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Elektrotherapie

Synonyme

Elektrische Anwendungen

Englischer Begriff

Electrotherapy

Definition

Elektrotherapie ist der Oberbegriff für Anwendungen, die auf der Applikation von elektrischem Strom beruhen. Darunter werden Behandlungen mit Gleichstrom (Galvanisation) oder mit Wechselstrom unterschiedlicher Frequenz (niederfrequente Reizstromtherapie, Mittelfrequenztherapie, Hochfrequenztherapie) gemeint. Die angelegten elektromagnetischen Felder haben im Organismus physikalische Effekte wie die lokale Wärmeentwicklung und/oder biologische Effekte wie die Auslösung von Aktionspotentialen.

Indikation

Die genannten elektrotherapeutischen Verfahren finden ganz unterschiedliche Anwendungen, wobei analgetische Wirkungen von elektrophysiologischen Effekten wie der Auslösung von Aktionspotentialen unterschieden werden:

  • Die Galvanisation wird hauptsächlich wegen ihres großflächigen analgetischen Effekts bei Ischialgien, Zervikalgien und Neuralgien angewendet, wobei sich die hydroelektrische Anwendung in Form von Stanger-Bädern besonders bewährt hat.
  • Die niederfrequente Reizstromtherapie inklusive der Faradisation dient der lokalen Nerven- und Muskelstimulation zur Atrophieverhinderung bei längerer Ruhigstellung oder bei Reinnervation. Eine Sonderform der niederfrequenten Reizstromtherapie stellt die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) dar, die bei einem breiten Spektrum an Zuständen wie Tumorschmerzen, chronisch degenerativen Wirbelsäulenleiden, Wurzelkompressionssyndromen und Phantomschmerzen nach Querschnittlähmung oder Amputation angewendet wird.
  • Die Mittelfrequenztherapie wird zur Muskelstimulation bei peripheren Neuropathien, primären Myopathien und Periarthropathien eingesetzt.
  • Die Hochfrequenzverfahren (Kurz-, Dezimeter- und Mikrowelle) resultieren aufgrund ihrer hohen Frequenz ausschließlich in einer lokalen Wärmewirkung, die sich je nach verwendetem Verfahren in unterschiedlichen Gewebeschichten abspielt und eine breite Anwendung bei Arthrosen, chronischer Polyarthritis, Myotendinosen und periostalen Reizungen findet.

Kontraindikation

Patienten mit Herzschrittmacher dürfen nicht behandelt werden. Elektroden dürfen nicht auf Ulzerationen, offenen Wunden oder entzündlichen Hautveränderungen angebracht werden, die gleichen Zustände schließen auch die hydroelektrischen Anwendungen aus.

Durchführung

  • Bei der Galvanisation wird ein Gleichstrom angelegt, der zu einer analgetischen Wirkung in größeren Körperbereichen führt. In der orthopädischen Praxis wird die Gleichstrombehandlung in aller Regel in Form hydroelektrischer Bäder durchgeführt, wobei in mit Wasser gefüllten Badewannen (Stanger-Bäder, Zweizellenbäder) durch großflächige Elektroden durch Gleichstrom ein elektrisches Feld erzeugt wird. Die Iontophorese ist ebenfalls ein Gleichstromverfahren, in dem geladene Pharmaka in das Gewebe wandern können. Die Eindringtiefe von Pharmaka in das Gewebe ist jedoch bei dieser Anwendungsform nur unwesentlich größer als beim herkömmlichen Einreiben.
  • Bei der niederfrequenten Reizstromtherapie inklusive der Faradisation werden Impulsfrequenzen von 10–100 Hz und Impulsdauern unter 1 ms gewählt, um Aktionspotentiale an Nerven und der nachgeschalteten Muskulatur auszulösen. Bei der TENS als Sonderform der niederfrequenten Reizstromtherapie kommen kleine, tragbare, batteriebetriebene Geräte zum Einsatz, die ebenfalls Impulse von unter 1 ms setzen.
  • Die Mittelfrequenztherapie arbeitet im Frequenzbereich von 5–10 kHz und führt eher zur direkten Muskel- als zur Nervenstimulation.
  • Die Hochfrequenzverfahren liegen in der Regel bei Frequenzen über 300 kHz; hier werden aufgrund der hohen Frequenz keine Aktionspotentiale ausgelöst, sondern es wird eine lokale Wärmewirkung im Gewebe erzielt.

Die Eindringtiefe in das Gewebe ist je nach verwendeter Frequenz unterschiedlich.

Nachbehandlung

Die Elektrotherapie wird zumeist als ergänzende Therapieform in einen breiteren Rahmen physiotherapeutischer und medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten eingebettet. Vielen elektrotherapeutischen Anwendungen kann mit Erfolg eine physiotherapeutische Nachbehandlung, Massage oder Muskeldehnung angeschlossen werden.

Autor

Nils Hailer

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