Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Arthropathie, neurogene

Synonyme

Charcot-Gelenk; Arthropathia neuropathica

Englischer Begriff

Neuropathic arthropathy

Definition

Destruktive hypertrophische Prozesse in den Gelenken mit teilweise grotesken Gelenkzerstörungen durch neurogen verursachte Störungen der Propriozeption, des Verlustes der Schmerz- und Temperaturempfindung. Erstbeschreibung 1831 von Mitchell, 1868 von Charcot (Charcot-Osteoarthropathie).

Pathogenese

Zwei wesentliche Theorien, die neurotraumatische und die neurovaskuläre Theorie, bestehen. Bei der neurotraumatischen Theorie wird davon ausgegangen, dass zunächst die protektive Sensibilität des betroffenen Bereichs durch exogene Noxen verloren geht. Die Folgen sind häufige Mikrotraumata mit Gelenkschädigungen. Die neurotraumatische Theorie geht auf R. Virchow zurück. Die neurovaskuläre Theorie (Brower u. Allman 1981) geht von einem neurovaskulären Reflexgeschehen mit verstärkter Durchblutung und dadurch ausgelöster Osteoklastenstimulation im Knochen- und Gelenkbereich aus. Sekundär kommt es durch die Knochenresorption zu einer Belastbarkeitsminderung und zu entsprechenden Gelenkschäden. Durch sensorische Defekte wird außerdem ein Muskelungleichgewicht verursacht, das die sich verändernde Statik und Fehlstellungen verstärkt.

Pathologisch-anatomisch fand man im subchondralen Knochen um die Trabekel herum erweiterte Gefäße und eine erhöhte Osteoklastenzahl. Diese Ergebnisse sprechen für die neurovaskuläre Theorie. Bei der hypertrophen Form der Osteoarthropathien finden sich sekundär enchondrale und periostale Knochenneubildungen und reparative Vorgänge.

Ursächliche Krankheitsbilder, die Neuroarthropathien verursachen können, sind Tabes dorsalis, Syringomyelie, Diabetes mellitus, kongenitale Analgesie, familiäre Akroosteolyse, Spina bifida, Myelodysplasien, Myelomeningozele, Amyoloidose, iatrogen über systemische Steroidbehandlungen, intraartikuläre Steroidinjektionen oder Langzeiteinnahme von Analgetika und Antiphlogistika, durch traumatische Nervenschädigungen, toxische Neuropathien und starken Alkoholabusus. Es gibt auch idiopathische Formen.

Symptome

Plötzlich auftretende Gelenkschwellungen, Überwärmungen, Fehlstellungen und Funktionsbehinderungen. Symptome häufig mit denen akut entzündlicher Prozesse zu verwechseln.

Diagnostik

Ausführliche Familienanamnese, Laboruntersuchung, klinische Untersuchung, Röntgen mit Darstellung der Destruktionen, gegebenenfalls Magnetresonanztomographie zur Darstellung der Weichteilsituation, intensive neurologische Untersuchung. Bei Verdacht obligate Röntgenbilder der Wirbelsäule.

Differenzialdiagnose

Osteomyelitis; Tumore

Therapie

Je nach ursächlichem Krankheitsbild unterschiedliche therapeutische Möglichkeiten. Schuhtechnische und orthopädie-technische Maßnahmen zur Gelenkstabilisation im Sinn einer Teilentlastung, Führung. Bei starken Schwellungen gegebenenfalls passagere Ruhigstellungen. Operativ Arthrodesen bzw. Resektionsarthroplastiken.

Autor

Bernhard Greitemann

FA Orthopädie, Physikalische und rehabilitative Medizin, Chefarzt und Ärztlicher Direktor Klinik Münsterland am Reha-Klinkum Bad Rothenfelde der DRV
Vorsitzender Vereinigung Techn. Orthopädie der DGOU und DGOOC
Vorsitzender Beratungsausschuss der DGOOC für das Orthopädieschuhtechnikhandwerk