Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Extremitätenverlängerung

Synonyme

Distraktionsosteotomie; Verlängerungsosteotomie

Englischer Begriff

Limb lengthening

Definition

Verlängerung der Extremitätenknochen durch verschiedene operative Verfahren bei angeborenen oder erworbenen Extremitätenverkürzungen.

Indikation

Angeborene oder erworbene Extremitätenverkürzung mit Funktionsstörungen. In der Regel besteht die Indikation zur Extremitätenverlängerung bei Zuständen, die funktionell oder orthopädietechnisch nicht kompensierbar sind.

An der oberen Extremität treten Verkürzungen am häufigsten im Rahmen von transversalen Fehlbildungen oder posttraumatisch (vorzeitiger Epiphysenfugenschluss) auf. Hier bietet eine Extremitätenverlängerung eine gute Möglichkeit zur Funktionsverbesserung (z. B. besseres Anpassen einer Prothese, Ermöglichen der Oppositionsfähigkeit und Spitzgriff bei Phalangenfehlbildungen). Im Allgemeinen ist der funktionelle Gewinn an der oberen Extremität jedoch eher klein, besonders da durch die gleichzeitige Verlängerung der Muskulatur Kraft eingebüßt wird. Es handelt sich eher um kosmetische Verbesserungen.

An der unteren Extremität treten korrekturbedürftige Verkürzungen in der Regel als Diskrepanz im Wachstum zwischen beiden Beinen durch einseitige Wachstumsbremsung oder -stimulation auf. Ursachen können sowohl kongenital als auch erworben (Infektionen, Lähmungen, Traumata, Tumoren, Achsenfehlstellungen) sein. Eine operative Beinverlängerung kommt in der Regel ab einer Differenz von 5 cm in Frage, bei Differenzen von mehr als 8 cm sollte die Verlängerung in Etappen erfolgen. Ziel der Verlängerung ist dabei, dass bei (so weit wie möglich) ausgeglichener Beinlänge die beiden Kniegelenke auf gleicher Höhe sind. Bei großen Differenzen ist gegebenenfalls auch ein kombiniertes Vorgehen mit Verlängerung der verkürzten Seite und perkutaner Epiphysiodese auf der längeren Seite kurz vor Wachstumsabschluss zu überlegen. Auch wenn Beinverlängerungen von über 30 cm theoretisch möglich sind, sollte ab einer Differenz von etwa 20 cm sorgfältig abgewogen werden, ob eine operative Verlängerung überhaupt sinnvoll ist. Darüber hinaus kann, wie auch an der oberen Extremität, eine operative Beinverlängerung im Sinne einer Stumpfverlängerung zur besseren Prothesenversorgung indiziert sein.

Kontraindikation

Absolute Kontraindikationen stellen akute Infektionen dar. Daneben gibt es zahlreiche relative Kontraindikationen. Dazu gehören extreme Beinlängendifferenzen von über 20 cm, Verlängerungen bei Poliomyelitis (Kraftminderung bei Verlängerung der Muskulatur bei grenzfähiger Gehfähigkeit präoperativ), erhöhtes Frakturrisiko bei bestimmten kongenitalen Fehlbildungen und fragliche Compliance des Patienten.

Durchführung

Für die operative Extremitätenverlängerung stehen grundsätzlich vier verschiedene Methoden zur Verfügung (nach Hefti):

  1. diaphysäre Osteotomie, Verlängerung mit Fixateur externe, anschließend Auffüllen der Distraktionsstrecke mit Spongiosa und Verplattung (Wagner-Methode);
  2. Verlängerung durch Osteotomie (Kompaktotomie) im dia- bzw. metaphysären Bereich, Kallusdistraktion mit Fixateur externe (Kallotasis, Ilisarow-Methode);
  3. Distraktion der Epiphysenfuge mit Fixateur externe (Chondrotasis);
  4. gestufte Verlängerung durch diaphysäre Osteotomie und Anwendung eines internen Verlängerungsapparats.

Die Kallotasis nach der Methode von Ilisarow hat sich in den letzten Jahren am besten durchgesetzt. Dabei geht man in folgenden Schritten vor (nach Hefti):

  1. Ansetzen des Fixateur externe;
  2. Kompaktotomie, möglichst im metaphysären, eventuell im diaphysären Bereich;
  3. Kompression der Osteotomie über mehrere Tage (bei Kindern: Alter in Jahren = Anzahl der Tage);
  4. Verlängerung mit dem Fixateur externe, täglich um 1 mm;
  5. nach Erreichen der Verlängerung Belassen des Fixateur externe bis zur Konsolidierung (möglichst unter Vollbelastung, Tragedauer pro 1 cm Verlängerung ca. 30 Tage);
  6. Überwachung der Kallusbildung mit Ultraschall;
  7. Entfernung des Fixateur bei radiologisch sichtbarerer Kortikalisbildung.

Dabei können grundsätzlich verschiedene externe Fixateursysteme angewendet werden.

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung richtet sich wesentlich nach der angewandten Verlängerungsmethode, dem Umfang der Verlängerung und der Funktion der benachbarten Gelenke. Grundsätzlich sollte nach Erreichen der angestrebten Verlängerung eine Mobilisation unter Vollbelastung angestrebt werden. Darüber hinaus sind regelmäßige Übungsbehandlungen für die angrenzenden Gelenke notwendig, um hier die Beweglichkeit zu erhalten bzw. die Einschränkungen so klein wie möglich zu halten.

Darüber hinaus muss besonderes Augenmerk auf die Pin-Pflege (bei Fixateur-externe-Systemen) gelegt werden, um hier Infektionen zu vermeiden.

Autor

Géza Pap