Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Ulna, Defekte

Synonyme

Kongenitaler Ulnadefekt; Reduktionsfehlbildung der Ulna

Englischer Begriff

Ulna hypoplasia; Ulna deficiency; Ulnar clubhand

Definition

Angeborene Erkrankung mit unvollständiger Ausbildung der Ulna.

Vorkommen

Die Hypoplasie der Ulna kommt meist als sporadische Fehlbildung vor. Kombinationen mit anderen muskuloskelettalen Fehlbildungen (radioulnäre Synostose, Aplasie von Fingerstrahlen, Syndaktylie, Radiusköpfchenluxation, Klumpfuß, Fibuladefekt, Femuraplasie) sind häufig. Im Vergleich zur radialen Klumphand ist die ulnare Klumphand im Verhältnis 1 : 10 selten.

Diagnostik

Die Untersuchung der oberen Extremitäten muss neben der Überprüfung der aktiven und passiven Gelenkbeweglichkeit die Stabilitätsüberprüfung im Ellenbogengelenk beinhalten. Oft zeigt sich neben der Instabilität bei älteren Kindern eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit im Ellenbogengelenk durch Luxation des Radiusköpfchens. Ist die Beweglichkeit im Ellenbogengelenk aufgehoben, kann eine radiohumerale oder ulnohumerale Synostose die Ursache sein. Die Achsenverhältnisse des Unterarms können regelrecht sein oder eine nach ulnar gerichtete Fehlstellung zeigen. Der betreffende Unterarm ist meist verkürzt und die Hand weicht im Handgelenk nach ulnar ab. Es können unterschiedliche Aplasien von Fingern, meist ulnarseitig, auftreten.

Röntgenologisch stellt sich die hypoplastische Ulna dar. In seltenen Fällen kann eine radiohumerale Synostose ausgebildet sein. Das Radiusköpfchen kann luxiert sein. Die Radiusepiphyse zeigt eine nach ulnar abfallende Abweichung. Die ulnaren Handwurzelknochen fehlen in unterschiedlichem Ausmaß.

Therapie

Die begleitende Radiusfehlstellung kann bei einer deutlichen Hypoplasie der Ulna eine Indikation zur frühzeitigen operativen Therapie darstellen (innerhalb des ersten Lebensjahrs), da die Achsenfehlstellung im Wachstum zunimmt. Begleitende Radiuskorrekturosteotomien sind möglich. Ist das Radiusköpfchen bei einem stabilen Ellenbogengelenk luxiert und führt zu einer deutlichen Funktionseinschränkung des Ellenbogengelenks, kann eine Resektion des Radiusköpfchens erforderlich sein. Bei instabilen Ellenbogengelenken kann nach Osteotomie des Radius eine Fusion zwischen proximaler Ulna und distalem Radius durchgeführt werden, die ein späteres Entfernen des luxierten Radiusköpfchens ermöglicht.

Konservative/symptomatische Therapie

Eine Orthesen- oder Schienenbehandlung kann hilfreich sein, um die Entwicklung der Achsenfehlstellung des Radius zu verzögern oder zu reduzieren.

Operative Therapie

Die Resektion der hypoplastischen und meist fibrösen peripheren Ulnaanlage beginnt distal am Karpus. Begleitend ist eine weichteilige Stabilisation des ulnaren Karpus und Handgelenks erforderlich. Bei älteren Kindern kann je nach Achsenabweichung des Radius zusätzlich eine Korrekturosteotomie erforderlich werden. Radiohumerale Synostosen, die zu einer funktionell ungünstigen Unterarmdrehung führen, werden durch eine Rotationsosteotomie des Radius korrigiert. Die Indikation zur Resektion des Radiusköpfchens wird zurückhaltend gestellt und darf nur bei stabilem Ellenbogengelenk ausgeführt werden. Eine andere Versorgungsmöglichkeit bei instabilem Ellenbogengelenk ist die proximale Querosteotomie des Radius, der nach paralleler Ausrichtung zur Ulna mit dem vorhandenen proximalen Ulnaanteil fusioniert wird. Die Stabilisation kann mit Rush-Pins oder Kirschner-Drähten erfolgen. In einer zweiten Sitzung kann das luxierte Radiusköpfchen entfernt werden.

Bewertung

Die Hypoplasie der Ulna stellt eine deutliche Funktionsbehinderung der betreffenden oberen Extremität dar, wobei die Funktion auch durch die begleitenden Deformitäten bestimmt wird.

Nachsorge

Nach der radioulnaren Synostose ist eine Immobilisation des Arms in einer Oberarmgipsschiene über mehrere Wochen (vier Wochen) erforderlich. Eine physiotherapeutische Nachbehandlung ist zur Gebrauchsschulung sinnvoll. Die Kinder sollten bis zum Wachstumsabschluss in fachärztlicher Behandlung verbleiben.

Autor

Renée Fuhrmann