Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Gelenkempyem

Synonyme

Pyarthrose; Eitrige Synovialitis

Englischer Begriff

Joint empyema; Purulent synovialitis; Intraarticular empyema

Definition

Ansammlung von Eiter in einem Gelenk, die durch eine bakterielle Infektion verursacht wird.

Pathogenese

Die eitrige Entzündung eines Gelenks kann durch hämatogene Aussaat von pyogenen Keimen, Fortleitung der Infektion aus der Umgebung (insbesondere durch metaphysäre Fortleitung einer Osteomyelitis im Kindesalter) oder iatrogen durch direkte Inokulation (z. B. bei Gelenkpunktionen) entstehen. In 90 % der Fälle handelt es sich um eine Monarthritis. Unabhängig vom Infektionsweg verursachen die Bakterien eine Entzündungsreaktion der Membrana synovialis mit Leukozyteninfiltration, Ödembildung und vermehrter Produktion von Synovialflüssigkeit. Es entstehen Fibrinbeläge, die die Ernährung des Knorpels behindern. Weiterhin wird der Knorpel durch lysosomale Enzyme, die beim Zerfall von Leukozyten frei werden, und durch proteolytische Enzyme, die von Bakterien (insbesondere Staphylokokken) freigesetzt werden, zerstört.

Nach Gächter wird die eitrige Arthritis entsprechend des Arthroskopiebefunds in vier Stadien eingeteilt (siehe Tabelle 1). Häufigster Erreger des Gelenkempyems ist Staphylococcus aureus (40–80 %), Staphylococcus epidermidis und Streptokokken. In 95 % der Fälle sind die großen Gelenke betroffen.


Tabelle 1.
Athroskopische Stadieneinteilung bei Gelenkinfekt nach Gächter mit der entsprechenden stadiengerechten Therapie.

Befund

Therapie

Stadium I

Bildung eines leicht trüben Ergusses, Synovialis gerötet, eventuell petechiale Blutungen

Gelenklavage

Stadium II

ausgeprägte Synovitis, Fibrinausschwitzungen, eitriger Erguss

lokale Synovektomie, Entfernung der Fibrinbeläge, Antibiotikaträger

Stadium III

Zottenbildung, Abkammerung, Ausbildung eines so genannten „Badeschwamms“ im oberen Recessus

ausgedehnte Synovektomie, Resektion von Septen und Taschen

Stadium IV

Synovialmembran wächst aggressiv in den Knorpel und unterminiert ihn, röntgenologische Zeichen wie knöcherne Arrosionen, subchondrale Aufhellungen, Zystenbildung

zusätzlich zur Therapie der Stadien I–III radikale Sequesterentfernung


Symptome

Leitsymptom ist der Gelenkschmerz. Neben den klassischen Zeichen der Entzündungsreaktion mit Rötung, Schwellung, Überwärmung, Ruhe- und Nachtschmerz und Bewegungseinschränkung kommt es im Verlauf zum Temperaturanstieg, zu allgemeinem Krankheitsgefühl bis zum Vollbild der Sepsis.

Diagnostik

Es erfolgt die laborchemische Bestimmung der Entzündungsparameter (CRP, Leukozyten), wobei das C-reaktive Protein ein sensitiver Marker in der Diagnostik und Therapie ist. Sonographisch kann die Ausdehnung des Empyems und die Infiltration der Weichteile bestimmt werden. Nativradiologisch lassen sich erst im spätem Stadium Knochendestruktionen, Usuren oder Sequester darstellen. Dennoch gehören Röntgenaufnahmen zur Basisdiagnostik, da sie Hinweise auf Frakturen und vom Knochen fortgeleitete Prozesse geben.

Bei Verdacht auf eine Infektion muss die Gelenkpunktion erfolgen. Neben der Anlage einer bakteriologischen Kultur mit Antibiogramm sollte eine Synoviaanalyse mit Bestimmung der Leukozytenzahl, des C-reaktiven Proteins, der LDH- und Glukosekonzentration sowie ein Ausstrich mit Gramfärbung zum Bakteriennachweis erfolgen. Leukozytenzahlen von über 25.000 / ml gelten als verdächtig, Werte von > 50.000 als Beweis für eine Infektion. Um die Frequenz falschnegativer Kulturen (bis zu 30 %) zu senken, sollte dem Kulturmedium Material, z. B. Synovialmembran, hinzugefügt werden.

Zeitnahe magnetresonanztomographische Untersuchungen können insbesondere bei Verdacht auf eine Weichteilbeteiligung und bei Befall der Wirbelsäule sinnvoll sein. Zum Ausschluss einer Infektion kann in einzelnen Fällen besonders bei vermuteten Low-grade-Infektionen die Szintigraphie oder die Leukozytenszintigraphie sinnvoll sein.

Differenzialdiagnose

Hämarthros, Gichtanfall, reaktive oder rheumatische Arthritis, Chondrokalzinose, aktivierte Arthrose.

Therapie

Die Therapie des bakteriellen Gelenkinfekts richtet sich nach dem Stadium und der Schwere des Krankheitsbilds. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Vorhandensein von Gelenkimplantaten, die als Fremdkörper wirken. Bei suspektem oder gesichertem Gelenkinfekt stellt die notfallmäßige operative Drainage und Sanierung des Gelenks kombiniert mit einer aggressiven Antibiotikatherapie das Mittel der Wahl dar. Eine alleinige antibiotische Therapie ist in der Regel zur Knorpelprävention nicht ausreichend.

