Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Gicht (Arthritis urica)

Synonyme

Podagra; Hyperurikämie

Englischer Begriff

Gout

Definition

Erkrankung des Purinstoffwechsels mit Ablagerung von Uratkristallen, was zu charakteristischen Gelenkentzündungen führen kann.

Pathogenese

Die primäre Hyperurikämie wird dominant vererbt und ist auf eine reduzierte Harnsäureausscheidung zurückzuführen. Die sekundären Hyperurikämien können prinzipiell durch ein vermehrtes Angebot an Harnsäure (proliferative Erkrankungen mit vermehrtem Zelltod, übermäßige Proteinzufuhr) oder eine gestörte Ausscheidung der Harnsäure (Nierenerkrankungen, Hyperlaktazidämien, Ketoazidosen, medikamenteninduziert) entstehen. Die Ablagerung der Uratkristalle geschieht bevorzugt in bradytrophem Gewebe (z. B. Gelenkknorpel). Als Auslöser werden oft Alkohol- oder Nahrungsexzesse angegeben.

Symptome

Der akute Gichtanfall ist durch eine plötzlich auftretende schmerzhafte Schwellung, Überwärmung und Rötung des betreffenden Gelenks, meist des Großzehengrundgelenks, seltener des oberen Sprunggelenks, der Fußwurzel oder des Kniegelenks, gekennzeichnet. In seltenen Fällen können die weißlichen Tophi unter der Haut sichtbar sein und sogar die Haut perforieren (Abb. 1). Der akute Gichtanfall kann einhergehen mit Fieber, Schüttelfrost und Tachykardie.


Abb. 1.
Gichttophi im Bereich des Großzehengelenks

Diagnostik

Neben den äußerlichen Zeichen der Gelenkentzündung ist die betroffene Region druckschmerzhaft und die Beweglichkeit des Gelenks ist schmerzhaft aufgehoben. Laborchemisch zeigen sich eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit und eine Leukozytose. Die Harnsäure kann erhöht sein; dies ist jedoch nicht obligat. Im Gelenkpunktat sind doppelbrechende Kristalle nachweisbar. Röntgenologisch imponiert im Frühstadium nur die Weichteilschwellung, später kommen Periostreaktionen und gelenknahe subkortikale Osteolysen (Stanzdefekte) ohne sklerotischen Randsaum hinzu. Später kann es auch zur mutilierenden Destruktion des Gelenks kommen.

Differenzialdiagnose

Bakterielle Arthritis

Therapie

Die Therapie des akuten Gichtanfalls besteht neben einer medikamentösen Regulierung des Purinstoffwechsels in einer analgetischen und antiphlogistischen Therapie. Ist es durch einen chronischen Verlauf zur Gelenkzerstörung gekommen, sind vor allem am Fuß Arthrodesen indiziert.

Akuttherapie

Hochlagerung der betreffenden Extremität, Ruhigstellung, Kühlung, Antiphlogistika.

Konservative/symptomatische Therapie

Die lokale Therapie orientiert sich an der lokalen Gelenkentzündung und besteht aus Hochlagerung, Ruhigstellung und Kühlung des betreffenden Gelenks.

Medikamentöse Therapie

Die Einstellung des Purinstoffwechsels erfolgt mit Urikostatika oder Urikosurika. Symptomatisch wird ein potentes Antiphlogistikum empfohlen. Colchicin wird wegen seiner Nebenwirkungen und anspruchsvollen Dosierung nur noch selten eingesetzt.

Operative Therapie

Eine operative Therapie ist nur bei arthritisch destruierten Gelenken indiziert. Im Großzehengrundgelenk, in der Fußwurzel und im oberen Sprunggelenk wird wegen der begleitenden Knochendestruktion meist eine Arthrodese des Gelenks bevorzugt.

Dauertherapie

Die medikamentöse Therapie zur Regulierung des Purinstoffwechsels ist als Dauertherapie zu verstehen. Gleichfalls sollten potentielle Auslöser eines Gichtanfalls (Alkohol, purinreiche Kost) vermieden werden.

Bewertung

Bei einer konsequenten Einstellung des Harnsäurespiegels und entsprechender Änderung der Nahrungsgewohnheiten kann der Gichtarthropathie vorgebeugt werden.

Nachsorge

Regelmäßige Kontrolle des Harnsäurespiegels zur Überprüfung der medikamentösen Einstellung.

Autor

Renée Fuhrmann