Spasticity
Unter Spastik versteht man einen erhöhten, geschwindigkeitsabhängigen Dehnungswiderstand der Muskulatur.
Eine spastische Muskeltonuserhöhung tritt nach Schädigung der absteigenden Bahnen wie z. B der Pyramidenbahn und der begleitenden extrapyramidalen Bahnen auf. Bei Schädelhirntraumen, multipler Sklerose, Schlaganfall, Hypoxie, Rückenmarkschädigungen und einigen neurodegenerativen Syndromen (teilweise erblich) tritt Spastik als ein Symptom auf. Verschiedene pathophysiologische Vorgänge werden diskutiert, z. B.
Neurophysiologisch zeigt sich eine erhöhte Erregbarkeit der Alpha-Motoneurone in der überhöhten Amplitude der F-Welle. Zudem ist der H-Reflex im Vergleich zum mechanisch ausgelösten Antwortpotential überhöht. Der verminderte inhibitorische Effekt der Vibration auf den Eigenreflex weist auf eine Minderung der präsynaptischen Hemmung hin. Im Rahmen der Spastik kommt es zu einem Sprouting, d. h. eine Nervenfaser versorgt mehrere Muskelfasern. Wesentlich für die sich durch die Spastik ergebende Behinderung scheint die Störung der neuronalen Regulation der Bewegungen zu sein, die das Ergebnis einer komplexen Wechselwirkung zwischen supraspinalen und spinalen Zentren darstellt. Diese ermöglichen unter Integration der Information aus der Peripherie, den Erfordernissen des Körpergleichgewichts und der Anpassung der mechanischen Eigenschaften der Muskelfasern harmonische Bewegungsabläufe wie z. B. das Gehen. Eine Störung der supraspinalen Kontrolle führt je nach Läsionshöhe zu charakteristischen Gangstörungen. Nach Ausfall oder Störung der supraspinalen oder spinalen Kontrolle erfolgt eine Regulation des Muskeltonus auf niedrigerem Niveau, welche Stütz- und Haltefunktionen ermöglicht, jedoch nicht schnelle Bewegungen. Bei diesen kann der Muskeltonus nicht kontrolliert werden und es kommt zu einschießenden Spasmen.
Je nach Höhe und Lokalisation der Läsion kommt es zur Tetraspastik bei Läsionen im Bereich von Gehirn, Hirnstamm (hypoxischer Schaden), Halsmark (meist mechanisch), zur Hemispastik (z. B. Schlaganfall) bei einseitiger supra- oder infratentorieller Läsion und zur Paraspastik bei Brustmarkschädigung.
Anamnese, klinischer Untersuchungsbefund: gesteigerte, oft verbreiterte Reflexzone, extrapyramidale Zeichen, häufig mit Hemi-, Para- oder Tetraparese vergesellschaftet, erhöhter Muskeltonus mit einschießenden Spasmen bei passiver Bewegung des Beins, spinale Automatismen bei Kältereizen oder Berührung, häufige Auslösung der Spastik auch durch abdominelle Symptome wie Reizungen von Darm und Blase; Magnetresonanztomographie: Kopf, Hals- und Brustwirbelsäule mit Frage nach einer mechanischen oder entzündlichen Ursache; Lumbalpunktion: Frage nach Entzündung.
Muskeltonuserhöhung anderer Genese, z. B. Rigor: gleichmäßige, nicht geschwindigkeitsabhängige Muskeltonuserhöhung.
Orale antispasmolytische Therapie: Baclofenpumpe, Botulinumtoxin A.
Krankengymnastik, Behandlungstechniken nach Bobath und Vojta (siehe Bobath-Therapie; Vojta-Therapie); propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF), reflektorische Erregung der Motoneuronen, Myofeedback; Lokomotionstraining, Hilfsmittelanpassung, Rollstuhltraining; Vermeidung von Hautreizungen, enger Kleidung, Infektionen, Wunden; regelmäßige Darm-und Blasenentleerung; elektrische Stimulation.
Orale spasmolytische Therapie.
Drei Therapieprinzipien:
Cave: Nebenwirkungen Müdigkeit, Schwindel, Blutdruckabfall, Übelkeit, Ataxie.
Botulinumtoxin: lokale chemische Denervierung durch Blockade der Acetylcholinausschüttung. Es stehen Botulinumtoxin A und B zur Verfügung.
Implantation einer Baclofenpumpe mit kontiniuierlicher intrathekaler Baclofengabe.
Insbesondere bei Kindern selektive dorsale Rhizotomie: Infiltration der Nervenwurzeln mit Phenol oder Alkohol, Umwandlung einer spastischen in eine schlaffe Lähmung.
Korrektur von Deformitäten der Füße (Spitzfußkorrektur), Sehnenverlängerungen (Achillessehne), insbesondere bei Kindern mit Zerebralparese.
Die Senkung der Muskeldehnungsreflexe hat keine positiven Auswirkungen auf die Bewegungen, eine Senkung des Muskeltonus geht häufig mit Paresen einher. Daher gilt es bei der Therapie, zwischen Behinderung durch die Spastik und eventueller Behinderung durch die medikamentös erzeugte Muskelschwäche abzuwägen.
Regelmäßige Kontrollen.
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