Ossifikation, heterotope; Ossifikation, ektope
Heterotopic ossification
Knochenneubildung außerhalb des Skelettsystems im Weichteilgewebe, das ein Gelenk umgibt.
Die genaue Pathogenese ist noch unklar. Durch das Trauma oder intraoperativ versprengte Knochenmarkzellen (DOPC, determined osteogenic precursor cells) oder durch im Bindegewebe lokalisierte mesenchymale pluripotente Knochenvorläuferzellen (IOPC, inducible osteogenetic precursor cells) sollen sich durch einen Stimulus zu Osteoblasten differenzieren. Diese Zellen bilden dann kontinuierlich Knochenmasse, die klinisch und radiologisch als periartikuläre, heterotope Ossifikation imponiert. Der verantwortliche Stimulus wurde als Proteinkomplex (bone morphogenetic protein, BMP) aus der Familie des Transforming Growth Faktor-β (TGF-β) identifiziert.
Periartikuläre Ossifikationen treten am häufigsten nach Prothesenimplantation am Hüftgelenk auf. Weiterhin werden sie in 50 % der Fälle nach Azetabulumfrakturen und in 30 % der Fälle nach Ellenbogenluxationen (ohne Durchführung einer Ossifikationsprophylaxe) registriert.
Anfangs bestehen Schmerzen sowie lokale Schwellung und Überwärmung. Bei weiterer Ausprägung kommt es zu zunehmender Verschlechterung der Gelenkfunktion mit Einschränkung der Beweglichkeit und Problemen bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (z. B. Treppensteigen, Aufstehen vom Stuhl, Anziehen der Schuhe bei periartikulären Ossifikationen des Hüftgelenks).
Nativradiologisch sind nach vier bis acht Wochen „wolkige Strukturen“ im Röntgenbild nachweisbar, die nach drei bis sechs Monaten in ihrem gesamten Umfang beurteilbar sind. Die radiologische Einteilung erfolgt an dem postoperativen Röntgenbild sowie sechs Monate nach dem Trauma nach der Klassifikation nach Brooker (siehe Tabelle 1).
Grad 0 |
kein Nachweis von Knocheninseln |
Grad I |
vereinzelte Knocheninseln in den periartikulären Weichteilen |
Grad II |
Knochen bzw. Exophyten vom Becken oder Femurkopf mit > 1 cm Abstand |
Grad III |
Knochen bzw. Exophyten vom Becken oder Femurkopf mit < 1 cm Abstand |
Grad IV |
knöcherne Spange bzw. Ankylose zwischen Femur und Becken |
In der Dreiphasenskelettszintigraphie ist bereits nach zwei bis vier Wochen der Nachweis möglich. Dieser bleibt bis zur Ausreifung hoch aktiv und nimmt dann bis zum Erreichen eines „steady states“ ab. Mit der F-18-Fluorid-Positronemissionstomographie lassen sich periartikuläre Ossifikationen noch frühzeitiger darstellen.
Laborchemisch kommt es zu einem Anstieg der alkalischen Phosphatase.
Aufgrund des engen zeitlichen und lokalen Zusammenhangs mit der oder den auslösenden Ursachen bestehen nur selten differentialdiagnostische Probleme. Gegebenenfalls Ausschluss eines Osteosarkoms.
Die prophylaktische Strahlentherapie zur Vermeidung heterotoper Ossifikationen wird optimal in einem Zeitfenster von 24 Stunden vor einem geplanten Eingriff bis 72 Stunden nach dem Eingriff mit einer Einzeitdosis von 6–8 Gy durchgeführt. Alternativ erfolgt postoperativ die medikamentöse Ossifikationsprophylaxe (siehe unten). Bei Hochrisikopatienten können beide Therapiemodalitäten kombiniert werden.
Ossifikationsprophylaxe mit nicht-steroidalen Antirheumatika, wobei die Therapiedauer 14 Tage betragen und sieben Tage nicht unterschreiten sollte. Gute prophylaktische Wirksamkeit ist für Indometacin, Diclofenac und Ibuprofen in klinischen Studien nachgewiesen.
Operative Entfernung der Ossifikationen nach Normalisierung der Alkalischen-Phosphatase-Werte und Erreichen des „steady state“ in der Dreiphasenskelettszintigraphie. Kombination der medikamentösen Prophylaxe und der Bestrahlungsprophylaxe nach Durchführung der Salvage-Operation.
Nach der Ausbildung periartikulärer Ossifikationen mit klinischer Symptomatik steht nur die operative Entfernung als therapeutische Maßnahme zur Verfügung. Der effektiven Prophylaxe kommt eine entscheidende Rolle zu.
© Springer 2017 |
Powered by kb-soft |