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Daumeninstabilität

Synonyme

Skidaumen; Stener-Läsion

Englischer Begriff

Ulnar collateral ligament sprain; Skier’s thumb; Gamekeeper’s thumb; Stener lesion

Definition

Instabilität des Interphalangealgelenks (Endgelenk), des Metakarpophalangealgelenks (Grundgelenk) oder des Karpometakarpalgelenks (Sattelgelenk) am Daumen aufgrund einer mangelnden Stabilisierung durch den Kapsel-Band-Apparat.

Vorkommen

Eine Gelenkinstabilität des Daumens ist im Bereich aller Gelenke des ersten Strahls möglich. Am Daumenendgelenk ist eine Instabilität vergleichsweise selten und meist bei einer arthritischen Gelenkdestruktion im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis zu beobachten. Die ulnarseitige Seitenbandinstabilität im Interphalangealgelenk ist dabei eine typische Befundkonstellation. Am Daumengrundgelenk ist die posttraumatische ulnarseitige Seitenbandinstabilität (Skidaumen) am häufigsten zu beobachten. Instabilitäten des radialen Seitenbandapparats sowie der plantaren Kapsel können als Verletzungsfolge oder als Begleiterscheinung einer angeborenen Deformität (Hypoplasie des Daumens) vorkommen. Instabilitäten des Kapsel-Band-Apparats am Daumensattelgelenk sind selten und können als posttraumatische Deformität oder infolge angeborener Deformitäten beobachtet werden.

Diagnostik

Die Untersuchung umfasst die gesamte obere Extremität, um konstitutionelle Bandinstabilitäten erfassen zu können. Neben dem aktiven und passiven Bewegungsausmaß der betreffenden Gelenke ist eine seitenvergleichende dynamische Untersuchung des Kapsel-Band-Apparats erforderlich, um das Ausmaß der Instabilität abschätzen zu können. Die funktionelle Bedeutung der Instabilität lässt sich bei der Überprüfung der verschiedenen Greifformen beurteilen.

Röntgenologisch wird das betreffende Gelenk hinsichtlich seiner knöchernen Konfiguration beurteilt. Zusätzlich können so genannte „gehaltene Aufnahmen“ angefertigt werden, bei denen die betroffene Kapsel-Band-Struktur manuell oder apparativ gedehnt wird, um das Ausmaß der Instabilität beurteilen und dokumentieren zu können. Die diagnostische Wertigkeit dieser Untersuchungen wird allerdings kontrovers beurteilt, zumal Informationen über das Ausmaß der Gelenkinstabilität auch sonographisch erhalten werden können.

Differenzialdiagnose

Angeborene knöcherne Deformitäten, konstitutionelle Bandinstabilität.

Therapie

Die Behandlung der frischen Bandverletzung an den Daumengelenken kann primär konservativ oder operativ erfolgen. Ansatznahe Läsionen des Kapsel-Band-Apparats oder Avulsionsverletzungen stellen eine Indikation zur operativen Stabilisierung dar, da es trotz adäquater konservativer Therapie meist nicht zur Wiederherstellung einer ausreichenden Integrität und Stabilität der betreffenden Bandstruktur kommt. Bei der so genannten „Stener-Läsion“ verlagert sich das distal rupturierte ulnare Kollateralband des Daumengrundgelenks unter die Aponeurose des M. adductor pollicis, wodurch eine Heilung verhindert wird.

Instabilitäten im Rahmen angeborener Deformitäten werden in der Regel operativ stabilisiert, wenn sie eine Beeinträchtigung der Gelenkfunktion nach sich ziehen. Gelenkinstabilitäten des Daumens, die im Rahmen der rheumatoiden Arthritis auftreten, sollten operativ behandelt werden, um die Greiffunktion der Hand zu erhalten.

Akuttherapie

Frische Bandverletzungen können konservativ behandelt werden. Die Therapie besteht in der Immobilisation der Gelenke mithilfe einer Orthese oder einer Gipsschiene. Avulsionsverletzungen des Kapsel-Band-Apparats oder begleitende Gelenkfrakturen stellen eine Indikation zur operativen Rekonstruktion dar.

Konservative/symptomatische Therapie

Die konservative Therapie einer Bandverletzung besteht in der Immobilisation der betroffenen Gelenke über einen Zeitraum von drei bis sechs Wochen. Parallel dazu können lokal antiphlogistische Maßnahmen (z. B. Kältetherapie) durchgeführt werden.

