Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Fingergelenk, Arthrose

Synonyme

Arthrose des Fingerendgelenks; Heberden-Arthrose; Arthrose des distalen Interphalangealgelenks; DIP-Arthrose; Bouchard-Arthrose; Arthrose des proximalen Interphalangealgelenks; PIP-Arthrose; Fingergrundgelenkarthrose; Arthrose des Metakarpophalangealgelenks; MCP-Arthrose

Englischer Begriff

Degenerative joint disease of the distal interphalangeal joint of the finger; DJD of the DIP joint; Degenerative joint disease of the proximal interphalangeal joint; DJD of the PIP joint; Degenerative joint disease of the metacarpophalangeal joint; DJD of the MCP joint

Definition

Degenerative Gelenkveränderung der Fingergelenke.

Pathogenese

Die Entwicklung einer Arthrose in den Fingergelenken ist häufig idiopathisch und bei Frauen im Rahmen der Polyarthrose oft beidseits ausgeprägt. Eine sekundäre Arthrose kann als posttraumatische Deformität nach Frakturen, Verletzungen der Sehnen oder des Kapsel-Band-Apparats, nach Hyperextensions- und Hyperflexionskontrakturen und bei Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis auftreten. Stoffwechselerkrankungen (z. B. Gichtarthropathie, Hämochromatose) können ebenfalls eine Arthrose des Fingerendgelenks induzieren.

Symptome

Die Patienten berichten über schubweise oder dauerhafte Schmerzen, die teilweise mit einer Rötung und Schwellung des Gelenks und zunehmender Achsenabweichung im Interphalangealgelenk verbunden sind. Komplexe Fehlstellungen mit Gelenkkontrakturen (z. B. Knopflochdeformität, Schwanenhalsdeformität) imponieren weniger durch die Beschwerden, sondern mehr durch die Gelenkfehlstellung und die Funktionsbehinderung bei feinmotorischen Tätigkeiten. Isolierte Arthrosen der Fingergrundgelenke führen zu einer schmerzhaften Funktionsbehinderung, die vor allem den Grobgriff betrifft.

Diagnostik

Klinisch ist bei den Arthrosen der Interphalangealgelenke eine Verdickung und Auftreibung des Gelenks vorhanden, die durch mukoide Zysten (Heberden-Knötchen) am Endgelenk verstärkt sein können. Der Finger kann eine transversale Achsenabweichung aufweisen. Die aktive Beweglichkeit ist oft eingeschränkt oder aufgehoben. Im End- und Mittelgelenk können flexible oder kontrakte Beuge- oder Hyperextensionsfehlstellungen ausgeprägt sein. Gelegentlich sind bei der aktiven Bewegung Krepitationen tastbar. Verschleißbedingte Veränderungen der Fingergrundgelenke zeichnen sich durch eine dorsal betonte Schwellung und Synovitis aus. Die Beweglichkeit ist vor allem für die Beugung eingeschränkt, so dass nur ein inkompletter Faustschluss möglich ist.

Röntgenologisch imponiert eine Verschmälerung bis Aufhebung des Gelenkspalts. Osteophytäre Anbauten können eine ausladende Gelenkkonfiguration hervorrufen. Bei einer Gichtarthropathie können zusätzlich gelenknahe zystische Läsionen vorhanden sein.

Differenzialdiagnose

Gelenkbefall bei rheumatoider Arthritis, Gelenkinfektion des Fingergrundgelenks, Synovitis des Fingergrundgelenks.

Therapie

Eine Behandlungsbedürftigkeit der Fingergelenkarthrosen ergibt sich nur bei entsprechender Beschwerdesymptomatik oder Funktionsbehinderung. Möglich sind konservative oder operative Therapiemaßnahmen.

