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Knochentuberkulose

Synonyme

Tuberkulöse Osteomyelitis; Morbus Pott

Englischer Begriff

Bone tuberculosis; Skeletal tuberculosis; Bone marrow tuberculosis

Definition

Häufigste spezifische Knocheninfektion, die durch das Mycobacterium tuberculosis hervorgerufen wird.

Pathogenese

Meist innerhalb von drei Jahren (gelegentlich auch wesentlich später) nach der Primärinfektion durch hämatogene oder lymphogene Dissemination auftretende Infektion des Knochens (2–3 % der Tuberkuloseerkrankungen). Häufigste Manifestationsorte sind die Wirbelsäule (50–60 %), aber auch Hüft- und Kniegelenke sowie Hand- und Fußknochen (Spina ventosa).

Symptome

Schleichender Beginn. Schmerzen treten bei Druck, Stauchung, Belastung und Bewegung auf. Selten bestehen auch Ruheschmerzen. Bei Befall im Bereich der Wirbelsäule kommt es zur Gibbusbildung. Das Allgemeinbefinden ist häufig für lange Zeit nicht beeinträchtigt.

Weiterhin bestehen oft große Tagesschwankungen der Körpertemperatur von 1–1,5 °C, wobei Fieber nur bei gleichzeitiger tuberkulöser Lungenerkrankung besteht.

Diagnostik

Laborchemisch besteht eine Lymphozytose und das Blutbild kann eine Linksverschiebung zeigen.

Im Anfangsstadium sind die Veränderungen in der Nativröntgenaufnahme oft gering; die Diagnostik muss gegebenenfalls durch eine Kernspintomographie ergänzt werden.

Charakteristischerweise zeigt sich nativradiologisch eine starke Osteoporose in der Umgebung des Herdes, die fast immer ohne osteosklerotische Begleitreaktion auftritt. Im weiteren Verlauf kommt es zur Verschmälerung der Zwischenwirbelscheiben und zur spindeligen Auftreibung der paravertebralen Weichteile. Die Gelenktuberkulose ist durch Gelenkspaltverschmälerung durch Knorpeleinschmelzung und die gelenknahe Knochenatrophie gekennzeichnet. Die endgültige Diagnose kann erst durch den Nachweis der Erreger aus dem Krankheitsherd gestellt werden.

Differenzialdiagnose

Osteomyelitis bzw. Spondylitis.

Therapie

Im Vordergrund steht die antituberkulöse Kombinationstherapie und die Ruhigstellung, durch die die Ausheilung des floriden Prozesses erreicht werden kann. Bei Abszedierung ist die operative Ausräumung und Spondylodese angezeigt.

Konservative/symptomatische Therapie

Vollständige Ruhigstellung, in der Regel Bettruhe bis zur Ausheilung des floriden Infekts.

Medikamentöse Therapie

Antituberkulöse Kombinationstherapie mit mehreren Medikamenten über mindestens sechs Monate. Bei Knochen- und Gelenktuberkulosen, bei denen ein ausgedehnter Befall vorliegt, sollte die Therapiedauer ausgedehnt werden. Die Standardmedikamente Isoniazid, Rifampizin und Pyrazinamid und ein viertes Medikament sollten in der zwei- bis dreimonatigen Initialphase angewandt werden. Danach wird konsolidierend mit Rifampicin und Isoniazid bis zu einer Behandlungsdauer von mindestens sechs Monaten weiterbehandelt. Beim Verdacht auf das Vorliegen von Resistenzen sollte bis zum Erhalt des Antibiogramms mit bis zu sechs Medikamenten behandelt werden.


Tabelle 1.
Dosierungsrichtlinien für die antituberkulöse Chemotherapie (aus Serke et al).

Medikament

Erwachsene (nach Körpergewicht)[mg/kg KG]

Dosisbereich

[g]

Isoniazid (INH)

5

0,20–0,4

Rifampizin (RMP)

10

0,45–0,6

Pyrazinamid (PZA)

30–35

1,5–2,5

Streptomycin (SM)

15

0,6–1,0

Ethambutol (EMB)

20–25

0,8–2,0

Protionamid (PTH)

10–15

0,5–1,0


Operative Therapie

Die frühe operative anatomisch genaue Herdausräumung eines Prozesses, der noch nicht in das Gelenk durchgebrochen ist, in Kombination mit einer frühzeitigen Synovektomie kann – insbesondere im Wachstumsalter – den Prozess zur Heilung bringen, bevor er irreparable Schäden am Gelenk verursacht hat.

Liegt bereits die vollständige Destruktion eines Gelenks vor, ist die operative Ausräumung des Infekts und gleichzeitige Arthrodese bzw. Spondylodese angezeigt und auch bei floridem Infekt möglich.

Wird die Entzündung durch Knochensequester und nekrotische Wirbelteile unterhalten oder besteht eine Fistel, so ist die chirurgische Sanierung nach den Prinzipien der Therapie der chronischen Ostitis erforderlich.

Dauertherapie

Bei Defektbildung, z. B. von Ankylosen der betroffenen Gelenke, und beim Vorliegen von Wachstumsstörungen ist die orthopädietechnische Versorgung erforderlich.

Bewertung

Aufgrund der modernen antituberkulösen Chemotherapie ist die Knochentuberkulose unter adäquater und rechtzeitiger Therapie beim immunkompetenten Patienten eine gut behandelbare Erkrankung. Problematisch sind zunehmende Resistenzentwicklungen vor allem in Osteuropa und Asien.

Da von der Knochentuberkulose häufig Kinder und Jugendliche betroffen sind und die tuberkulösen Prozesse in der Regel in der Nähe der Epiphysenfugen lokalisiert sind, kann es Wachstumsstörungen mit massiven Beinverkürzungen und Fehlstellungen kommen, die nach Ausheilung zurückbleiben.

Nachsorge

Klinische und laborchemische Kontrollen bis zur vollständigen Ausheilung des Infekts.

Autor

Matthias Bühler, Hergo Schmidt

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