Verletzungen des Kapsel-Band-Apparats am Daumenendgelenk lassen sich mit meist gutem Erfolg konservativ behandeln. Am Daumengrundgelenk und Daumensattelgelenk kann primär eine konservative Therapie erfolgen. Meist kommt es jedoch nicht zur Ausbildung eines ausreichend stabilen Narbengewebes, so dass sekundär eine operative Rekonstruktion angeschlossen werden muss.

Medikamentöse Therapie

Systemisch wirksame antiphlogistische Medikamente (z. B. nicht-steroidale Antiphlogistika) können zur Reduktion der Schwellung und des Begleithämatoms nach einer Verletzung gegeben werden.

Operative Therapie

Die operativen Therapiemaßnahmen zur Behandlung einer posttraumatischen Instabilität bestehen in einer Naht der rupturierten Kapsel-Band-Struktur bzw. in ihrer knöchernen Reinsertion (z. B. ulnares Kollateralband am Daumengrundgelenk). Letztere kann durch transossäre Nähte oder durch den Einsatz von Knochenankern herbeigeführt werden. Chronische Instabilitäten, die sich nicht mit ortsständigem Gewebe stabilisieren lassen, können durch Kapsel-Band-Plastiken mit geeignetem Sehnengewebe (z. B. Sehne des M. extensor carpi radialis) rekonstruiert werden. Ist es im Verlauf einer mehrjährigen Gelenkinstabilität bereits zur Ausbildung einer degenerativen Gelenkerkrankung gekommen, kann auch eine Arthrodese des Daumenendgelenks oder Daumengrundgelenks erforderlich sein.

Die operative Stabilisation des Kapsel-Band-Apparats bei angeborenen Deformitäten wird durch den individuellen Befund bestimmt und kann in einer einfachen Raffung der betreffenden Strukturen oder einer Ersatzplastik des Bandapparats bestehen.

Bei Patienten, die eine Gelenkinstabilität im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis entwickeln, steht die Aufrechterhaltung der Greiffunktion im Vordergrund. Im Bereich des Daumenendgelenks steht deshalb die Arthrodese zur Gewährleistung eines stabilen Spitzgriffs im Vordergrund. Im Bereich des Daumengrundgelenks ist in Abhängigkeit vom Ausmaß der Instabilität und dem Gelenkbefund eine Tenodese (z. B. Nalebuff-Plastik) oder Arthrodese möglich, während am Daumensattelgelenk die Resektionsarthroplastik eine Behandlungsmöglichkeit darstellt.

Dauertherapie

Das Ziel der konservativen oder operativen Behandlungsmaßnahmen ist die Wiederherstellung einer ausreichenden Gelenkstabilität, weshalb in der Regel keine Dauertherapie erforderlich ist. Konnte dies nicht erreicht werden, kann vorübergehend eine Orthese oder Bandage zur externen Stabilisation des Gelenks bei manueller Tätigkeit erforderlich sein.

Bewertung

Die beschriebenen Behandlungsmaßnahmen führen in aller Regel zur Wiederherstellung einer ausreichenden Gelenkstabilität, die eine kraftvolle Greiffunktion der Hand ermöglicht. Am Daumengrundgelenk ist die primär operative Versorgung der ulnaren Kollateralbandruptur anzustreben, um eine ausreichende Gelenkstabilität beim Spitzgriff zu ermöglichen. Chronische Instabilitäten sollten fachärztlich hinsichtlich ihrer Prognose für das betreffende Gelenk und der funktionellen Beeinträchtigung beurteilt und regelmäßig kontrolliert werden, um eine entsprechende Beratung zu einer operativen Rekonstruktion durchführen zu können.

Nachsorge

Nach der Behandlung frischer Bandverletzungen ist bei Erreichen einer ausreichenden Gelenkstabilität (Dauer ca. zwölf Wochen) keine weitere Therapie erforderlich. Patienten mit angeborenen Deformitäten und konsekutiven Instabilitäten sollten mindestens bis zum Abschluss des Wachstums in fachärztlicher Kontrolle verbleiben. Auch Patienten mit rheumatoider Arthritis sollten regelmäßig untersucht werden, um frühzeitig eine Beratung hinsichtlich möglicher Behandlungsoptionen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Greiffunktion durchführen zu können.

Autor

Renée Fuhrmann

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RhizoLoc. Stabilorthese zur Stabilisierung des Daumensattel- und Daumengrundgelenks


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