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Kahnbeinpseudarthrose

Synonyme

Navikularepseudarthrose; Scaphoidpseudarthrose; Falschgelenkbildung des Kahnbeins

Englischer Begriff

Nonunion of the scaphoid

Definition

Ausbleibende oder unvollständige Knochenheilung nach einer Fraktur des Os scaphoideum.

Pathogenese

Je nach Frakturverlauf innerhalb des Kahnbeins kann es zu einer Störung der Perfusion kommen, was sich klinisch in einer unzureichenden oder ausbleibenden knöchernen Konsolidierung äußert. Als weitere Ursache wird eine unzureichende Primärbehandlung (fehlende oder zu kurze Immobilisation) angeschuldigt.

Symptome

Eine Kahnbeinpseudarthrose kann über viele Monate oder Jahre klinisch inapparent verlaufen. Andererseits klagen manche Patienten auch über belastungsabhängige Schmerzen mit Projektion auf die anatomische Tabatière und die radiale Handgelenkregion. Die Beweglichkeit kann schmerzhaft eingeschränkt und eine Kraftminderung der Hand kann ausgeprägt sein. Gelegentlich wird auch über eine Schwellung oder Überwärmung der Hand geklagt.

Diagnostik

Klinisch imponieren oft verstrichene Konturen in der anatomischen Tabatière oder eine geringe Schwellung des Handrückens. Die Beweglichkeit im Handgelenk oder im Daumensattelgelenk kann unterschiedlich stark eingeschränkt sein. Oft wird eine isolierte Druckschmerzhaftigkeit über der radialen Handwurzel oder der anatomischen Tabatière angegeben.

Röntgenologisch kann eine frakturnahe sklerotische Verdichtung der Fragmente oder eine völlige Separierung der Fragmente imponieren. Der distale Kahnbeinanteil ist nach palmar flektiert, weshalb das Kahnbein verkürzt erscheint. Begleitende Instabilitäten der Handwurzel (SNAC wrist: scaphoid nonunion advanced collaps; DISI: dorsal intercalated segment instability) oder die Ausbildung einer radioskaphoidalen Arthrose sind häufig zu finden. Eine diagnostische Sicherung lässt sich durch eine Computertomographie (Frakturverlauf) und/oder Magnetresonanztomographie (Vitalität der Fragmente) erreichen.

Differenzialdiagnose

Os scaphoideum bipartitum.

Therapie

Die Kahnbeinpseudarthrose stellt eine Indikation zur operativen Rekonstruktion dar. Eine symptomatische konservative Therapie kann bei geringen Beschwerden im Spätstadium indiziert sein, wenn bereits ein karpaler Kollaps mit Ausbildung einer radiokarpalen Arthrose eingetreten ist und nur noch die Arthrodese des Handgelenks möglich ist.

Konservative/symptomatische Therapie

Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten bestehen im Spätstadium in symptomatischen Maßnahmen (Orthese) und geeigneten physikalischen Anwendungen (z. B. Iontophorese), systemischen und/oder lokalen antiphlogistischen Maßnahmen oder therapeutischen Lokalanästhesien des N. interosseus posterior.

Medikamentöse Therapie

Systemische und/oder lokale antiphlogistische Maßnahmen.

Operative Therapie

Die operative Therapie einer Kahnbeinpseudarthrose besteht in der Aufrichtung des distalen Kahnbeinpols, der Wiederherstellung der Kahnbeinlänge und der knöchernen Konsolidierung der Pseudarthrose. Über einen radiopalmaren Zugang wird die Faszie radial der Sehne des M. flexor carpi radialis gespalten und die Gelenkkapsel eröffnet. Die Pseudarthrose wird dargestellt und mit geeigneten Instrumenten bis zum Erreichen regulärer spongiöser Strukturen angefrischt. Das kortikospongiöse Transplantat (Operation nach Matti-Russe) wird aus dem Os ilium entnommen und trapezförmig zubereitet, so dass die breitere Seite palmarseitig zur Aufrichtung des Os scaphoideum zu liegen kommt. Die Stabilisation erfolgt über eine kanülierte Schraube ohne Schraubenkopf (z. B. Herbert-Schraube), die vom distalen Kahnbeinpol eingebracht wird und deren Lage fluoroskopisch kontrolliert werden muss.

Liegt bereits eine Arthrose des radioskaphoidalen Gelenks in Kombination mit einem Kollaps der Handwurzel vor, kann die Exstirpation des Kahnbeins bei gleichzeitiger Durchführung einer mediokarpalen Teilarthrodese zwischen dem Os lunatum, Os capitatum, Os hamatum und Os triquetrum erforderlich sein. Ist neben den Handwurzelgelenken auch das Radiokarpalgelenk von den degenerativen Veränderungen betroffen, kann eine Arthrodese des Handgelenks oder eine Resektion der proximalen Handwurzelreihe durchgeführt werden. Als palliative Verfahren stehen bei Nachweis eines knöchernen Impingements die Styloidektomie oder die Denervation des Handgelenks zur Verfügung. Die Entfernung eines avaskulären proximalen Fragments und der Ersatz durch ein Knochentransplantat bzw. einen Silikonplatzhalter sind weitgehend verlassen worden.

Bewertung

Die erfolgreiche Rekonstruktion des Kahnbeins mit knöcherner Konsolidierung der Pseudarthrose ist geeignet, der Entwicklung eines karpalen Kollapses sowie einer radiokarpalen Arthrose vorzubeugen. Nach der interkarpalen Teilarthrodese ist mit einer Einschränkung der Beweglichkeit und einer verminderten Kraftentfaltung der Hand zu rechnen.

Nachsorge

Die knöcherne Konsolidierung der Kahnbeinpseudarthrose ist meist erst nach acht bis zehn Wochen abgeschlossen. Während dieser Zeit ist eine Immobilisation im zirkulären Unterarmgips, gegebenenfalls auch mit Einschluss des ersten Strahls, erforderlich. Anschließend ist mit einer prolongierten Rehabilitation unter physiotherapeutischer Anleitung zu rechnen.

Autor

Renée Fuhrmann

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