Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Gehgips

Definition

Der Gehgips ist ein Unterschenkel- oder Operschenkelgips, der bei konservativ behandelten undislozierten und stabilen isolierten Tibia-, isolierten Fibula- oder Unterschenkelschaftfrakturen (Unterschenkelgehgips) oder Unterschenkelschaft- und Eminentiafrakturen (Oberschenkelgehgips) seinen Einsatz findet. Eine Sonderform des Unterschenkelgehgipses ist der Sarmiento-Gips.

Indikation

Undislozierte und stabile isolierte Tibia-, isolierte Fibula- oder Unterschenkelschaftfrakturen; undislozierte und stabile Unterschenkelschaft- und Eminentiafrakturen.

Kontraindikation

Offene Frakturen, rotationsinstabile Querfrakturen, Patienten mit mangelnder Compliance.

Durchführung

Das Bein wird auf eine Beinstütze so gelagert, dass die Kniekehle frei liegt, das Knie um 45° flektiert und das Fußgelenk in Neutralstellung ist (Unterschenkelgehgips). Beim Oberschenkelgehgips wird das Knie etwa 10° flektiert. Zum Hautschutz wird Schlauchmull oder Schlauchgaze angewendet, die etwas länger gewählt werden sollten als der Gips. Mit lockeren Windungen wickelt man anschließend zur Polsterung Baumwollwatte zirkulär an. Grundsätzlich gilt: „So dünn wie möglich, so dick wie nötig!“ Besonders druckgefährdete Stellen sollten extra gepolstert werden, um Druckschäden zu vermeiden. Dazu zählen die Ferse, die Malleolen, das Caput fibulae und der nachbarschaftlich dazu gelegene N. fibularis sowie die Tibiakondylen, die Patella und die Femurkondylen. Eine zirkulär mit gut dosiertem Zug angebrachte Kreppbinde verhindert das Nasswerden der darunter liegenden Schichten und gewährleistet eine gute Komprimierung und Formgebung der Polsterung. Eine Gipslonguette wird beim Unterschenkelgehgips dorsal bis knapp distal der Kniekehle angelegt, beim Oberschenkelgehgips bis ca. eine Handbreit distal des Tuber ischiadicum. Zwei weitere Gipslonguetten werden medial und lateral an das Sprunggelenk angelegt und schließen proximal auf der Höhe der ersten Longuette ab. Distal sollten die Zehen auf der Longuette ruhen können. Mit Gipsbinden werden die Longuetten mit kontrolliertem Zug von distal beginnend fixiert. Proximal und distal können die Schlauchmullenden umgeschlagen und mit der Gipsbinde fixiert werden, um gut gepolsterte Randbereiche zu schaffen. Wesentlich ist nun das kräftige Anmodellieren im Fuß- und Kniebereich sowie um die Wadenmuskulatur. Im Anschluss daran wird die Sohle mit einer weiteren Longuette verstärkt und eine Gehwiege zur Abrollhilfe fixiert.

Wenn der Gipsbrei matt wird, kann die Oberfläche nochmals geglättet werden. Es müssen immer alle Zehen sichtbar sein, um Sensibilität, Durchblutung und Motorik kontrollieren zu können. Beim Unterschenkelgehgips sollten im Kniegelenk volle Streckung und eine spannungsfreie Beugefähigkeit von 90° möglich sein. Ein konventioneller Gips benötigt ca. 24 Stunden zum Aushärten. Plastikgipse härten innerhalb von zwei bis drei Stunden.

Nachbehandlung

Gangschulung, um den Patienten ein sauberes Abrollen über die Fußrolle zu vermitteln. Nur so können Rotationsbewegungen vermieden werden. Zum Beinlängenausgleich ist eine Absatzerhöhung der Gegenseite erforderlich.

Bei Beschwerden muss der Gips gewechselt werden, denn „ein Patient mit Gips hat immer Recht“. Regelmäßige Gipskontrollen sind notwendig, um Passform und Funktionstüchtigkeit des Gipses zu kontrollieren. Da die Muskulatur unter der Gipsbehandlung atrophiert, können Gipswechsel notwendig werden, um eine gute Ruhigstellung zu gewährleisten.

Autor

Rolf Haaker

Email: r.haaker@khwe.de
http://www.khwe.de
https://www.klinik-bewertungen.de.../erfahrung-mit-st-vincenz-hospital-brakel
Prof. Dr. R. Haaker
CA der Klinik für Orthopädie,
Rheumatologie, Traumatologie
Schwerpunkte: Primär- und Wechselendoprothetik,aller großen Gelenke; Fuß-, Kinder-, Rheumaorthopädie
Sportverletzungen, Wirbelsäulenerkrankungen