Engelhardt (Hrsg.) Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie |
Hummerscherenfuß
Cleft foot; Ectrodactyly
Angeborene Missbildung, bei der es zu einem variablen Defekt im Bereich der zentralen Fußstrahlen kommt.
Die Deformität wird autosomal-dominant vererbt. Diskutiert werden als Auslöser weiterhin Infektionserkrankungen oder externe Noxen während der Schwangerschaft.
Das Ausmaß der Fußfehlbildung kann variieren und reicht von einer Hypoplasie bzw. Aplasie der zentralen Zehen über eine Vertiefung der Kommissur bis zur zentralen Spaltbildung, die durch das Fehlen eines oder mehrerer zentraler Fußstrahlen hervorgerufen wird. Die Spaltbildung kann unterschiedlich weit nach proximal reichen. Sie umfasst meist den Mittelfußbereich, kann sich aber auch bis zur Fußwurzel hin ausdehnen. Sind alle drei zentralen Fußstrahlen von dem Defekt betroffen, handelt es sich definitionsgemäß um einen Hummerscherenfuß. Meist finden sich an den beiden verbliebenen Randstrahlen kontrakte Zehendeformitäten. Diese führen meist durch die atypische Belastung und mangelnde Weichteildeckung oft zu Druckstellen. Eine Klassifikation der Fußdeformität entsprechend ihrer unterschiedlichen Erscheinungsform ist möglich (Blauth u. Borisch 1990).
Röntgenologisch lässt sich beim älteren Kind das Ausmaß der begleitenden Fehlbildung der Fußwurzel feststellen. Hier können Synostosen ebenso wie knöcherne Verbindungen zwischen beiden äußeren Fußanteilen auftreten.
Unabhängig von der Fußfehlbildung können Hypoplasien oder Aplasien des Unterschenkels, Spalthände oder Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten auftreten.
Die Beweglichkeit des Fußes sollte untersucht werden, um Hinweise für eine gelegentlich begleitende Synostose der Fußwurzel zu finden. Die Zehendeformitäten müssen ebenfalls hinsichtlich ihrer Flexibilität und Weichteildeckung überprüft werden.
Bei einer ausreichenden Weichteildeckung der distalen Fußabschnitte ist eine orthopädische Schuhversorgung indiziert. Eine prinzipielle Indikation zur operativen Therapie ergibt sich aufgrund der Spaltbildung nicht. Kommt es jedoch durch begleitende Synostosen der Fußwurzel zum Fehlwachstum oder ist der Fuß schuhtechnisch nicht mehr zu versorgen, können operative Maßnahmen (z. B. Korrekturosteotomien, Arthrodesen) erforderlich werden. Gleichfalls können die Zehenfehlstellungen der Randstrahlen bei zunehmender Belastung Druckstellen verursachen, so dass hier bereits im Vorschulalter operative Korrekturmaßnahmen indiziert sein können.
Ab dem Beginn des Laufalters müssen angepasste orthopädische Schuhe angefertigt werden, die den Fuß ausreichend betten und stützen. Je nach Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks sowie der Fußwurzel ist eine Mittelfußrolle erforderlich.
Kommt es durch begleitende Synostosen der Fußwurzel zu einem Fehlwachstum des Fußes, so können Korrekturosteotomien der Fußwurzel, gegebenenfalls in Kombination mit Arthrodesen erforderlich werden. Eine operative Korrektur kann auch erforderlich werden, wenn der mediale und laterale Fußanteil im Lauf des Wachstums zunehmend divergieren, so dass eine Schuhversorgung nicht mehr möglich ist. Die Zehendeformitäten müssen oft frühzeitig operativ korrigiert werden, um Druckulzerationen vorzubeugen. Hier steht neben Korrekturarthrodesen die Amputation als geeignete Maßnahme zur Verfügung.
Die Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk ist lebenslang erforderlich.
Die Spaltbildung des Fußes ist eine schwerwiegende angeborene Erkrankung, die jedoch bei adäquater schuhtechnischer Versorgung oft nur eine geringe Einschränkung der Geh- und Stehfähigkeit mit sich bringt.
Aufgrund der Notwendigkeit zur lebenslangen Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk ist eine dauerhafte fachärztliche Betreuung empfehlenswert.