Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Antibiotika

Definition

Der Begriff Chemotherapeutika wird als Überbegriff für synthetische Stoffe verwendet, die sich gegen Mikroorganismen, Parasiten oder Tumorzellen richten. Sofern jedoch die Wirkung der bezeichneten Substanzen ausschließlich gegen Mikroorganismen und Parasiten, nicht aber gegen menschliche Zellen gerichtet ist, spricht man von Antibiotika.

Anwendungsgebiete/Indikationen

Infektionen mit Mikroorganismen und Parasiten.

Darreichungsformen

Kapseln und Tabletten zur oralen Anwendung, Injektionslösungen zur intravenösen Anwendung. Mit Antibiotika versetztes Polymethylmetacrylat (PMMA) zur Zementierung von Endoprothesen oder in Form von Kugeln zur lokalen Infektionsbehandlung.

Wirkmechanismus

Die Wirkung von Antibiotika beruht entweder auf einer Hemmung des Wachstums von Krankheitserregern oder auf einer direkt die Keime abtötenden Wirkung. Die Hemmung des Wachstums von Bakterien wird als „bakteriostatische“ Wirkung bezeichnet, ruhende Keime werden hiervon jedoch nicht beeinflusst. Das Abtöten sowohl wachsender als auch ruhender Keime wird als „bakterizide“ Wirkung bezeichnet. Es gibt eine breite Palette von Antibiotika, die ganz unterschiedliche Wirkungsmechanismen haben. Die Gruppe der Penicilline (z. B. Penicillin G) hemmt eine Transpeptidase, die für die Synthese der Zellwand von Bakterien erforderlich ist, was zu einer bakteriziden Wirkung auf proliferierende Keime führt. Auch die Gruppe der Cephalosporine hemmt die Synthese der Zellwand von Bakterien (z. B. Cefuroxim). Die Gruppe der Tetracycline (z. B. Doxycyclin) hemmt die Proteinbiosynthese von Bakterien, indem eine Anlagerung an die 30S-Untereinheit der bakteriellen Ribosomen erfolgt, was die Synthese von Proteinen unmöglich macht. Eine Besonderheit der Tetracycline liegt in ihrer Wirkung auf Keime, die sich intrazellulär – also innerhalb menschlicher Zellen – befinden. Aminoglykosidantibiotika (z. B. Gentamycin) verhindern ebenfalls durch eine Anlagerung an die 30S-Untereinheit bakterieller Ribosomen die Proteinbiosynthese der Bakterien. Antibiotika aus der Gruppe der Makrolide (z. B. Erythromycin) und Lincomycine (z. B. Clindamycin) lagern sich an die 50S-Untereinheit bakterieller Ribosomen an und verhindern auch die Proteinbiosynthese. Vancomycin ist ein hochmolekulares Glykoprotein, welches durch Substratbindung die Zellwandsynthese von Bakterien stört. Gyrasehemmer (z. B. Ciprofloxacin) hemmen das bakterielle Enzym Gyrase, welches die DNA der Bakterien spiralisiert. Damit wird die DNA für die Bakterien zu groß und die Keime platzen. Wichtigster Vertreter der Nitroimidazole ist das Metronidazol, welches sich durch eine sehr gute Wirkung auf anaerob wachsende Bakterien auszeichnet.

Pharmakokinetik

Die oben erwähnten Substanzklassen besitzen ganz unterschiedliche pharmakokinetische Eigenschaften: Es gibt Antibiotika mit guter Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe wie z. B. Amoxycillin oder Tetracycline. Andere Antibiotika hingegen werden enteral fast nicht resorbiert wie z. B. die Aminoglykoside, die deswegen – außer zur Darmsterilisation – nur intravenös verabreicht werden. Bestimmte Substanzen zeichnen sich durch eine besondere Anreicherung in Knochen- und Knorpelgewebe aus (z. B. Clindamycin), wodurch sie zur Behandlung von Infektionen in Knochen und Gelenken besonders geeignet sind.

Kontraindikation

Antibiotika sind je nach Substanzklasse kontraindiziert bei allergischen Reaktionen (besonders auf Penicilline und Cephalosporine), bei Niereninsuffizienz (Cephalosporine, Tetracycline, Aminoglykoside), bei Leberschäden (Tetracycline) und bei Schwangerschaft.

Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen der Antibiotika sind je nach Substanzklasse ganz unterschiedlich. Einzelheiten werden unter der jeweiligen Substanz aufgeführt. Wichtig sind im klinischen Alltag insbesondere die relativ häufigen allergischen Reaktionen, insbesondere auf Antibiotika aus der Gruppe der Penicilline und Cephalosporine. Gastrointestinale Nebenwirkungen sind fast unabhängig von der Substanzklasse außerordentlich häufig, was auf eine Störung der physiologischen Darmflora zurückzuführen ist. Cephalosporine zeichnen sich durch ihre Nephrotoxizität aus, weshalb sie bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz nicht oder nur mit großer Vorsicht eingesetzt werden dürfen. Eine hepatotoxische Wirkung ist bei vielen Antibiotika vorhanden, weshalb eine Überprüfung der Leberenzyme beispielsweise bei der längeren Behandlung mit Tetracyclinen erforderlich ist. Aminoglykoside sind zudem nephro- und ototoxisch.

Wechselwirkungen

Vielfache Wechselwirkungen aller Antibiotika sind beschrieben; hier muss auf die Einzelsubstanzen verwiesen werden.

Autor

Nils Hailer