Springer-Verlag
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 0-9

Plattfuß

Synonyme

Senkfuß

Englischer Begriff

Pes planus; Flatfoot

Definition

Abflachung der medialen Längswölbung unterschiedlichen Ausmaßes.

Siehe auch Adoleszentenplattfuß.

Pathogenese

Die mediale Längswölbung wird überwiegend durch die knöcherne Architektur des Rückfußes und der Fußwurzel aufrechterhalten. Die dynamischen Stabilisatoren (z. B. Plantarfaszie, Lig. calcaneonaviculare plantare, M. tibialis posterior) spielen dabei eine geringere Rolle. Unklar ist bislang, bei welchen Stabilisatoren es initial zum Versagen und damit zur Einleitung des „Gewölbekollapses“ kommt. Bei einer primären Entkopplung des strukturellen Rückfußgefüges durch eine entzündliche Gelenkerkrankung (z. B. rheumatoide Arthritis) kommt es zur Ausbildung einer Instabilität der talonavikularen oder navikulokuneoformen Gelenke mit nachfolgender Insuffizienz der ligamentären und muskulären Stabilisatoren. Andererseits wird eine Insuffizienz der Sehne des M. tibialis posterior als ursächlich für die strukturelle Entkopplung des Talonavikulargelenks und den Verlust der Längswölbung angesehen.

Symptome

Idiopathische Plattfußdeformitäten können symptomlos sein, so dass der Absenkung der Längswölbung noch keine pathologische Bedeutung zukommt. Erworbene Plattfußdeformitäten können aber auch, unabhängig von ihrer Ätiologie, zu einer erheblichen Reduktion des Steh- und Gehvermögens führen. Diffuse Beschwerden am medialen Fußrand werden ebenso wie Muskelkrämpfe oder eine schnelle Ermüdbarkeit angegeben. Bei ausgeprägten Deformitäten kann sich eine schmerzhafte Beschwielung über dem medial konturgebenden Os naviculare oder dem Taluskopf ausbilden.

Diagnostik

Klinisch imponiert die unterschiedlich stark ausgeprägte Absenkung der medialen Fußwölbung (Abb. 1). Beim Plattfuß kann der Rückfuß im Gegensatz zum Pes planovalgus achsengerecht orientiert sein. Eine Aufrichtung der Längswölbung ist sowohl im Zehenspitzenstand als auch bei passiver Dorsalextension der Großzehe nicht zu erzielen. Der Mittelfuß kann in unterschiedlichem Ausmaß abduziert sein, so dass bei der Inspektion von hinten mehrere Kleinzehen sichtbar werden können („too-many-toes sign“). Die Inversion des Fußes gegen Widerstand kann ebenso wie der Zehenspitzenstand abgeschwächt sein. Das Vorliegen einer Wadenmuskelverkürzung lässt sich bei passiver Korrektur des Rückfußes am Ausmaß der Dorsalextension ermessen. Selten finden sich Schwellungen über der Sehne des M. tibialis posterior, die einer Synovitis bei Partialruptur entsprechen können.

Röntgenologisch können der talokalkaneare Winkel (Normalwert ca. 40°) und der talometatarsale Winkel (Normalwert 0°) in der seitlichen Projektion und der Aufsichtsaufnahme bestimmt werden. Der Fersenauftrittswinkel (Normalwert ca. 20°) ist verkleinert.


Abb. 1.
Klinisches Bild eines Plattfußes mit aufgehobener medialer Längswölbung

Differenzialdiagnose

Coalitio; Schaukelfuß

Therapie

Der Plattfuß ist erst bei Auftreten von Beschwerden behandlungsbedürftig.

Konservative/symptomatische Therapie

Trotz physiotherapeutischer Behandlung und schuhtechnischer Unterstützung der Längswölbung lässt sich die ausgeprägte Störung der Fußkonfiguration nicht ausgleichen.

Medikamentöse Therapie

Ist eine entzündliche Erkrankung des Talonavikulargelenks (z. B. rheumatoide Arthritis) als ursächlich anzunehmen, so kann neben der Basistherapie eine Radiosynoviorthese durchgeführt werden.

Operative Therapie

Im Erwachsenenalter steht bei der Korrektur einer Plattfußdeformität die Reposition und Stabilisierung der medialen Fußsäule im Vordergrund. Bei einer Insuffizienz der Sehne des M. tibialis posterior ist die Augmentation mit der Sehne des M. flexor digitorum longus, die transossär durch das Os naviculare geleitet wird, zu empfehlen. Zusätzlich muss die talonavikulare Gelenkkapsel mit dem Lig. calcaneonaviculare plantare und gegebenenfalls auch Anteile des Lig. deltoideum gerafft werden. Da der reine Weichteileingriff beim Erwachsenen nicht ausreichend ist, muss eine medialisierende Osteotomie des Kalkaneus oder eine Verlängerung der lateralen Säule (Verlängerungsosteotomie des Kalkaneus oder kalkaneokuboidale Interpositionsarthrodese) angeschlossen werden. Fortgeschrittene oder teilkontrakte Deformitäten erfordern eine talonavikulare oder navikulokuneoforme Arthrodese. Oftmals muss zusätzlich die Achillessehne verlängert werden

Dauertherapie

Eine völlige Wiederherstellung der Rückfußkonfiguration und der Rückfußbeweglichkeit ist trotz der operativen Therapie nicht zu erwarten, weshalb physiotherapeutische Behandlungen und individuell angepasstes Schuhwerk meist erforderlich sind.

Bewertung

Dem idiopathischen Plattfuß kommt bei Beschwerdefreiheit keine pathologische Bedeutung zu. Belastungsabhängige Beschwerden erfordern, soweit keine Kontraindikationen vorliegen, jedoch ein rasches operatives Vorgehen, so dass sekundäre Folgen des medialen Fußkollapses (z. B. Valgisierung des Rückfußes) vermieden werden können. Mit den beschriebenen operativen Maßnahmen lässt sich die Längswölbung wieder teilweise aufrichten, wobei allerdings mit einer gewissen Einschränkung der Rückfußbeweglichkeit zu rechnen ist.

Nachsorge

Symptomatische Plattfüße sollten fachärztlich untersucht und diagnostiziert werden, um die geeigneten therapeutischen Maßnahmen einleiten zu können. Auch postoperativ ist nach erfolgter Wiederaufrichtung der Längswölbung eine engmaschige fachärztliche Kontrolle empfehlenswert, um die weitere Entwicklung der Fußstatik beurteilen zu können.

Autor

Renée Fuhrmann

Anzeige

© Springer 2017
Powered by kb-soft