Akuttherapie

Das Auftreten eines Gelenkempyems gilt als Notfall. Bereits nach 24 Stunden muss bei Vorliegen eines Gelenkempyems mit Knorpelschäden gerechnet werden. Ziel der chirurgischen Therapie ist neben der Beseitigung der Infektion die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der betroffenen Extremität.

Konservative/symptomatische Therapie

Die konservative Therapie eines blanden Infekts erstreckt sich auf die antibiotische Abschirmung, die Immobilisation und lokale Kälteanwendung. Weiterhin muss eine engmaschige klinische Kontrolle erfolgen und ein konkreter Zeitraum festgelegt werden, in dem eine Besserung eintreten muss. Dabei sollten 24 Stunden als obere Grenze gelten, da die Synovialmembran nur bis zum dritten Tag keine wesentliche Reaktion zeigt. Danach wird relativ schnell ein Zustand erreicht, bei dem eine vollständige Wiederherstellung nur noch ausnahmsweise möglich ist.

Eine Ausnahme stellen Gonokokkeninfektionen dar, die in der Regel sehr gut auf eine alleinige antibiotische Therapie (z. B. mit Ceftriaxon) über 14 Tage ansprechen.

Medikamentöse Therapie

Nach der Materialgewinnung erfolgt zunächst die kalkulierte antibiotische Anbehandlung des Infekts und die Abschirmung des oft multimorbiden Patienten mit einer Kombination aus einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid unter Kontrolle der Infekt-, Leber- und Nierenwerte. Nach Vorliegen des Antibiogramms wird auf eine testgerechte Antibiose umgestellt. Nach fünf bis sieben Tagen erfolgt, sofern vom Wirkstoff her möglich, die Umstellung auf eine orale Antibiose. Diese sollte für vier bis sechs Wochen – auch über eine Normalisierung der Entzündungsparameter hinaus – fortgeführt werden.

Operative Therapie

Die primäre arthroskopische Diagnostik ist sinnvoll, da die Frequenz notwendig gewordener Zweit- oder Dritteingriffe mit dem Initialstadium korreliert. Bei ausgeprägtem Primärbefund kann schon beim Ersteingriff ein Second-look-Eingriff geplant werden. Außerdem sollte bei persistierenden oder unzureichend abklingenden Symptomen die arthroskopische Therapie frühzeitig wiederholt und gegebenenfalls eine offene Synovektomie durchgeführt werden.

Die operative Behandlung erfolgt stadiengerecht (siehe Tabelle 1). Im Stadium I ist meist die Gelenklavage mit großen Mengen Spülflüssigkeit (Ringer-Lactat, 5–30 l) ausreichend. Die Anwendung von Antiseptikazusätzen ist wegen der potentiellen Gewebetoxizität umstritten. Zur Entfernung von Fibrinauflagerungen kann der Shaver eingesetzt werden. In den Stadien II und III spielt das Débridement der Knorpelauflagerungen, der veränderten Synovialmembran und der Knorpelnekrosen eine entscheidende Rolle. Dabei sollten alle nekrotischen, granulomatös veränderten Anteile der Synovialmembran entfernt werden. In den Stadien II und IV ist eine ausreichende Radikalität meist nur über eine offene Gelenkrevision möglich.

Der Einsatz einer Spül-Saug-Drainage ist aufgrund der Gefahr der Spülstraßenbildung, der Ausbildung von intraartikulären Verklebungen und Taschen, der möglichen Keimaszension, des hohen Pflegeaufwands und der erschwerten Mobilisation kritisch zu beurteilen. Es sollten alternativ zwei großlumige Redon-Drainagen eingelegt werden. Bei persistierender starker Sekretion nach 48 Stunden sollte ein erneuter Eingriff diskutiert werden.

Die Einlage resorbierbarer Antibiotikaträger, die am Ende des Eingriffs in das Gelenk eingebracht werden, wird kontrovers diskutiert. Sicher werden hierdurch lokal hohe Antibiotikakonzentrationen erreicht. Gleichzeitig ist die Penetration der systemisch verabreichten Antibiotika in die Synovialis gut und daher fraglich, ob die lokale Antibiose die postoperativen Ergebnisse verbessert. Weiterhin wird eine knorpeltoxische Wirkung aufgrund der lokal hohen Antbiotikakonzentrationen diskutiert.

Dauertherapie

Neben der Fortführung der Antibiose erfolgt nach Drainagenentfernung zunächst aktiv-assistierte Physiotherapie unter lokaler Kühlung und einer Motorschienenbehandlung (CPM-Schiene, „continued passive motion“). Diese dient neben der Kontrakturprophylaxe der Verbesserung der Knorpeldiffusion, der Verhinderung lokaler Verklebungen und der Schmerztherapie. Weiterhin sollte zur Chondroprotektion eine Teilentlastung lasttragender Gelenke erfolgen.

Bewertung

Die frühzeitige Diagnosestellung, die unmittelbare chirurgische Intervention und die aggressive Antibiotikatherapie ist die Voraussetzung für eine vollständige Wiederherstellung. Bei fortgeschrittenen Stadien der Infektion besteht das Risiko der dauerhaften Schädigung des Gelenks und der Mortalität.

Nachsorge

Bevor die definitive Versorgung (z. B. durch Endoprothese) eines durch die Infektion dauerhaft geschädigten Gelenks erfolgt, muss die Infektion vollständig ausgeheilt sein.

Autor

Myriam Sandfort

Matthias Bühler, Hergo Schmidt