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Wirbelmetastasen

Englischer Begriff

Vertebral metastasis

Definition

Morphologische Strukturstörung des Wirbelkörpers durch metastatische Destruktion.

Pathogenese

Primärtumoren wie Adenokarzinome des Bronchialsystems, Prostatakarzinome, Schilddrüsenkarzinome, Mammakarzinome, Kolon- und Rektumkarzinome sowie Blasen- und Nierenzellkarzinome metastasieren bevorzugt in die Wirbelkörper. Betroffen ist meist der thorakolumbale Wirbelsäulenabschnitt. Osteoblastische oder osteolytische Destruktionen sind möglich. Im Kleinkindesalter kann es zur Metastasierung der malignen Neuroblastome kommen.

Symptome

Die Beschwerdesymptomatik richtet sich nach dem Ausmaß der Wirbelkörperdestruktion und kann von völliger Beschwerdefreiheit bis zu schweren neurologischen Ausfällen mit Lähmungen und vegetativen Störungen reichen.

Diagnostik

Auch die klinischen Untersuchungsbefunde variieren in Abhängigkeit von der Grunderkrankung. Der klinische Befund kann trotz vorliegender Destruktion des Wirbelkörpers unauffällig sein, so lange die Form des Wirbelkörpers noch weitgehend erhalten und die Hinterkante intakt ist. Meist liegen jedoch bei Zerstörung des Wirbelkörpers eine erhebliche lokale Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit sowie ein Erschütterungsschmerz vor. Die Beweglichkeit ist schmerzhaft aufgehoben. Die Sensibilität und Motorik können je nach Höhe des befallenen Wirbelkörpers bis zur völligen Lähmung einer oder beider unterer Extremitäten mit Gehunfähigkeit gestört sein. Eine neurologische Untersuchung ist deshalb unverzichtbar.

Die Durchführung einer Röntgenuntersuchung ermöglicht eine Abschätzung der knöchernen Destruktion. Unscharfe Darstellungen der Bogenwurzeln, Osteolysen oder sklerotische Verdichtungen können initial vorhanden sein. Eine genaue Diagnostik mit Einschätzung der Weichteilbeteiligung und Kompression des Wirbelkanals ist nur durch Schnittbildverfahren (Kernspintomographie und Computertomographie) möglich.

Laborchemisch sind die Akute-Phase-Proteine als auch die alkalische Phosphatase erhöht. Tumormarker können ebenfalls erhöht sein.

Differenzialdiagnose

Tumoren, entzündliche Erkrankungen (z. B. Spondylodiszitis), Stoffwechselerkrankungen, angeborene Erkrankungen (z. B. Platyspondylie).

Therapie

Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmaß der Wirbelkörperdestruktion, dessen Ursache und der klinischen Symptomatik. Bei drohenden oder manifesten neurologischen Ausfällen ist immer eine operative Intervention indiziert. Das Ausmaß der Operation richtet sich nach dem Primärtumor und eventuell vorliegenden weiteren metastatischen Absiedelungen.

Akuttherapie

Analgetika, Antiphlogistika, Bettruhe.

Konservative/symptomatische Therapie

Nach Abklingen der akuten Phase kann je nach Ausmaß der Destruktion bei fehlendem neurologischen Defizit eine konservative Therapie (funktionelle Behandlung, Physiotherapie mit aktiver Kräftigung der Muskulatur, vorübergehende externe Stabilisation) durchgeführt werden. In Abhängigkeit von der Tumorentität ist eine Strahlen- und/oder Chemotherapie indiziert. Minimalinvasive Verfahren (z. B. Augmentation des Wirbelkörpers durch Kyphoplastie bzw. Vertebroplastie) bieten sich als palliative Maßnahme zur Stabilisation des Wirbelkörpers bei Metastasen an. Operative Verfahren beinhalten befundadaptierte Methoden und haben zum Ziel, die Stabilität des Wirbelkörpers unter Erhalt bzw. Wiederherstellung des sagittalen Wirbelsäulenprofils und Dekompression des Wirbelkanals zu rekonstruieren.

Medikamentöse Therapie

Analgetika, Antiphlogistika, gegebenenfalls Bisphosphonate.

Operative Therapie

Je nach Befund können minimalinvasive Verfahren zur Stabilisation des betroffenen Wirbelkörpers durchgeführt werden. Die transpedikuläre Augmentation des Wirbelkörpers mit Zement kann als Palliativeingriff bei metastatischer Destruktion indiziert sein. Die konventionelle operative Therapie ist befundadaptiert und besteht aus der dorsalen Dekompression des Wirbelkanals mit gleichzeitiger mehrsegmentaler Stabilisation. Komplette tumoröse Destruktionen des Wirbelkörpers werden meist von ventral angegangen. Nach Ausräumung des Tumors wird eine Defektauffüllung (kortikospongiöse Knochenspäne, Cages oder Wirbelkörperersatz) und anschließend eine dorsale transpedikuläre Stabilisation durchgeführt. Bei Berstungsfrakturen reichen oft ventrale Aufrichtung, Defektauffüllung und Stabilisation.

Dauertherapie

Metastatische Destruktionen von Wirbelkörpern bedingen mit Ausnahme der wenigen klinisch inapparenten Verläufe eine dauerhafte Therapie. Diese besteht in einer symptomorientierten medikamentösen Therapie (z. B. Analgetika, Bisphosphonate), physiotherapeutischen Maßnahmen (isometrische Kräftigung der Rumpfmuskulatur) und gegebenenfalls auch in einer externen Stabilisation (Mieder).

Bewertung

Die metastatische Destruktion eines oder mehrerer Wirbelkörper führt in aller Regel zu einer erheblichen Einschränkung der Wirbelsäulenfunktion, wobei sich die Prognose aus der möglichen Sanierung des Primärtumors, weiterer metastatischer Absiedelungen und der möglichen operativen Therapie an der Wirbelsäule ergibt.

Nachsorge

Alle metastatischen Wirbelkörperveränderungen bedürfen einer regelmäßigen fachärztlichen klinischen und radiologischen Kontrolle. Als Screening können auch eine szintigraphische Abklärung sowie die Bestimmung von Tumormarkern sinnvoll sein.

Autor

Renée Fuhrmann

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