Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Amputation, spezielle, untere Extremitäten, Unterschenkel

Synonyme

Transtibiale Amputation

Englischer Begriff

Transtibial amputation

Definition

Amputation im Unterschenkel. Zu unterscheiden sind ein langer Unterschenkelstumpf, der kurze und der ultrakurze Unterschenkelstumpf.

Indikation

In der Regel periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus mit Gangrän, seltener Tumore, schwere Verletzungen, Osteomyelitiden, angeborene Fehlbildungen.

Kontraindikation

Wenn peripherere Amputationshöhe möglich ist.

Durchführung

Bei traumatischen Stümpfen ist prinzipiell jegliche Amputationslänge am Unterschenkelstumpf möglich. Hier sollte möglichst Länge erhalten werden. Problem ist die schlechtere Weichteildeckung im distalen Stumpfende, was bei Traumastümpfen durch die gute Belastungsfähigkeit der Haut und Weichteile, aber auch durch den längeren Hebelarm und die größere Kontaktfläche zur Prothese kompensiert wird. Bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit und Diabetes mellitus in der Regel kurze Unterschenkelstümpfe mit einer Stumpflänge von etwa 12–15 cm (Burgess-Stumpf) oder ultrakurze Unterschenkelstümpfe in der Technik nach Brückner (9–10 cm Stumpflänge). Rückenlagerung, Hautschnitt möglichst mit langem dorsalen Lappen (Burgess- und Brückner-Technik). Im schwedischen Bereich wird die sagittale Lappentechnik bevorzugt (Nachteil: Narbe über der Stumpfbelastungsfläche), im englischen Bereich teilweise ein „medial based flap“ (längerer innenseitiger Lappen) wegen der besseren Gefäßversorgung. Vorderer Hautschnitt vom medialen Rand der Tibia bis zur lateralen Fibula. Der vordere Hautlappen ist nur etwa 1–2 cm lang, der hintere lange dorsale Lappen wird etwa dem Umriss der Wadenmuskulatur folgend nach distal, entlang von Tibia und Fibula präpariert. Quere Durchtrennung der Fibularismuskulatur, Darstellen des Fibularisnervs und der Fibularisgefäße. Hohe Präparation des Fibularisnervs bis zum Wadenbeinköpfchen, da der Nerv sich teilweise in zwei bis drei Endäste aufteilt. Glatte Durchtrennung des Nervs, anschließend Absetzen der Fibula etwa 5 mm höher als der geplanten Tibiaabsetzung unter Abschrägung zur Seite hin, Umfahren der Tibia mit Hohmann-Haken, anschließend Absetzen der Tibia. Die Knochenkante wird dabei in den dorsalen zwei Dritteln gerade plan durchtrennt, im ventralen Drittel schlittenkufenförmig nach vorn abgerundet. Hierdurch ergibt sich einerseits eine plane Auftrittsfläche mit Belastungsfähigkeit, andererseits stört die spitze vordere Tibiakante nicht in der Schwungphase in der Prothese. Absetzen des Restamputats, Blutstillung. Versorgung von Arterie und Nerv einzeln knapp oberhalb des knöchernen Stumpfendes. Kürzung des N. tibialis etwa drei bis vier Querfinger oberhalb des knöchernen Stumpfendes. Entfernung des M. soleus (Volumen, häufig venöse Thrombosen), Aufsuchen des N. suralis und Kürzen etwa zwei bis drei Querfinger oberhalb der Schnittkante, Prüfen auf spannungsfreie Hautdeckung, Vorziehen der Gastroknemiusköpfe und Adaptation an das ventrale Periost zur Stumpfdeckung. Hautnaht im Sinn einer Mokassin-Naht.

Bei der Burgess-Technik werden neben dem M. soleus die komplette Peroneusmuskulatur sowie der laterale M. gastrocnemius entfernt und die komplette Fibula exartikuliert. Grund hierfür ist die primär bessere Wundheilung (95 % nach Brückner).

Nachbehandlung

Suffiziente Sehnendrainage, gerade Lagerung, Kontrakturprophylaxe, entstauende Therapie; nach Wundheilung Prothesenversorgung vorzugsweise mit Kurzprothese.

Autor

Bernhard Greitemann

FA Orthopädie, Physikalische und rehabilitative Medizin, Chefarzt und Ärztlicher Direktor Klinik Münsterland am Reha-Klinkum Bad Rothenfelde der DRV
Vorsitzender Vereinigung Techn. Orthopädie der DGOU und DGOOC
Vorsitzender Beratungsausschuss der DGOOC für das Orthopädieschuhtechnikhandwerk