Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Krallenzehe

Synonyme

Hammerzehe

Englischer Begriff

Hammer toe

Definition

Flexible oder kontrakte Beugefehlstellung im Kleinzehenmittelgelenk bei regelrechter Position des Zehengrundgelenks.

Vorkommen

Krallenzehen können isoliert vorkommen und sind dann meist die Folge einer Raumbeengung bei griechischer Fußkonfiguration (2. Zehe > 1. Zehe). Häufig sind sie in Kombination mit einer Hallux-valgus-Fehlstellung vorhanden (Abb. 1). Die Kleinzehendeformität kann dabei Ausdruck der Insuffizienz des ersten Strahls sein, da die Kleinzehen durch eine vermehrte Flexorenaktivität die mangelnde Stabilität des ersten Strahls kompensieren müssen. Krallenzehen sind auch bei einem Ballenhohlfuß häufig ausgebildet. Durch die Steilstellung der Mittelfußstrahlen und die vermehrte Belastung der Mittelfußköpfe kann nur durch die Beugestellung der Kleinzehenmittelgelenke ein Bodenkontakt hergestellt werden. In seltenen Fällen können neuromuskulär determinierte Erkrankungen oder ein Kompartmentsyndrom zur Ausbildung von Krallenzehen führen.


Abb. 1.
Beugefehlstellung im Kleinzehenmittelgelenk mit dorsaler Schwielenbildung

Diagnostik

Die Untersuchung der Kleinzehendeformität muss die gesamte untere Extremität und insbesondere den Rückfuß miteinbeziehen. Die Krallenzehe kann flexibel oder kontrakt sein und weist meist eine vermehrte dorsale Schwielenbildung auf. Das Zehengrundgelenk ist nicht in Mitleidenschaft gezogen und zeigt am belasteten Fuß eine regelrechte Gelenkposition. Beim so genannten „Push-up-Test“ wird ein manueller Druck hinter den Mittelfußköpfen ausgeübt. Gleicht sich die Beugestellung im Zehenmittelgelenk bei diesem Manöver aus, so handelt es sich um eine flexible Krallenzehe. Bleibt die Deformität unverändert vorhanden, liegt eine kontrakte Fehlstellung vor.

Differenzialdiagnose

Vermehrter Tonus der Zehenstrecker.

Therapie

Die Therapie richtet sich nach den beklagten Beschwerden und kann von symptomatischen Maßnahmen (Polsterung, Schuhzurichtung) bis zu einer gezielten operativen Behandlung der Deformität reichen.

Akuttherapie

Steht die schmerzhafte Schwiele oder Bursitis über dem beugekontrakten Kleinzehenmittelgelenk im Vordergrund, so kann eine Polsterung des Bezirks oder das Tragen offenen Schuhwerks zur Schmerzlinderung führen.

Konservative/symptomatische Therapie

Die symptomatische Therapie besteht in einer Druckreduktion der dorsalen Region des beugekontrakten Kleinzehenmittelgelenks. Geeignet hierfür sind konfektionierte Schaumstoffpolster. Offenes Schuhwerk bzw. weiches Oberleder ist ebenfalls geeignet, den Druck auf die Kleinzehe zu reduzieren. Eine Einlagenversorgung mit einer retrokapitalen Pelotte kann bei flexiblen Krallenzehen zu einer Stellungskorrektur führen.

Operative Therapie

Führt die konservative Behandlung nicht zu einer Beschwerdebesserung, sind operative Maßnahmen indiziert. Handelt es sich um eine flexible Deformität, so kann die Sehne des M. flexor digitorum longus am Zehenendgelenk tenotomiert, auf die Dorsalseite der Zehe verlagert und dort mit der Streckaponeurose im reponierten Zustand vernäht werden (Operation nach Girdlestone-Taylor). Bei kontrakten Deformitäten bietet sich die Durchführung einer Arthrodese des Zehenmittelgelenks in Neutralstellung oder die Resektionsarthroplastik nach Hohmann an, bei der der Grundgliedkopf der Kleinzehe ersatzlos entfernt wird.

Grundsätzlich ist eine derartige Therapie nur erfolgreich, wenn die Großzehenstellung orthograd ist. Eine Hallux-valgus-Fehlstellung muss daher in gleicher Sitzung korrigiert werden.

Dauertherapie

Da die Krallenzehe in der Regel nur ein Symptom einer komplexen Vorfußerkrankung ist, sollte ein an die Fußkonstellation angepasstes Schuhwerk getragen werden. Gelegentlich sind auch Einlagen zur Unterstützung der Querwölbung hilfreich.

Bewertung

Geringe Krallenzehendeformitäten sind meist nicht therapiebedürftig und oft nur kosmetisch störend. Stehen die Druckbeschwerden über dem beugekontrakten Zehenmittelgelenk im Vordergrund, sind operative Maßnahmen indiziert.

Nachsorge

Nach den operativen Maßnahmen ist in der Regel eine Vorfußentlastungsorthese oder ein spezieller postoperativer Schuh mit starrer Sohle erforderlich. Nach dem Sehnentransfer muss durch den Patienten ein Zügelverband über sechs bis zehn Wochen angelegt werden, der in regelmäßigen Abständen fachärztlich kontrolliert werden sollte. Nach einer Versteifung des Zehenmittelgelenks ist eine Mobilisationsbehandlung des Zehengrundgelenks unumgänglich, um einen ausreichenden Bodenkontakt der Kleinzehe zu erzielen. Die fachärztliche Behandlung sollte erst abgeschlossen werden, wenn dieses Ziel erreicht ist.

Autor

Renée Fuhrmann