Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Glukokortikoide

Synonyme

Steroide; Kortikoide; Kortisonderivate

Handelsnamen

Hydrocortison, Cortison, Prednisolon, Urbason, Volon, Fortecortin, Supertendin

Anwendungsgebiete/Indikationen

Glukokortikoide sind Hormone der Nebennierenrinde, die unter physiologischen Bedingungen produziert werden. Aufgrund der starken antiinflammatorischen und immunsuppressiven Wirkung der Glukokortikoide liegt die Hauptindikation der Behandlung mit exogen verabreichten Glukokortikoiden in der Orthopädie bzw. Traumatologie in der Behandlung der Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Die lokale intraartikuläre oder paratendinöse Applikation in Form von kristalloiden Glukokortikoiden erfolgt bei degenerativen Gelenkerkrankungen oder chronischen Insertionstendinosen.

Dosierung

Bei der immunsuppressiven Behandlung rheumatischer Erkrankungen werden je nach Aktivitätsgrad der Erkrankung und je nach Ansprechen auf die Therapie ganz unterschiedliche Dosierungen gewählt. Die Cushing-Schwellendosis, also diejenige Tagesdosis, ab der ein pharmakologisch induziertes Cushing-Syndrom zu erwarten ist, liegt bei 30 mg Kortisol bzw. 7,5 mg Prednisolon. Bei der lokalen Applikation von kristalloidem Dexamethason werden 5 mg/ml verwendet.

Darreichungsformen

Tabletten, Injektionslösungen, Kristallsuspensionen.

Wirkmechanismus

Endogene Steroidhormone und exogen verabreichte Glukokortikoide werden aufgrund ihrer Lipophilie rasch durch Zellmembranen in das Zellinnere transportiert, wo sie an zytosolische Rezeptorproteine binden. Durch die Aktivierung von Transkriptionsfaktoren wird dann die Biosynthese von spezifischen Proteinen angeregt. Die antiinflammatorische und immunsuppressive Wirkung von Glukokortikoiden beruht auf vielen Einzelwirkungen: Die Steigerung der Kapillarpermeabilität, Ödembildung und Migration von Leukozyten in entzündete Gewebe wird gehemmt. Des Weiteren werden Lymphozyten, insbesondere T-Zellen, aber auch andere immunkompetente Zellen inhibiert. Späte inflammatorische Effekte wie Kollagenablagerung, Kapillar- und Fibroblastenproliferation werden ebenfalls reduziert. Neben der antiinflammatorischen und immunsuppressiven Wirkung haben die Glukokortikoide noch vielfältige andere Wirkungen: Glukoneogenese und Begünstigung einer diabetischen Stoffwechsellage, Proteinkatabolismus, Hyperlipidämie, Fettumverteilung, mineralokortikoide Wirkung mit Natrium- und Wasserretention sowie vermehrte Kaliumausscheidung.

Die synthetischen Kortikosteroide verfügen über eine stärker glukokortikoide Wirkung bei reduzierter mineralokortikoider Wirkung (siehe Tabelle 1).


Tabelle 1.
Mineralo- und glukokortikoide Potenz unterschiedlicher Glukokortikoide.

Glukokortikoid

Relative glukokortikoide Potenz

Relative mineralokortikoide Potenz

Handelsnamen (Beispiele)

Cortisol

1

1

Hydrocortison

Cortison

0,8

1

Cortison

Prednisolon

4

0,8

Prednisolon

Methylprednisolon

5

0

Urbason

Betamethason

30

0

Betnesol

Dexamethason

30

0

Fortecortin


Pharmakokinetik

Oral verabreichte Kortikosteroide wie das Prednisolon haben eine hohe Bioverfügbarkeit um 80 % und die maximale Plasmakonzentration wird nach ein bis zwei Stunden erreicht. Synthetische Kortikosteroide werden wie die körpereigenen Steroidhormone in der Leber metabolisiert und über die Nieren ausgeschieden, die Halbwertszeit in der Eliminationsphase beträgt ca. drei Stunden.

Kontraindikation

Glukokortikoide sollten nicht in Sehnen injiziert werden. Zurückhaltender Einsatz bei Diabetes mellitus und bei Infektionen.

Bei länger dauernder Anwendung: Magen-Darm-Ulcera, schwere Osteoporose; Herpes-, Varizellen- und Amöbeninfektion, Systemmykosen, Tuberkulose in der Anamnese.

Nebenwirkungen

Häufige Nebenwirkungen der Kortikosteroide mit mineralokortikoider Wirkung sind Natrium- und Wasserretention mit begleitender Hypokaliämie. Endokrine Nebenwirkung ist die Entstehung eines Cushing-Syndroms mit Hypertonie, Hyperglykämie, Hyperlipidämie, Muskelatrophie, Stammfettsucht, Stiernacken, Hypertrichose, Hautatrophie und Amenorrhoe. Orthopädisch sind insbesondere die Nebenwirkungen Osteoporose, Wachstumsstörungen am unreifen Skelett, aseptische Knochennekrosen und spontane Sehnenrupturen von sehr großer Bedeutung.

Wechselwirkungen

Interaktionen mit u. a. Erythromycin, Rifampicin, Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin und Ketokonazol sind beschrieben worden.

Autor

Nils Hailer