Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Complex regional pain syndrome

Synonyme

Morbus Sudeck; Sympathische Reflexdystrophie; Algodystrophie

Englischer Begriff

Reflex sympathetic distrophy

Definition

Atrophische und dystrophische Veränderungen an Weichteilen und Knochen, welche einem entzündlichen Prozess folgen und zu schwerer Funktionsbehinderung führen können.

Pathogenese

Die Pathogenese der Erkrankung ist umstritten. Die Erkrankung tritt häufig nach Operationen auf, kann aber auch nach Weichteilverletzungen und Frakturen ohne nachfolgende Operation vorkommen. Die Schwere des Primärtraumas korreliert nicht mit der Schwere der Erkrankung. Traditionell wurde das complex regional pain syndrome als multifaktorielle Erkrankung angesehen, bei der eine endokrine Fehlsteuerung mit Störungen der vegetativen Innervation und psychosomatische Faktoren eine wesentliche Ursache darstellen. In jüngster Zeit konnten mehrere Forschungsgruppen bei Patienten mit complex regional pain syndrome im Serum Antikörper gegen sympathisches Nervengewebe nachweisen. Bei vielen Patienten konnte am dritten bis sechsten Tag ein CRP-Anstieg mit Temperaturzacke festgestellt werden, welcher die Hypothese einer Triggerung der Antikörperbildung durch einen Infekt unterstützt. Nervenverletzungen tragen ebenfalls zur Entwicklung der Erkrankung bei, ebenso scheint die Stimulation von Nozizeptoren mit nachfolgender überschießender Ausschüttung von Entzündungsmediatoren eine Rolle zu spielen.

Symptome

Man unterscheidet drei Stadien der Erkrankung:

  • Im Stadium 1 dominiert die Entzündung. Die Haut ist livide verfärbt, häufig glänzend und distal überwärmt, die Extremität ist teigig geschwollen. Das Gelenk lässt sich kaum bewegen. Die Patienten klagen über heftige Schmerzen, deren Qualität sich aber von dem des Wundschmerzes unterscheidet. Es werden sensible Störungen beklagt, häufig mit Beeinträchtigung des Temperaturempfindens. Ein Gelenkerguss gehört nicht zu dem Leitbild des Syndroms.
  • Im Stadium 2 bildet sich die Schwellung zurück, im Röntgenbild werden gelenknahe Entkalkungen sichtbar. Klinisch zeigen sich erhebliche Bewegungseinschränkungen der Gelenke der betroffenen Extremität. Ist die Hand betroffen, sind Fingerstreckung und Supination extrem schwierig. Die Haut zeigt trophische Störungen (Nagelwuchs, Behaarung, Farbe) und ist kühl.
  • Im Stadium 3 besteht eine Atrophie von Haut, Muskulatur und Knochen. Die Bewegungseinschränkung wird durch die Verkürzung der Weichteile und die Einsteifung der Gelenke bestimmt. Röntgenologisch besteht eine schwere Knochenatrophie mit scharfer Rahmenzeichnung. Die Funktionsbehinderung überwiegt meist die Schmerzen.

Die einzelnen Stadien der Erkrankung können unterschiedlich lang dauern; theoretisch besteht immer eine Rückbildungsmöglichkeit, wobei die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Wiederherstellung mit Schwere und Dauer der Erkrankung abnimmt.

Diagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung, Röntgenuntersuchung im Anfangsstadium nicht hilfreich, Antikörper gegen sympathisches Nervengewebe.

Differenzialdiagnose

Infektion

Therapie

Traditionell wird die Erkrankung analgetisch und antiphlogistisch behandelt. Die Extremität wird ruhig gestellt und zusätzlich Kalzitonin verabreicht. Vonseiten der Schmerztherapeuten wird eine frühzeitige sympatholytische Therapie mit Blockaden des Grenzstrangs, z. B. Ganglion stellatum bei der oberen Extremität, empfohlen. Auch die intravenöse Gabe von Guanethidin wird empfohlen.

Als experimentelle Therapie wird gemäß der Hypothese, dass es sich bei der Erkrankung um eine Autoimmunerkrankung handelt, hochdosiert mit Kortison oder vereinzelt mit TNF-α-Inhibitoren behandelt.

Konservative/symptomatische Therapie

Physiotherapie wird ab dem Stadium 2 eingesetzt, wobei diese nicht die Schmerzgrenze überschreiten sollte. Im Stadium 3 beim Vorliegen von Gelenkeinsteifungen wird versucht, diese aufzudehnen.

Bewertung

Unter Anwendung der traditionellen Behandlung heilt das complex regional pain syndrome häufig nicht ohne Residuen aus.

Zur Beurteilung der Effektivität der immunsuppressiven Behandlung sind zur endgültigen Beurteilung der Wirksamkeit größere Fallzahlen notwendig.

Nachsorge

Physiotherapie

Autor

Iris Reuter