Ulnarislähmung
Ulnar nerve palsy
Sensomotorische Ausfälle der ulnaren Hand bei Schädigung des N. ulnaris.
Die Ulnarisparese ist die häufigste Parese eines peripheren Nervs; unter den traumatischen Nervenläsionen steht sie an erster Stelle. Läsionen im Bereich der Axilla und des Oberarms sind meist direkt traumatisch bedingt und häufig mit weiteren Nervenläsionen assoziiert. Läsionen im Ellenbogenbereich sind bei der chronischen Druckschädigung im Sulcus ulnaris zu finden, durch direktes stumpfes Trauma auf den Ellenbogen, in 4 % der suprakondylären Frakturen des Erwachsenen und bei 15–17 % der Frakturen im Kindesalter. Daneben kommt eine Ulnarisparese auch bei Frakturen des Condylus medialis und der Trochlea vor. Bei der operativen Versorgung von Frakturen im Ellenbogenbereich kann es ebenfalls zu Ulnarisläsionen kommen. Lagerungsbedingte Ulnarisläsionen treten insbesondere bei flachem Sulcus ulnaris oder luxierbarem N. ulnaris auf (Häufigkeit bei Operationen insgesamt 0,3 %.), gefährdeter ist der N. ulnaris bei der Knie-Ellenbogen-Lagerung (z. B. Bandscheibeneingriffen). Bettlägerigkeit führt auch gehäuft zu Ulnarissymptomen. Druckläsionen im Ellenbogenbereich (Sulcus-nervus-ulnaris-Syndrom) entstehen auch durch berufliche Beschäftigungen (beim Telefonieren mit auf einer harten Unterlage aufgestütztem Arm oder beim Hohlglasschleifen, wobei der Ellenbogen aufgestützt und flektiert wird) oder beim Sport (Radfahren mit Triathlonlenker). Beim Sulcus-nervus-ulnaris-Syndrom entsteht eine Druckschädigung des N. ulnaris durch Anomalien im Sulkusbereich oft im Zusammenhang mit verstärkter mechanischer Belastung. Spätparese des N. ulnaris nach Frakturen oder bei Veränderungen am Ellenbogen.
Direkte Traumen sind weniger oft die Ursache von Läsionen des N. ulnaris im Unterarmbereich, dennoch sind 51 % der Nervenläsionen bei Vorderarmfrakturen Ulnarisläsionen. Der sensible R. dorsalis kann auch einmal direkt durch ein enges Armband 2–3 cm proximal des Handgelenks geschädigt werden.
Handgelenksbereich: Syndrom der Guyon-Loge-Druckschädigung im fibrösen Kanal, z. B. durch Druck beim Radfahren (Aufstützen auf dem Lenkergriff, Radfahrerlähmung) oder chronische Druckschädigung durch Arbeitsinstrumente; daneben direkte Schädigungen durch Schnittverletzungen oder Schlag gegen das Handgelenk.
Läsionen im Bereich der Finger: Druckschädigung (Schere) oder Schnittverletzung der sensiblen Endäste – Digitalia paraesthetica.
Tabelle 1 gibt die Symptome bei Ulnarislähmungen an.
