheumatologische oder infektiöse Ursachen der Lumbago vermutet werden oder ausgeschlossen werden sollen.

Differenzialdiagnose

Bei der weit überwiegenden Mehrzahl der Patienten mit einer akuten Lumbago sind degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule die Ursache. Dennoch kann prinzipiell fast jede in der Lendenwirbelsäule oder ihrer Nachbarschaft lokalisierte Pathologie die Symptome einer Lumbago hervorrufen, seien es entzündliche Veränderungen wie die Spondylodiszitis, primäre Knochentumoren der Wirbelsäule oder Metastasen einschließlich Neoplasien der Nieren, pathologische Frakturen, z. B. im Rahmen der Osteoporose, oder Systemerkrankungen. Das Dilemma in der Diagnostik besteht also darin, nicht jeden Patienten mit einer typischen Lumbago der gesamten apparativen Diagnostik zuzuführen, andererseits bei längerer Beschwerdedauer oder untypischen Befunden eine Differentialdiagnose nicht zu übersehen.

Therapie

Die Behandlung der akuten Lumbago ist zumeist konservativ, aber je nach Beschwerdedauer und -Intensität können auch operative Verfahren zur Anwendung kommen.

Akuttherapie

Bei der typischen akuten Lumbago führen kurzfristige Ruhigstellung, u. U. im Stufenbett, kombiniert mit Analgetika nach dem WHO-Stufenschema in der Regel innerhalb einiger Tage zur deutlichen Beschwerdebesserung.

Konservative/symptomatische Therapie

Initial bei starken Schmerzen Ruhigstellung im Stufenbett, nach Abklingen der Schmerzen allmählich physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen.

Medikamentöse Therapie

Eine Kombination von NSAID und Paracetamol, gegebenenfalls bei stärkeren Schmerzen niedrigpotente Opiate nach dem WHO-Stufenschema.

Operative Therapie

Eine operative Therapie muss sich auf morphologisch fassbare Diagnosen wie eine relevante Spinalkanalstenose gründen.

Dauertherapie

Anleitung zu körperlicher Aktivität, bei Übergewicht Gewichtsreduktion, Rückenschule.

Bewertung

Die Lumbago verursacht durch Arbeitsunfähigkeit, frühe Berentung sowie ausufernde diagnostische und therapeutische Maßnahmen erhebliche volkswirtschaftliche Kosten. Eine Überlagerung mit psychosomatischen Problemen ist häufig. Einer Chronifizierung der Lumbago muss von vornherein vorgebeugt werden, denn lange Arbeitsunfähigkeiten, geringe Bewegung und ausschließlich medikamentöse Maßnahmen haben eine prognostisch ungünstige Bedeutung.

Nachsorge

Siehe Dauertherapie.

Autor

Nils Hailer

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