Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

High-turnover-Osteoporose

Synonyme

Primäre Typ-I-Osteoporose

Englischer Begriff

High-turnover osteoporosis

Definition

Osteoporose assoziiert mit einem hohen Knochenumsatz und akutem Knochensubstanzverlust.

Pathogenese

Die High-turnover-Osteoporose tritt in einer Reihe klinischer Modelle auf. Dazu gehören längere Steroidbehandlung sowie Extremitäten- und Wirbelsäulenimmobilisierung. Im Rahmen der High-turnover-Osteoporose treten gehäuft Frakturen auf.

Bettlägerigkeit mit Hypodynamisierung bedingt durch eine Wirbelkörperfraktur kann den Prozess einer High-turnover-Osteoporose und eines akuten Knochensubstanzverlusts initiieren. Bei postmenopausalen Frauen kann der akute Knochensubstanzverlust solcher klinischer Entitäten zu einer postmenopausalen Osteoporose hinzukommen. Bisphosphonate können den akuten Knochensubstanzverlust verhindern. Zusätzlich gelten Bisphosphonate als Medikamente der ersten Wahl bei Kochensubstanzverlusten bedingt durch hyperresorptive Zustände. High-turnover-Osteoporose tritt in einer Häufigkeit von fünf bis zwanzig Prozent bei Frauen zwischen 50 und 75 Jahren auf. Frauen sind 6-mal häufiger als Männer betroffen. Ursache der High-turnover-Osteoporose scheinen die abrupte Verminderung von Östrogen (Frauen) bzw. Testosteron (Männer) und ein Kalziummangel zu sein. Eine Risikoabschätzung insbesondere postmenopausaler Frauen ist wichtig. Bei Frauen über 65 Jahre wird eine Osteoporosetestung empfohlen, auch wenn keine konkreten Risikofaktoren vorliegen.

Symptome

Osteoporotische Frakturen sind oft schmerzhaft. Osteoporose selbst hat keine Symptome.

Diagnostik

Die DEXA (Dual-Energy X-Ray Absorptiometry) gilt derzeit als Messmethode der Wahl. Dabei wird die Knochenmasse an Lendenwirbelsäule und Hüfte gemessen. Der Wert wird mit der Knochendichte einer gesunden 30-jährigen Person verglichen. Daraus ergibt sich der so genannte T-Wert. Ein T-Wert innerhalb von einer Standardabweichung der normalen durchschnittlichen Knochendichte (T-Wert liegt zwischen 0 und 1) gilt als normal. Ein T-Wert zwischen einer und zweieinhalb Standardabweichungen gilt als Osteopenie (T-Wert zwischen 1 und 2,5). Ein T-Wert über zweieinhalb Standardabweichungen vom Mittelwert der Normalpopulation gilt als Osteoporose (T-Wert niedriger als minus 2,5). Durch die DEXA-Messung lässt sich daher die Frage ermitteln, ob eine Osteoporose vorliegt, sie sagt aber nichts über die Ursache einer Osteoporose aus. Gegebenenfalls können Laboruntersuchungen bei Verdacht auf eine metabolische Störung erforderlich sein.

Erkennen kann man die Geschwindigkeit des Knochenabbaus durch Bestimmung von Parametern des Knochenabbaus wie Desoxypyridinolin oder durch die Cross-link-Telopeptide des Typ-I-Kollagens wie NTX im Serum oder Urin bestimmt. Bei der High-turnover-Osteoporose sind diese Parameter erhöht.

Differenzialdiagnose

Osteomalazie

Therapie

Bei der High-turnover-Osteoporose gilt die medikamentöse Therapie als Mittel der Wahl. Die aktuellen Leitlinien haben sich Anfang des Jahres 2006 geändert und sind im Internet abrufbar. Den Leitlinien des Dachverbandes Osteologie (DVO) entsprechend gelten Bisphosphonate (z. B. Fosamax, Actonel) und selektive Östrogenrezeptoren (z. B. Evista, Optruma) als Mittel der ersten Wahl. Die Medikamente bewirken eine Hemmung des Knochenabbaus. Dadurch erhöht sich die Knochendichte. Klinisch zeigt sich eine Reduktion der Frakturrate an der Wirbelsäule bei Frauen in der Postmenopause und eine Abnahme der Schenkelhalsfrakturen. Als Basistherapie wird zusätzlich die Behandlung mit Kalzium und Vitamin D3 empfohlen. Fluoride gelten den DVO-Leitlinien entsprechend als Reservemedikament, falls die anderen Medikamente nicht vertragen werden oder kontraindiziert sind. Meist ist die High-turnover-Situation aber bereits nach wenigen Wochen der Therapie gebannt, so dass gegebenenfalls auch mit einem Fluoridpräparat behandelt werden kann.

Bei Patienten mit einer Low-turnover-Osteoporose genügt die Therapie mit Fluoriden plus Kalzium und Vitamin D. Sind die Parameter des Knochenabbaus wie Desoxypyridinolin oder die Cross-link-Telopeptide des Typ-I-Kollagens wie NTX im Serum oder Urin erhöht, sollte zunächst nur mit einem Knochenresorptionshemmer behandelt werden. Die zusätzliche Gabe von Kalzium und Vitamin D ist wichtig, damit die Knochenmatrix zur Optimierung der Widerstandsfähigkeit mineralisiert wird. Bei der Gabe von Fluoriden sollte eine Überdosierung vermieden werden. Meist reicht eine niedrigdosierte Therapie mit etwa 20–25 mg Fluoridionen pro Tag über ca. drei Monate, dann ca. einen Monat Pause.

Autor

Johannes Mortier