Ort der Läsion |
Motorische Ausfälle |
Sensible Ausfälle |
proximale Läsion, Oberarm oder Ellenbogen Sulcus-nervus-ulnaris Syndrom |
Atrophie der ulnaren Beugemuskulatur, Krallenstellung (Krallenhand) mit leichter Abduktion des 4. und 5. Fingers, Atrophie der Spatia interossea (besonders Spatium I) und des Hypothenar, Hyperextension des Daumengrundgelenks (signe de Jeanne) |
Ulnarseite der Hand volar und distal, 5. Finger und Ulnarseite des 4. Fingers |
Parese der Handbeugung und Ulnarabduktion, Parese der Endgliedbeugung des 4. und 5. Fingers, Fingerspreizung, Nasenstüberbewegung schwach, Froment-Zeichen positiv, Parese der Kleinfingerabduktion |
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proximaler Vorderarm |
Krallenstellung, Atrophie der Spatia interossea und des Hypothenar, Fingerspreizung, Nasenstüberbewegung schwach, Froment-Zeichen positiv, Parese der Kleinfingerabduktion |
Ulnarseite der Hand volar und dorsal, 5. Finger und Ulnarseite des 4. Fingers |
distaler Vorderarm mit R. palmaris |
Krallenstellung, Atrophie der Spatia interossea und des Hypothenar, Fingerspreizung, Nasenstüberbewegung schwach, Froment-Zeichen positiv, Parese der Kleinfingerabduktion |
dorsaler Handrücken intakt Ulnarseite der Hand volar, 5. Finger und Ulnarseite des 4. Fingers |
distaler Vorderarm ohne R. palmaris |
Krallenstellung, Atrophie der Spatia interossea und des Hypothenar, Fingerspreizung, Nasenstüberbewegung schwach, Froment-Zeichen positiv, Parese der Kleinfingerabduktion |
dorsale und volare Ulnarseite der Hand intakt, 5. Finger und Ulnarseite des 4. Fingers |
Handwurzel nur R. profundus betroffen |
Krallenstellung, Atrophie der Spatia interossea und des Hypothenar, Fingerspreizung, Nasenstüberbewegung schwach, Froment-Zeichen positiv, Parese der Kleinfingerabdukltion, keine Aktivierung des M. palmaris brevis gegen Widerstand |
keine |
distaler Anteil des R. profundus |
Krallenstellung, Atrophie der Spatia interossea, Hypothenar intakt, Fingerspreizung, Nasenstüberbewegung schwach, Froment-Zeichen positiv |
keine |
sensible Endäste zu den Fingern |
Schmerzen und Sensibilitätsstörungen an den Fingern |
Besonderheiten:
Spätparese des N. ulnaris: langsam progrediente Parese mit auffälliger Atrophie im Spatium interosseum I, es dominieren die motorischen Ausfälle, geringe Sensibilitätsstörungen, wenig Schmerzen.
Sulcus-nervus-ulnaris-Syndrom: oft dominieren Schmerzen, Paraesthesien und sensible Störungen, später auch motorische Ausfälle.
Klinisch neurologische Untersuchung mit Ulnarisfunktionstests:
Elektromyographie: stufenweise Ableitung zur Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeiten im Sulcus.
Radikuläre Syndrome (C8, Th1), untere Plexusparese, Vorderhornprozesse, Syringomyelie, spinale Tumore, für Ulnarissymptome charakteristische Sensibilitätsstörung sowie das Fehlen dissoziierter Symptome grenzen Ulnarisparese ab.
Konservativ und operativ.
Polsterung und Entlastung bei Druckparesen, Schienenversorgung zur Nacht bei Sulcus-nervus-ulnaris-Syndrom zur Begrenzung der Extensions-und Flexionsbewegungen.
Neurolyse und Verlagerung des Nervs nach ventral bei Verletzungen im Ellenbogenbereich, insbesondere bei Versagen der konservativen Therapie bei Sulcus-nervus-ulnaris-Syndrom. Ersatzoperationen bei irreparablen Ulnarisläsionen.
Druckparesen haben gute Prognose zur Rückbildung unter konservativer Therapie. Operative Therapie: gute Prognose zur Schmerzreduktion, motorische und sensible Ausfälle schlechtere Prognose. Regenerierende Fasern des N. ulnaris neigen zu Fehlinnervation und Verwachsung mit der Umgebung. Die Indikation zur internen Neurolyse sollte zurückhaltend gestellt werden.
Nach Operation Ruhigstellung für zwei bis drei Wochen, dann Physiotherapie, extreme Druckbelastung sowie mechanische Belastungen vermeiden.
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