Konservative/symptomatische Therapie

Die konservativen Therapiemaßnahmen bestehen in einer lokalen antiphlogistischen Behandlung mit Kälteapplikation und physikalischen Maßnahmen (z. B. subaqualer Ultraschall), selbständigen Bewegungsübungen sowie intraartikulären Injektionen mit einem Kortikoidpräparat.

Medikamentöse Therapie

Lokale antiphlogistische Medikation, intraartikuläre Injektionen mit einem Kortikoidpräparat.

Operative Therapie

Die operative Therapie der Heberden-Arthrose besteht in einer Arthrodese des betreffenden distalen Interphalangealgelenks in geringer Beugestellung (ca. 15°). Endoprothesen für das Fingerendgelenk werden angeboten, stellen jedoch wegen des geringen Funktionszuwachses keine Behandlungsoption dar.

Am Fingermittelgelenk kann bei geringen röntgenologischen Veränderungen und noch guter Gelenkfunktion eine Synovektomie durchgeführt werden (z. B. bei rheumatoider Arthritis), die zu einer vorübergehenden Besserung von Funktion und Beschwerden führen kann. Bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen am Zeige- und Mittelfinger stellt die Versteifung des Gelenks den „golden standard“ der operativen Therapie dar, da ein stabiler Spitzgriff für die Handfunktion unverzichtbar ist. Am Ringfinger und Kleinfinger kann auch eine endoprothetische Versorgung erfolgen, da eine variable Beugung im Fingermittelgelenk für das Umfassen von Werkzeugen oder Ähnlichem die Funktion der Hand verbessert. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Hand nur einer geringen manuellen Belastung ausgesetzt ist.

Am Fingergrundgelenk kann ebenfalls bei entsprechender Befundkonstellation eine Synovektomie vorgenommen werden. Drittgradige Knorpelschäden können angebohrt oder mikrofrakturiert werden, um die Induktion eines Faserknorpels zu unterstützen. Therapeutisch wird am Metakarpophalangealgelenk der Endoprothese der Vorzug gegeben, um die Handfunktion weitgehend zu erhalten. Dies kann bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und geringem Anspruch an den kraftvollen Einsatz der Hand mit Silikonplatzhaltern geschehen, ansonsten mit ungekoppelten und möglichst zementfreien Endoprothesensystemen.

Bewertung

Die konservativen Therapiemaßnahmen sind durchaus geeignet, bei einer aktivierten Arthrose eine temporäre Beschwerdelinderung zu induzieren. Langfristig ist die operative Therapie bei therapieresistenten Beschwerden geeignet, eine weitgehend schmerzfreie Funktion des betroffenen Gelenks herbeizuführen. Bei der Arthrodese des Fingermittelgelenks ist dies allerdings mit einer deutlichen Funktionseinbuße verbunden.

Die Silikonplatzhalter im Fingergrundgelenk führen vor allem bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zu guten subjektiven Ergebnissen, wobei das Bewegungsausmaß im Langzeitverlauf allerdings deutlich eingeschränkt ist. Mit der neuen Generation an zementfreien Endoprothesensystemen liegen noch keine langfristigen Ergebnisse vor. Bislang werden gute funktionelle Resultate berichtet, wobei die Rückzugsproblematik bei den zementfrei verankerten Stielen problematisch bleibt.

Nachsorge

Nach der Arthrodese eines Fingergelenks muss bis zur knöchernen Konsolidierung (ca. sechs Wochen) eine Immobilisation in einer kleinen Gipsschiene oder einer Orthese durchgeführt werden. Anschließend sind selbständige Bewegungsübungen ausreichend. Nach Implantation eines Silikonplatzhalters empfiehlt sich die Verwendung dynamischer Schienen, um die Streckfähigkeit des Fingers zu verbessern. Zementfreie Endoprothesen der Fingergrundgelenke können früh funktionell nachbehandelt werden. Die fachärztliche Kontrolle sollte bis zum Abschluss der Rehabilitationsphase (ca. drei Monate) erfolgen.

Autor

Renée Fuhrmann