Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Morbus Kienböck

Synonyme

Lunatummalazie; Kienböck Krankheit; Mondbeinnekrose

Englischer Begriff

Lunatomalacia

Definition

Aseptische Knochennekrose des Os lunatum meist infolge von starker Belastung oder Trauma. Vorkommen vor allem bei Männern vom 20. bis 40. Lebensjahr. In mehr als 70 % der Fälle liegt eine Minusvariante der Ulna vor.

Pathogenese

Der genaue Pathomechanismus ist nicht vollständig geklärt. Als wichtigster pathogenetischer Faktor wird die lokale Druckbelastung des Os lunatum im Zentrum der proximalen Handwurzelreihe angesehen. Dies wäre eine Erklärung für das gehäufte Auftreten der Minusvariante der Ulna bei dieser Erkrankung.

Es ist noch nicht bekannt, ob die erhöhte Belastung durch ein einmaliges Trauma oder eine chronische Überlastung entsteht. Ein Faktor könnte auch der behinderte venöse Abfluss bei Dorsalextension der Hand sein. Dies geschieht z. B. bei Arbeiten mit Pressluftwerkzeugen in Kombination mit chronischer Überlastung.

Symptome

Die Patienten klagen über einen schleichenden Beginn mit unbestimmten, dorsal im Handgelenk lokalisierten Schmerzen. Im Fall einer nachfolgenden Synovitis kommt es später zur Handgelenkschwellung.

Diagnostik

In der klinischen Untersuchung zeigt sich ein Druckschmerz über dem Os lunatum und eine Störung der Dorsalextension mit Kraftminderung. Gelegentlich lässt sich ein Stauchungsschmerz vom Mittelfinger ausgehend auslösen.

Im Anfangsstadium lässt sich die Erkrankung und die damit einhergehende Stoffwechselstörung des Mondbeins nur durch die Magnetresonanztomographie nachweisen. Erst im fortgeschrittenen Stadium lässt sich die Erkrankung auch im Röntgen nachweisen. Es kommt zuerst zu einer vermehrten Sklerosierung der spongiösen Trabekel, Aufhellungen und Verschattungen und schließlich über eine progrediente Zusammensinterung mit subchondraler Infraktion zu einem karpalen Kollaps. Das letzte Stadium und die begleitenden arthrotischen Veränderungen lassen sich gut mit der Computertomographie darstellen.

Differenzialdiagnose

Differentialdiagnostisch sind Arthritiden oder andere ossäre Veränderungen auszuschließen.

Therapie

Die Behandlung richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung. Es werden vier Stadien unterschieden.

Akuttherapie

Die Akuttherapie besteht immer in einer Schonung des erkrankten Handgelenks mit dementsprechender Ruhigstellung.

Konservative/symptomatische Therapie

Die alleinige konservative Therapie ist nur im Stadium I im Sinn einer Ruhigstellung des Handgelenks gerechtfertigt.

Medikamentöse Therapie

Antiphlogistika

Operative Therapie

Je nach Stadium werden verschiedene operative Verfahren vorgeschlagen. Im Stadium I genügt die Niveauoperation, um eine gleiche Länge zwischen Ulna und Radius herzustellen (Verkürzungsosteotomie des Radius). Im Stadium II kann eventuell noch eine Revaskularisierung mit einem gefäßgestielten Knochenspan oder dem gestielten Os pisiforme versucht werden.

In Stadium III und IV kommen Teilarthrodesen des Handgelenks zur Anwendung (STT und SC). Bei komplettem Kollaps des Os lunatum kann auch eine Entfernung der proximalen Handwurzelreihe bei noch intakter Gelenkfläche der Fossa lunata des Radius und des Os capitatum durchgeführt werden. Die Denervierung des Handgelenks nach Wilhelm mit einer selektiven Durchtrennung der Schmerzfasern führt zwar zu einer Linderung der Schmerzen, aber nicht zu einer dauerhaften Schmerzfreiheit. Schließlich bleibt noch die völlige Versteifung des Karpus.

Dauertherapie

Sowohl die operative als auch die konservative Therapie verstehen sich nicht als Dauertherapie.

Bewertung

Eine frühe Erkennung der Erkrankung macht zwar eine einfachere Anfangsbehandlung möglich, kann aber eine mögliche Progression der Erkrankung nicht völlig verhindern. Folgeoperationen vermindern zwar den Schmerz, führen aber immer zu einem teilweisen Verlust der Beweglichkeit im Handgelenk.

Nachsorge

Die Kontrolle eines operativen Eingriffs oder einer begonnenen konservativen Therapie muss immer durch den Facharzt erfolgen. Bei Wiederauftreten der Beschwerden ist unbedingt eine Bildgebung zu fordern, um eine Progression der Erkrankung erkennen zu können.

Autor

Karl-Heinz Kristen, Peter Bock