Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Thoracic-outlet-Syndrom

Synonyme

TOS; Hals, Engpass-Syndrom

Englischer Begriff

Thoracic outlet syndrome

Definition

Kompression neurovaskulärer Strukturen (Plexus brachialis und A. und V. subclavia) durch umliegendes Gewebe im Bereich der oberen Thoraxapertur.

Pathogenese

Man unterscheidet drei Syndrome:

  1. das Skalenussyndrom mit und ohne Halsrippe,
  2. das Kostoklavikularsyndrom und
  3. das Hyperabduktionssyndrom.

Skalenussyndrom: Die neurovaskulären Strukturen im Dreieck zwischen M. scalenus medius, M. scalenus anterior und 1. Rippe werden komprimiert. Das zusätzliche Vorliegen einer Halsrippe, welche häufig an einem Höcker der 1. Rippe hinter dem lateralen Ansatz des M. scalenus anterior ansetzt, engt den Raum zusätzlich ein. Teilweise liegt auch nur ein fibröses Band vor. Obwohl Halsrippen in Studien etwas häufiger links als rechts vorkommen, sind die Beschwerden häufig mehr rechts als links lokalisiert, was anzeigt, dass eine mechanische Komponente durch Gebrauch der rechten Hand eine zusätzliche Rolle spielt. Ebenso kann ein M. scalenus minimus, der vom Querfortsatz des 7. Halswirbels zur 1. Rippe zieht, eine Einengung der hinteren Skalenuslücke bewirken.

Kostoklavikularsyndrom: Kompression der Pars infraclavicularis des Plexus brachialis und der A. und V. subclavia zwischen 1. Rippe und Klavikula. Bei Zustand nach Klavikulafraktur mit Dislokation kommt es oft bereits innerhalb weniger Wochen zu sensomotorischen Reiz- und Ausfallerscheinungen im Bereich des unteren Armplexus. Es kann jedoch auch der mittlere Armplexus mitbetroffen sein.

Hyperabduktionssyndrom (Wright): Kompression des Plexus brachialis am Processus coracoideus des Schulterblatts durch den M. pectoralis minor bei Elevation des Arms.

Symptome

Skalenussyndrom: Beschwerden treten bisweilen erst bei Vorliegen zusätzlicher Faktoren wie intensive sportliche Belastung des Schultergürtels oder rheumatoide Polyarthritis sowie bei Lymphknotenschwellung auf. Bei allen drei Syndromen sind zunächst belastungs- und lageabhängige Schmerzen und Parästhesien im Bereich des Truncus inferior des unteren Armplexus führend, wobei die Schmerzen und die initial sensiblen Störungen im Sinne von Parästhesien zunächst am medialen Unterarm auftreten und auch die laterale Daumenballenmuskulatur zunächst von atrophischen Prozessen betroffen sein kann. Es folgt dann eine Läsion der aus C8 stammenden Faseranteile des Truncus inferior, so dass dann insbesondere Schmerzen entlang der ulnaren Handseite, der Vorderarmseite und Schwächen der Hand- und der feinen Fingerbewegungen auftreten. Eine Verstärkung der Schmerzen und Parästhesien ist gegeben bei herabhängendem Arm und zusätzlicher Gewichtsbelastung. Zusätzlich kann eine vaskuläre Symptomatik durch ein Raynaud-Syndrom bei zusätzlicher Reizung der periarteriellen sympathischen Nervengeflechte der A. subclavia auftreten. Selten kommt es beim Skalenussyndrom zu Thrombenbildungen distal der Skalenuslücke, in einer aneurysmatisch erweiterten A. subclavia mit arterioarteriellen Embolien in die Fingerspitzen.

Kostoklavikularsyndrom: Ähnliche Beschwerden wie beim Skalenussyndrom, zusätzlich noch Zeichen einer venösen Stauung durch verminderten Rückfluss der V. subclavia.

Hyperabduktionssyndrom: Subjektiv bestehen zunächst Parästhesien, einschlafende Hände und Raynaud-Erscheinungen, insbesondere wenn beim Schlafen die Arme über den Kopf gelegt werden. Selten finden sich objektiv Ausfallerscheinungen, da die Beschwerden meistens nach Korrektur der Armposition vollständig sistieren.

Diagnostik

  1. Anamnese und klinische Untersuchung.
  2. Tests: Bei diesen Tests wird auf Stenosegeräusche der A. subclavia und auf das Verschwinden des Radialispulses in den verschiedenen Kopf- und Armstellungen geachtet.
    1. Skalenussyndrom: Drehen des Kopfs und Heben des Kinns zur Seite der Kompression mit gleichzeitiger tiefer Inspiration (Adson-Test).
    2. Kostoklavikularsyndrom: passives Herunterziehen der Schulter.
    3. Hyperabduktionssyndrom: Hyperabduktion des Arms.
  3. Neurophysiologische Untersuchung: Pathologische Befunde im Sinne von Spontanaktivität oder neurogenen Veränderungen in der Muskulatur der C8 und TH1 innervierten Muskulatur. Ein Normalbefund in der paravertebralen Muskulatur stützt die Diagnose eines Thoracic-outlet-Syndroms.
  4. Somatosensorisch evozierte Potentiale nach Ulnarisstimulation mit Ableitung der Latenzzeiten am Erb-Punkt und unteren Halsmark.
  5. Radiologische Diagnostik: anteroposteriore Aufnahme der Halswirbelsäule mit Aufnahme der oberen Thoraxapertur, zu achten ist auf verlängerte Querfortsätze und Halsrippen.
  6. Eventuell Angiographie.
  7. Doppler-Sonographie.

Differenzialdiagnose

Sonstige Schädigungen des Plexus, z. B. Tumoren, Schulteramyotrophie, Sulcus-ulnaris-Syndrom.

Therapie

Konservative/symptomatische Therapie

Meidung von Überkopfarbeiten und Tragen von Lasten bei herabhängendem Arm. Krankengymnastische Übungsbehandlung zur Haltungsverbesserung, Kräftigung der Schultermuskulatur, Mobilisationstechniken, ergonomische Beratung.

Operative Therapie

Kritische Indikationsstellung.

Skalenussyndrom: eventuell Skalenektomie, selten Entfernung der 1. Rippe notwendig, Lösung fibröser Bänder.

Kostoklavikularsyndrom: Resektion der 1. Rippe.

Hyperabduktionssyndrom: selten operative Therapie notwendig bei schweren Fällen Verlegung der Insertion des M. pectoralis minor.

Bewertung

Die Indikation zur operativen Therapie sollte stets sehr kritisch gestellt werden. Das Hyperabduktionssyndrom muss so gut wie nie operiert werden. Auch das Kostoklavikularsyndrom stellt selten eine Operationsindikation dar, wenn, dann ist die Resektion der 1. Rippe die Methode der Wahl, während diese beim Skalenussyndrom meist nicht reseziert werden muss.

Nachsorge

Physiotherapie

Autor

Iris Reuter