Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Säuglingsosteomyelitis

Synonyme

Akute hämatogene Säuglingsosteomyelitis; Säuglingsarthritis; Säuglingscoxitis

Englischer Begriff

Infant osteomyelitis

Definition

Eitrige Arthritis mit oft fulminantem Verlauf, die nach Durchbruch eines metaphysären oder epiphysären Osteomyelitisherds in das (Hüft-)Gelenk entsteht. Sie tritt bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum 18. Lebensmonat auf.

Pathogenese

Anamnestisch werden häufig vorangegangene Allgemeininfektionen (z. B. Nabelschnurinfektion und Entzündungen im HNO-Bereich) berichtet. Die Ausbreitung der Infektion erfolgt vom primären Manifestationsort der Metaphyse des Femurs entlang der im Säuglingsalter noch offenen epi-/metaphysären Gefäßverbindungen bis in die Epiphyse. Regelmäßig kommt es zu einer Mitbeteiligung des Hüftgelenks. Häufigste Erreger sind Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis (50 %), Streptokokken (25 %) und Haemophilus influenzae.

Symptome

Im Vordergrund steht ein akuter Verlauf mit ausgeprägten Allgemeinsymptomen und hohem Fieber. Lokal besteht eine starke Druckschmerzhaftigkeit des Oberschenkels ohne auffällige Schwellung oder Rötung, die zu einer Schonhaltung der betroffenen Extremität in Zwangsstellung führt.

Diagnostik

Klinisch besteht ein meist palpabler, unter erheblichem Druck stehender eitriger Erguss. Die laborchemischen Entzündungsparameter (BSG, CRP, Leukozyten) im Blut sind erhöht. Sonographisch zeigen sich ein subperiostaler Abzess und ein Gelenkerguss. Radiologisch bestehen in der Frühphase eventuell ein durch den Erguss verursachter Schatten sowie feine periostale Reaktionen. Der Erregernachweis gelingt aus den Blutkulturen. Eine Gelenkpunktion ist vorab nicht erforderlich, da das Punktat häufig steril ist.

Differenzialdiagnose

Coxitis fugax, rheumatoide Arthritis (juvenile Form).

Therapie

Die Säuglingsosteomyelitis ist ein orthopädischer Notfall, der die sofortige chirurgische Gelenkeröffnung erfordert, da es sonst zu ausgeprägten Destruktionen der gelenknahen Knochen und nachfolgend schweren Wachstumsstörungen kommen kann.

Akuttherapie

Unmittelbares chirurgisches Vorgehen zur Sanierung des Gelenks mit Gelenkeröffnung, Gelenkspülung und Synovektomie. Einlage einer großlumigen Redon-Drainage.

Konservative/symptomatische Therapie

Ein alleiniges konservatives/symptomatisches Vorgehen ist obsolet.

Postoperativ erfolgt die Ruhigstellung in Gips oder Schiene für einige Tage. Im Anschluss erfolgt eine funktionelle Nachbehandlung und Physiotherapie. Bei Distensionsluxation wird ein Becken-Bein-Gips in Sitzhockstellung angelegt.

Medikamentöse Therapie

Initial erfolgt die Antibiose mit einem Breitbandantibiotikum parenteral. Nach Vorliegen des Antibiogramms sollte sie entsprechend modifiziert werden. Diese Therapie wird durch Analgetika und Antiphlogistika ergänzt.

Operative Therapie

Notfallmäßige chirurgische Gelenkeröffnung mit Gelenkspülung und Synovektomie. Die Gelenkkapsel wird nicht verschlossen. Es erfolgen die Einlage einer großlumigen Redon-Drainage und der schichtweise Wundverschluss.

Dauertherapie

Die Antibiotikagabe ist bis zur Normalisierung der laborchemischen Entzündungsparameter erforderlich.

Bewertung

Bei frühzeitiger Diagnosestellung und unmittelbarer adäquater Behandlung ist die Prognose gut und es kann die vollständige Wiederherstellung in zwei bis drei Wochen erreicht werden. Fortgeschrittene Prozesse führen zu ausgeprägten Destruktionen des Gelenks und der angrenzenden Knochen mit Distensions- und Destruktionsluxationen, Nekrosen von Schenkelhals und Femurkopf und Chondrolysen. Es treten schwere Wachstumsstörungen auf. In manchen Fällen werden sekundär rekonstruktive Maßnahmen erforderlich.

Nachsorge

Patienten mit Destruktion der Wachstumsfuge sollten bis zum Wachstumsabschluss regelmäßig nachuntersucht werden.

Autor

Matthias Bühler, Hergo Schmidt