Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Gips

Synonyme

Gipsverband

Englischer Begriff

Cast

Definition

Verband oder Longuette, die mit selbsthärtendem Material beschichtet ist und zur Ruhigstellung, Formung oder Redression anmodelliert werden kann. Klassischerweise ist die Binde mit Kalkgips beschichtet. Modernere Kunststoffgipse können die konventionellen Kalkgipse teilweise ersetzen. Sie zeichnen sich durch geringeres Gewicht und schnellere Aushärtungszeiten aus. Außerdem sind sie in verschiedenen Härtegraden erhältlich.

Indikation

Häufig angewandtes Verfahren in der Traumatologie zur konservativen Behandlung nach Frakturen zur Gewährleistung einer guten Frakturheilung durch Ruhigstellung unter stabilen Verhältnissen. Auch nach operativer Behandlung von Frakturen dient der Gips dazu, eine schnellere Rehabilitation zu gewährleisten; oftmals sind eine schnellere Mobilisierung und Belastung möglich, da der Gips das operierte Gebiet schützt und stabilisiert. Als Gipskorsett findet der Gips seinen Einsatz zur konservativen Behandlung von Wirbelkörperfrakturen und verhindert somit die Tendenz zur Keilwirbelbildung der frakturierten Wirbelkörper. In der Skoliosebehandlung stellt das Gipskorsett bei Jugendlichen in der Wachstumsphase eine Möglichkeit dar, das Fortschreiten der Skoliose zu verhindern bzw. zu minimieren. Als so genannten Redressionsgips (z. B. nach Ponsetti) wird der Gips in der konservativen Behandlung von Klumpfüßchen eingesetzt. Ein weiteres Verfahren ist die Weichteilformung und Kontrakturprophylaxe von Amputationsstümpfen unter Zuhilfenahme von Gipsschienen oder -schalen.

Kontraindikation

Ein zirkulärer Gipsverband ist nach frischen Verletzungen kontraindiziert, da er bei eventueller Schwellneigung nicht nachgibt. Des Weiteren sind offene und infizierte Wunden als Kontraindikation für den zirkulären Gipsverband anzusehen. In beiden Fällen kann man auf so genannte Gipsschienen ausweichen. Allergien gegen die Inhaltsstoffe von Kalk- oder Plastikgipsen stellen ebenfalls Kontraindikationen dar.

Durchführung

Die verschiedenen Techniken und Funktionsstellungen können den einzelnen Gipsarten (Oberschenkelgips, Gipskorsett etc.) entnommen werden. Nach frischen Verletzungen oder Operationen darf aufgrund der eventuellen Schwellneigung primär nie ein zirkulärer Gipsverband angelegt werden; dies gilt auch für das Polstermaterial.

Grundsätzlich wird zum Hautschutz Schlauchmull oder Schlauchgaze angewendet; die sowohl proximal als auch distal etwas länger gewählt werden sollten. Mit lockeren Windungen wickelt man anschließend zur Polsterung Baumwollwatte zirkulär an. Grundsätzlich gilt: „So dünn wie möglich, so dick wie nötig!“ Besonders druckgefährdete Stellen (Caput fibulae, Epikondylen etc.) sollten extra gepolstert werden, um Druckschäden zu vermeiden. Eine zirkulär mit gut dosiertem Zug angebrachte Kreppbinde verhindert das Nasswerden der darunter liegenden Schichten und gewährleistet eine gute Komprimierung und Formgebung der Polsterung. Im Anschluss daran wird die Gipsbinde in ca. 20°C warmes Wasser getränkt und in einem Zug von distal beginnend zirkulär abgerollt. Es sollte möglichst bis weit proximal gewickelt werden. Danach werden Falten und Unebenheiten mit der flachen Hand glattgestrichen und der Gips anmodelliert. Die Modellierung sichert eine gute Passform des Gipses und verhindert ein Abrutschen. An den Enden wird der überschüssige Schlauchmull mit der Baumwollwatte ca. 1 cm umgeschlagen, um gut gepolsterte Randbereiche zu schaffen.

Wichtig ist, ständig auf die Funktionsstellung zu achten und diese während des Gipsens und Aushärtens nicht zu verändern, um zu verhindern, dass sich drückende Falten bilden. Es muss immer die Möglichkeit bleiben, Sensibilität, Durchblutung und Motorik kontrollieren zu können, d. h. Aussparen der Fingerkuppen, Zehen etc. Ein konventioneller Gips benötigt ca. 24 Stunden, um vollständig und belastungsstabil auszuhärten. Plastikgipse härten innerhalb von zwei bis drei Stunden.

Nachbehandlung

Bei Beschwerden muss der Gips gewechselt werden, denn „ein Patient mit Gips hat immer Recht“. Regelmäßige Gipskontrollen sind notwendig, um Passform und Funktionstüchtigkeit des Gipses zu kontrollieren. Da die Muskulatur unter der Gipsbehandlung atrophiert, können Gipswechsel notwendig werden, um eine gute Ruhigstellung zu gewährleisten.

Autor

Rolf Haaker

Email: r.haaker@khwe.de
http://www.khwe.de
https://www.klinik-bewertungen.de.../erfahrung-mit-st-vincenz-hospital-brakel
Prof. Dr. R. Haaker
CA der Klinik für Orthopädie,
Rheumatologie, Traumatologie
Schwerpunkte: Primär- und Wechselendoprothetik,aller großen Gelenke; Fuß-, Kinder-, Rheumaorthopädie
Sportverletzungen, Wirbelsäulenerkrankungen