Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Nervennaht

Englischer Begriff

Nerve suture

Definition

Chirurgische Zusammenführung von durchtrennten Nervenenden.

Indikation

Nervenverletzung mit Durchtrennung der Kontinuität; Verlust des proximalen Nervenendes, Verwendung eines Spendernervs zur Neurotisation; Verlust des distalen Nervenendes: Nerv-Muskel-Neurotisation.

Kontraindikation

Zu starke Zugspannung, verschmutzte Wunde.

Durchführung

Primäre Nervennaht (besser Neurorrhaphie, Koaptation): Bei Durchtrennung des Nervs ohne Defekt gibt es zwei Arten der Nervenversorgung, entweder durch enge Koaptation oder durch eine lockere, wobei ein kleiner Spalt zwischen den Nervenenden belassen wird. Folgende Schritte werden vorgenommen: Bereitung der Nervenendigungen entweder durch scheibenförmige Resektion bis in das gesunde Gewebe oder durch Präparation von Einzelfaszikeln. Bei Vorliegen mehrerer großer Faszikel wird man eher diese präparieren. Die Annäherung der Nervenenden sollte spannungsfrei gelingen. Bei der Koaptation sollte sich zwar das endoneurale Gewebe berühren, die Naht sollte aber wegen der Quellung des Gewebes nicht zu eng erfolgen. Verankert werden die Nähte im interfaszikulären Epineurium, im epifaszikulären Epineurium oder Perineurium. Bisweilen werden zur Erhaltung der Koaptation auch Fibrinkleber bzw. resorbierbare Tuben verwendet. Bei Vorliegen einer Dehiszens wird eine Nerventransplantation zur Überbrückung des Defekts vorgenommen. Hierzu werden Hautnerven als Spendernerven benutzt. Bei Fehlen des proximalen Nervenendes werden Nervenfasern vom proximalen Teil eines anderen Nervs transferiert. Die Anastomose des distalen Nervenendes mit einem funktionell weniger bedeutsamen Nerv bei irreparabler Zerstörung des proximalen Anteils wird Neurotisation genannt. Als Nahttechnik wird eine interfaszikuläre Nahttechnik bevorzugt. Bei Fehlen des distalen Endes wird das proximale Nervenende direkt oder über ein Transplantat in den Muskel eingepflanzt (Nerv-Muskel-Neurotisation). Eine Wiederherstellung eines Nervs kann auch über eine End-zu-Seit-Koaptation erfolgen. Das proximale Ende eines Nervs wird seitlich an einen denervierten Nerv genäht und die Verbindung über ein epineurales Fenster hergestellt.

Sekundäre Nervennaht: Bei verschmutzter Wunde oder stark zerstörtem Weichteilgewebe bzw. wenn nicht sofort eine spannungsfreie Anastomose möglich ist, wird nach einer Latenzphase, jedoch innerhalb der ersten vier bis acht Wochen eine Nervennaht durchgeführt.

Nerventransplantation: Versorgung mit einem Interponat, meist eines sensiblen Nervs, bei großer Dehiszenz der Nervenenden.

Nachbehandlung

Zunächst Ruhigstellung in Funktionsstellung unter Entlastung der Nervennaht, später funktionelle Behandlung. Bei früher und guter Adaption gute Prognose zur funktionellen Rehabilitation, Residualdefizite sind nicht auszuschließen, insbesondere sensible Restschäden, Kälteempfindlichkeit und Krampfneigung.

Autor

Iris Reuter