Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Spinalanästhesie

Synonyme

Subarachnoidalanästhesie; Lumbalanästhesie

Englischer Begriff

Spinal anaesthesia; Spinal block

Definition

Die Spinalanästhesie ist ein Verfahren der rückenmarksnahen Leitungsanästhesie, bei dem Lokalanästhetika lumbal in den Liquor cerebrospinalis des Subarachnoidalraums injiziert werden. Dies führt zu einer reversiblen segmentalen sympathischen, sensorischen und motorischen Nervenblockade an den Wurzeln der Spinalnerven. Die Spinalanästhesie zeichnet sich durch relativ leichte Durchführbarkeit mit schnellem Wirkungseintritt aus. Aufgrund der geringen Dosis an Lokalanästhetikum treten keine systemisch-toxischen Wirkungen bei exzellenter Anästhesiequalität auf.

Indikation

Operative Eingriffe im Unter- und Mittelbauch, Eingriffe am Hüftgelenk und an der unteren Extremität, urologische Eingriffe an Prostata und Blase, gynäkologische und geburtshilfliche Eingriffe, Eingriffe im perinealen und analen Bereich.

Kontraindikation

Absolute Kontraindikationen: Ablehnung des Verfahrens durch den Patienten, Infektionen oder Tumore im Bereich der Punktionsstelle, Allergie auf Lokalanästhetika, Gerinnungsstörungen, therapeutische Antikoagulation, aktuelle Blutungen, erhöhter Hirndruck, Aortenstenose.

Relative Kontraindikationen: Fehlende Kooperation des Patienten, Lagerungsprobleme, generalisierte Infekte und Sepsis, neurologische Vorerkrankungen, Zustände nach rückenmarksnahen Operationen (z. B. Laminektomien), Deformitäten der Wirbelsäule, akuter Diskusprolaps, unkorrigierte Hypovolämie/Hypotonie, manifeste Herzinsuffizienz.

Durchführung

Im Vergleich zur Epiduralanästhesie ist die Spinalanästhesie technisch einfacher durchführbar, die motorische Blockade ist ausgeprägter und die Anschlagzeit ist mit zwei bis zehn Minuten deutlich kürzer.

Der Patient sitzt entspannt mit herausgedrücktem Rücken („Katzenbuckel“) auf dem Operationstisch. Die Unterarme sollten auf den Oberschenkeln ruhen und der Kopf sollte auf die Brust gesenkt sein, damit die Zwischenwirbelräume optimal dargestellt werden. Wird die Punktion in Seitenlage durchgeführt, sollten sich Kopf und Knie optimal annähern (mithilfe der Assistenz). Zur Bestimmung der Punktionshöhe werden die knöchernen Landmarken der Oberkanten des Beckenkamms (= Dornfortsatz L4 oder Zwischenwirbelraum L4/L5) herangezogen. Für die Punktion des Subarachnoidalraums werden neben den klassischen Kanülen mit Quincke-Schliff (endständige scharfe Spitze) heute vor allem Spinalkanülen mit konischer abgerundeter Spitze und einem seitlichen Loch in Spitzennähe verwendet (Pencil-Point-Nadel, Whitacre-Nadel, Sprotte-Nadel). Der Vorteil dieser Nadeltypen liegt darin, dass einerseits die Rate an postspinalem Kopfschmerz geringer ist als bei Verwendung der Quincke-Kanüle und andererseits das Durchdringen von Lig. flavum und Dura mater gut zu fühlen ist. Die Punktion des Subarachnoidalraums gilt als gesichert, wenn Liquor abfließt („Ohne Liquor keine Spinalanästhesie!“).

Neben der einzeitigen Spinalanästhesie werden gelegentlich noch die Katheter-Spinalanästhesie (CSA = catheter spinal anaesthesia) und die Kombination von Spinal- und Epiduralanästhesie (CSE = combined spinal/epidural anaesthesia) durchgeführt, die sich für länger dauernde operative Eingriffe und anschließender postoperativer Schmerztherapie eignen.

Nachbehandlung

Ist das Analgesieniveau nach Spinalanästhesie deutlich rückläufig (z. B. Zehen bewegen), kann der Patient auf die Station verlegt werden. Dort muss aber auf eine Harnretention geachtet werden. Eine Nahrungskarenz wie nach einer Allgemeinanästhesie ist nicht erforderlich.

Patienten mit einem spinalen Schmerzkatheter müssen von einem Akutschmerzdienst betreut oder auf einer Intensivüberwachungsstation behandelt werden, damit Komplikationen wie hohe Spinalanästhesie, Atemdepression oder schwere Kreislaufdepression frühzeitig erkannt und behandelt werden können. In der Regel kann ein Spinalkatheter etwa am zweiten oder dritten postoperativen Tag bei deutlich gesunkenem Schmerzniveau entfernt werden. Die Entfernung und die Prüfung auf Vollständigkeit des Katheters müssen (im Schmerzprotokoll) dokumentiert werden.

Autor

Peter Teschendorf