Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Osteochondrosis dissecans

Synonyme

Osteochondritis dissecans

Englischer Begriff

Osteochondritis dissecans

Definition

Die Osteochondrosis dissecans ist eine aseptische Knochennekrose mit mangelhafter Durchblutung eines knorpelüberzogenen Knochenanteils eines Gelenks. Dieser Knochen bzw. Knorpelteil löst sich im weiteren Verlauf aus dem Verbund und kann einen freien Gelenkkörper bilden (Dissekat; Gelenkmaus).

Pathogenese

Die genaue Ursache ist nicht sicher geklärt. Es gibt deutliche Hinweise auf biomechanische Ursachen. So sind bei der Osteochondrosis dissecans tali vorangegangene Distorsionstraumen nicht selten. Weiterhin werden als ursächliche Faktoren vaskuläre, endogene, genetische und mikrobiologische Faktoren diskutiert.

Symptome

Meistens wird über unspezifische Symptome wie belastungsabhängige Gelenkschmerzen geklagt. Ruheschmerzen bestehen selten. Bei größeren Gelenkschäden kommt es zu Ergussbildung. Gelenkblockierungen können bei freien Dissekaten auftreten.

Diagnostik

Zunächst werden Röntgenbilder des betroffenen Gelenks in zwei Ebenen durchgeführt. Durch die Kernspintomographie lassen sich auch frühe Stadien der Osteochondrosis dissecans darstellen. Weiterhin kann hiermit eine Aussage über die Lokalisation und die Knorpelverhältnisse getroffen werden. Durch die Arthroskopie kann eine direkte Beurteilung der Knorpeloberfläche mit Beurteilung der mechanischen Stabilität des Dissekats erfolgen.

Differenzialdiagnose

Differentialdiagnostisch muss an traumatisch entstandene freie Gelenkkörper, primäre und sekundäre Chondromatosen und intraartikuläre Tumoren gedacht werden.

Therapie

Die Behandlung der Osteochondrosis dissecans erfolgt stadienabhängig (siehe Tabelle 1).


Tabelle 1.
Stadieneinteilung der Osteochondrosis dissecans nach Bruns (1996).

Grad

Röntgen

MRT

Arthroskopie

I

normal

beginnende Osteolyse, Marködem

Knorpel intakt, mechanisch normale Funktion

II

Sklerosesaum subchondral

Sklerose und Osteolyse/Osteonekrose

Knorpel intakt, leicht eindrückbar, zirkuläre Demarkierung

III

Dissekat in situ, eventuell Dislokation erkennbar, Sklerose

Dissekat in situ, eventuell Flüssigkeitssaum, Unterbrechung des Knorpels

Dissekat in situ kann mit Tasthaken unterfahren werden, teilweise fixiert

IV

leeres Dissekatbett, disloziertes Dissekat

leeres Dissekatbett, disloziertes Dissekat, Erguss

leeres Dissekatbett, disloziertes Dissekat


Konservative/symptomatische Therapie

Bei noch erhaltener Knorpeloberfläche (Stadium I und II) kann zunächst eine konservative Therapie erfolgen. Diese beinhaltet Sportkarenz bis hin zur vollständigen Entlastung mit oder ohne Immobilisation. Gelenkphysiologisch scheint eine längere Immobilisation jedoch nicht sinnvoll zu sein.

Medikamentöse Therapie

Eine sinnvolle medikamentöse Therapie existiert nicht.

Operative Therapie

Die Indikation zur operativen Therapie besteht nach erfolgloser konservativer Behandlung und bei höheren Stadien (II–IV).

Im Stadium II besteht das Ziel der Operation in der Durchbrechung der Sklerose, um die Reintegration des subchondralen Knochens zu fördern. Bei noch intaktem Knorpel empfiehlt sich nach Möglichkeit ein retrogrades Vorgehen mit Anbohrung des Herds. Dies kann arthroskopisch oder offen chirurgisch erfolgen.

Im Stadium III muss die vollständige Dissekatlösung vermieden werden. Es erfolgt die anterograde Anfrischung und Anbohrung, eventuell mit Refixation des Dissekats z. B. mit Schrauben.

Nach Behandlung der Sklerose sollte im Stadium IV nach Möglichkeit das Dissekat refixiert werden. Sollte dies nicht mehr möglich sein, stehen verschiedene Möglichkeiten der Defektbehandlung zur Verfügung wie die autologe Chondrozytentransplantation oder osteochondrale Transplantation. Alternativ stehen markraumeröffnende Verfahren wie Mikrofrakurierung oder Pridie-Bohrung zur Verfügung.

Bewertung

Im Stadium I und II kann bei Kindern und Jugendlichen mit konservativer Behandlung oft ein gutes bis sehr gutes Ergebnis erzielt werden. In späteren Stadien zeigen sich bessere Ergebnisse bei Kindern und Jugendlichen als bei Erwachsenen. Neben der Altersabhängigkeit zeigt sich eine deutliche Korrelation zwischen Defektgröße und Ergebnis.

Nachsorge

Die Nachbehandlung richtet sich nach der durchgeführten Operation.

Autor

Matthias Kusma