Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Psoasabszess

Synonyme

Iliopsoasabszess; Paravertebraler Senkungsabszess

Englischer Begriff

Psoas abscess, Abscess of iliopsoas muscle

Definition

Abszess, der sich in der Loge des M. iliopsoas ausbreitet, die ihren Ursprung von den unteren Brustwirbel- und den Lendenwirbelkörpern nimmt und entlang des Beckenrands bis zum Trochanter minor verläuft.

Pathogenese

Es werden zwei Typen von Psoasabszessen unterschieden. Der primäre Psoasabszess betrifft vornehmlich jüngere Patienten und entsteht durch hämatogene Dissemination bei unklarem Primärherd. Die reiche Gefäßversorgung des M. iliopsoas begünstigt diesen Infektionsweg. In 75–90 % der Fälle lässt sich Staphylococcus aureus als Erreger isolieren.

Dagegen bilden sich sekundäre Psoasabszesse durch direkte Infektausbreitung benachbarter Organe aus. Hierfür liegen in 80 % der Fälle gastrointestinale Ursachen (Morbus Crohn, Appendizitis, Kolonkarzinom, Divertikulitis) vor. Als weitere Ursachen sind die tuberkulöse Spondylitis, sekundäre Spondylitiden, die pyogene Sakroiliitis und infizierte Hüftgelenkendoprothesen beschrieben. Das Keimspektrum reicht von Mycobacterium tuberculosis über Enterobakterien bis hin zu Mischinfektionen.

Der Iliopsoasabszess ist mit einer Inzidenz von ca. 0,4 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr relativ selten.

Symptome

Als klassische Zeichen eines Psoasabszesses treten unspezifische Symptome wie Fieber, Flankenschmerz und Einschränkung der Hüftbeweglichkeit auf der betroffenen Seite auf. In einigen Fällen ist eine tiefe Beinvenenthrombose Erstmanifestation des Iliopsoasabszesses.

Diagnostik

Die Abdomensonographie ist als Screeninguntersuchung geeignet. Als Verfahren der Wahl gilt die Computertomographie, da sie die Differenzierung des retroperitonealen und intraperitonealen Raums ermöglicht, eine gute Darstellung des retrofaszialen Iliopsoasraums bietet und in der Regel zur Notfalldiagnostik zur Verfügung steht. Die Magnetresonanztomographie hat gleichen diagnostischen Wert.

Bei unklarer Ursache sollten postoperativ routinemäßig eine native Röntgenaufnahme der Wirbelsäule sowie eine Ganzkörperszintigraphie zum Ausschluss einer Spondylodiszitis durchgeführt werden. Weiterhin sollte zum Ausschluss einer gastrointestinalen Ursache eine Koloskopie und ein Dünndarmklysma nach Sellink durchgeführt werden.

Differenzialdiagnose

Morbus Crohn, Appendizitis, Sigmadivertikulitis, Kolonkarzinom, Pankreatitis.

Therapie

Eine Therapie sollte zügig parallel zur Diagnosestellung eingeleitet werden. Die Abklärung der Ätiologie erfolgt erst in einer zweiten Phase und sollte den Therapiebeginn nicht verzögern.

Akuttherapie

Ziel ist die umgehende chirurgische Sanierung des Abszesses.

Konservative/symptomatische Therapie

Die konservative Therapie kann den operativen Eingriff nicht ersetzen. Ergänzend können Analgetika und fiebersenkende Medikamente zum Einsatz kommen.

Medikamentöse Therapie

Die postoperative Antibiotikatherapie ist in beiden Formen des Psoasabszesses obligat. Sie erfolgt bis zum Erhalt des intraoperativen Abstrichergebnisses als kalkulierte Antibiotikatherapie und wird dann entsprechend des Antibiogramms modifiziert. Die Dauer der Antibiose wird individuell dem jeweiligen Keimspektrum angepasst.

Operative Therapie

In Abhängigkeit von der Abszessqualität erfolgt entweder die Abszesspunktion und Drainage oder eine offene Ausräumung über einen extraperitonealen Zugang.

Bei der perkutanen Drainage wird zunächst eine computertomographiegesteuerte Punktion durchgeführt. Kann hierbei sicher eitriges Aspirat gewonnen werden, wird anschließend ein Führungsdraht in die Mitte der Abszesshöhle eingeführt und analog zur Seldinger-Technik eine Spül-Saug-Drainage platziert.

Die offene Abszessausräumung erfolgt über einen extraperitonealen Zugang. Andere Zugänge über Leiste, Oberschenkel und Rücken sowie der intraperitoneale Zugang sind mit einer hohen Komplikations- und Rezidivrate behaftet. Zunächst wird die Faszie und die Bauchwandmuskulatur durchtrennt und das Peritoneum stumpf nach medial abgeschoben und so die Iliopsoasloge freigelegt.

Dauertherapie

Bei sekundären Abszessen muss neben der eigentlichen Abszessausräumung auch die Sanierung des primären Herds erfolgen.

Bewertung

Die Erfolgsrate der perkutanen Punktion und Drainage liegt für primäre Abszesse bei ca. 80 % und für sekundäre Abszesse bei nur 50 %. Kontraindikationen sind das Vorliegen von gekammerten Abszessen sowie eine für die Punktion ungünstige anatomische Lage.

Die offene chirurgische Drainage führt in 97 % der Patienten zum Erfolg.

Nachsorge

Durchführung regelmäßiger klinischer Kontrollen und laborchemischer Untersuchungen der Entzündungsparameter, um Rezidive frühzeitig zu erkennen.

Autor

Myriam Sandfort

Matthias Bühler, Hergo Schmidt