Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Chondromalacia patellae

Synonyme

Osteopathia patellae; Retropatellarer Knorpelschaden

Englischer Begriff

Chondromalacia of the patella

Definition

Bei der Chondromalacia patellae besteht eine umschriebene retropatellare Knorpelerweichung. Hierbei werden die Schmerzen in verschiedenen anatomischen Strukturen mit Ausnahme des nicht innervierten hyalinen Knorpels ausgelöst.

Pathogenese

Ursache der retropatellaren Knorpelschädigung ist ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit des femoropatellaren Gelenks. Dies kann verschiedene Ursachen haben: Durch Form- und Stellungsfehler der Patella steigt der patellotrochleare Anpressdruck; durch besondere sportliche oder berufliche Belastung kann das femoropatellare Gelenk mehr belastet sein; weiterhin kommen traumatische Faktoren wie Knorpelkontusionen oder Inkongruenzen nach Frakturen in Betracht. Ein Genu valgum kann wie auch ein Rotationsfehler den patellotrochlearen Anpressdruck erhöhen.

Ist die Belastbarkeitsgrenze des hyalinen Knorpels überschritten, kommt es zur Erweichung, zum Aufbrechen und schließlich zum Knorpelverlust.

Symptome

Richtungweisend ist die Lokalisation der Schmerzen in den vorderen Abschnitt des Kniegelenks mit Schmerzverstärkung durch Berg- und Treppabgehen, nach längerem Sitzen oder beim Übergang von einer körperlich wenig aktiven Lebensweise zu hoher Belastung, beispielsweise Urlaubsbeginn.

Diagnostik

Klinisch kann die Chondromalazie durch eine vermehrte retropatellare Krepitation identifiziert werden, ebenso kann sich abriebbedingt ein Erguss bilden. Des Weiteren kann bei der klinischen Untersuchung ein Patellaandruckschmerz auslösbar sein, der verstärkt wird durch Anspannen des M. quadriceps femoris bei passiv fixierter Patella (Zohlen-Zeichen).

Im seitlichen Röntgenbild kann eine vermehrte subchondrale Sklerosierung erkennbar sein; in den Tangentialaufnahmen bei 30°-, 60°- und 90°-Flexion wird beurteilt, ob die Kniescheibe verkippt oder lateralisiert (Malalignment).

Der Knorpel kann in der Kernspintomographie dargestellt werden; allerdings ist die Knorpelqualität durch die Arthroskopie weitaus besser beurteilbar. Arthroskopisch kann die Knorpelschädigung klassifiziert werden; hierbei haben sich die Klassifikationen nach Lindberg und Outerbridge durchgesetzt.

Differenzialdiagnose

Differentialdiagnostisch kommen alle weiteren Ursachen für ein femoropatellares Schmerzsyndrom in Betracht. Häufig bestehen mechanische Überlastungen der an der Patella inserierenden Strukturen, insbesondere der Quadrizeps- und Patellarsehne (siehe Patellaspitzensyndrom). Ferner können Bursitiden der Bursa prä- oder infrapatellaris ähnliche Symptome hervorrufen.

Therapie

Akuttherapie

Zunächst sollte mit einer konservativen Behandlung begonnen werden; bei bleibenden Beschwerden kann allerdings ein operatives Vorgehen notwendig werden.

Konservative/symptomatische Therapie

Zunächst sollte die Belastung reduziert werden (Verzicht auf Belastung unter Kniebeugung; kein Bergabgehen). Des Weiteren muss eine intensive krankengymnastische Beübung, insbesondere zur Kräftigung des M. vastus medialis erfolgen. Physikalische Maßnahmen wie Kryo- oder Wärmebehandlung, Iontophorese oder Ultraschall können durchgeführt werden.

Medikamentöse Therapie

Neben lokalen Salbenanwendungen mit Antiphlogistika ist die systemische Therapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika sinnvoll.

Operative Therapie

Bei persistierenden Beschwerden trotz konsequenter konservativer Therapie kann die diagnostische Arthroskopie indiziert sein. Bei entsprechenden Knorpelläsionen können dann die Mikrofrakturierung oder ähnliche knorpelchirurgische Maßnahmen sinnvoll sein. Der Nutzen einer alleinigen Knorpelglättung bleibt umstritten und erscheint nur bei instabilen Knorpelfragmenten wichtig. Bei nachvollziehbarer biomechanischer Ursache der Beschwerden durch ein Malalignment der Patella sind rezentrierende Operationen möglich. Durch die Spaltung des lateralen Retinakulums kann bei nicht zu stark ausgeprägten Fällen eine verbesserte Kongruenz des Gelenks sowie ein verminderter Anpressdruck erreicht werden. Dieser Eingriff kann mit einer medialen Raffung verbunden werden.

In stärker ausgeprägten Fällen kann die Versetzung der Tuberositas tibiae durchgeführt werden mit dem Ziel der Druckentlastung durch Ventralisierung und Zentrierung durch Medialisierung. Eingriffe dieser Art sollten mit einer lateralen Retinakulumspaltung kombiniert werden. Verschiedene Operationstechniken hierfür wurden beschrieben, z. B. Operation nach Fulkerson, Operation nach Elmslie-Trillat.

Bei fortgeschrittener Arthrose kann eine isolierte Alloarthroplastik bis hin zur Patellektomie erfolgen.

Nachsorge

Nach reinen Weichteileingriffen sollte eine frühfunktionelle Nachbehandlung erfolgen, insbesondere nach Mikrofrakturierung sollte eine zusätzliche Behandlung mit kontinuierlicher passiver Mobilisation auf der Motorschiene erfolgen. Nach Versetzung der Tuberositas tibiae muss bis zur sicheren knöchernen Konsolidierung die betroffene Extremität (teil-)entlastet werden. Auch nach operativen Eingriffen darf im Rahmen der Nachbehandlung die krankengymnastische Kräftigung des M. vastus medialis nicht vernachlässigt werden.

Autor

Matthias Kusma