Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Morbus Fröhlich

Synonyme

Dystrophia adiposogenitalis; Adiposogenitales Syndrom; Babinski-Fröhlich-Syndrom

Englischer Begriff

Fröhlich syndrome; Adiposogenital dystrophy; Adiposogenital syndrome; Babinski-Fröhlich syndrome

Definition

Funktionsstörung des Hypothalamus mit endokriner Dysregulation. Siehe auch Epiphyseolysis.

Pathogenese

Durch ein Missverhältnis zwischen Wachstumshormonen und Geschlechtshormonen kommt es zur Entwicklung eines Hochwuchses und eines Übergewichts. Diese Faktoren können zusammen mit externen Ursachen zu einer mechanischen Instabilität der Femurkopfepiphysen und Entwicklung einer Epiphyseolysis capitis femoris führen.

Symptome

Das männliche Geschlecht überwiegt (männlich : weiblich = 2 : 1). Die Kinder zeigen eine verzögerte Pubertät und sind oft übergewichtig. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind häufig hypotroph. Sehstörungen sowie eine mentale Retardierung sind beschrieben. Es kann zu einer Epiphyseolysis capitis femoris kommen. Bei der akuten Form sind starke Knie- oder Hüftschmerzen mit Belastungsinsuffizienz des Beins typisch, bei einem langsamen Abrutschen der Epiphyse sind die Beschwerden oft nur diskret vorhanden.

Diagnostik

Bei der klinischen Untersuchung imponiert eine eingeschränkte Innenrotation des Hüftgelenks. Bei passiver Beugung des Hüftgelenks kann es zu einer unterschiedlich starken Außenrotation der Oberschenkel (Drehmann-Zeichen) kommen.

Die Diagnose der Epiphyseolysis capitis femoris wird röntgenologisch (anteroposteriorer Strahlengang und Lauenstein-Position) gesichert. Die akute Form (Epiphyseolysis capitis femoris acuta) kann von der drohenden Epiphysenlösung (Epiphyseolysis capitis femoris imminens) und der verzögerten Form (Epiphyseolysis capitis femoris lenta) unterschieden werden.

Differenzialdiagnose

Prader-Willi-Syndrom; Coxitis fugax; Morbus Perthes; Tumoren

Therapie

Das Ziel der Behandlung ist die Verbesserung der Kongruenz des Hüftgelenks bzw. die Vermeidung eines fortschreitenden Abrutschens der Femurkopfepiphyse. Die Epiphyseloysis capitis femoris ist in der seltenen akuten Phase sofort behandlungsbedürftig. Infrage kommt eine schonende Reposition mit gleichzeitiger Entlastung des intrakapsulären Hämatoms oder die milde Extensionsbehandlung. In beiden Fällen wird die Epiphyse anschließend mit drei Kirschner-Drähten oder lateral überstehender Gleitschraube stabilisiert. Ein verzögertes und spät diagnostiziertes Abrutschen der Femurkopfepiphyse über 30° in Relation zum Schenkelhalswinkel wird elektiv durch eine intertrochantäre Femurosteotomie korrigiert. Die Gegenseite wird auch bei radiologisch unauffälliger Darstellung mit Kirschner-Drähten prophylaktisch stabilisiert.

Akuttherapie

Versuch der Reposition der Epiphyse, Entlastung des Hämatoms im Hüftgelenk, Stabilisation durch geeignete Implantate (drei Kirschner-Drähte oder Gleitschraube).

Konservative/symptomatische Therapie

In der akuten Phase der Epiphyseolysis capitis femoris kann vorbereitend zur operativen Stabilisation der Epiphyse eine Extensionsbehandlung in Abduktion, Innenrotation und Beugung des Hüftgelenks durchgeführt werden, die zur Reposition führen soll.

Operative Therapie

Ein Epiphysenabrutschen bis 30° gegenüber des Schenkelhalses kann durch geeignete Implantate (Kirschner-Drähte, Gleitschraube) stabilisiert werden. Größere Dislokationen müssen durch eine dreidimensionale intertrochantäre Umstellungsosteotomie ausgeglichen werden. Die Stabilisation erfolgt durch eine Winkelplatte.

Bewertung

Eine Dislokation der Femurkopfepiphyse über 20° bis 30° gilt als Präarthrose für das Hüftgelenk.

Nachsorge

Die Kinder müssen bis zum Abschluss des Wachstums in regelmäßiger fachärztlicher Kontrolle verbleiben. Dabei ist bei fortschreitendem Wachstum und der Verwendung von Kirschner-Drähten regelmäßig deren Länge zu beurteilen, um frühzeitig einen Implantatwechsel indizieren zu können.

Autor

Renée Fuhrmann