Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Amputation

Synonyme

Gliedmaßenverlust; Gliedmaßenteilverlust

Englischer Begriff

Amputation

Definition

Angeborener oder erworbener Verlust eines Teils oder einer ganzen Extremität. Ursachen sind heute meist Durchblutungsstörungen (periphere arterielle Verschlusskrankheit, Morbus Bürger, Vaskulitiden, Embolien etc.) oder der Diabetes mellitus. Seltener geworden sind Amputationen durch verbesserte traumatologische Behandlungstechniken nach Unfällen, malignen Tumoren. Ausnahmeindikationen sind rezidivierende Infektionen, insbesondere im Knochenbereich, nach Gasbrand, Amputationen nach Verbrennungen oder Stromschäden oder bei nicht mehr funktionstüchtigen Extremitäten. Weitere Indikationen können sein die Algodystrophie sowie (in Europa seltener als in den Vereinigten Staaten) angeborene Fehlbildungen; leider zunehmend häufig werden Amputationen infolge von Kriegsverletzungen, speziell nach Minen- oder Granatverletzungen.

Indikation

Wenn der Erhalt einer Extremität nicht mehr möglich oder sinnvoll ist.

Kontraindikation

Bei der geringsten Chance, eine Extremität zu erhalten.

Durchführung

Folgende Grundsätze müssen beachtet werden:

  • möglichst peripher amputieren;
  • je höher das Amputationsniveau, desto schlechter die Rehabilitationsmöglichkeiten, speziell der Verlust des Kniegelenks ist besonders problematisch;
  • der Operateur muss über Erfahrungen über alle Amputationshöhen, aber auch die prothetische Versorgung verfügen;
  • vor der Operation bereits Besprechung im Team mit Orthopädietechniker und Physiotherapeut, wobei die Indikation der Amputationshöhe nicht vom Orthopädietechniker gestellt wird;
  • Auswahl der Amputationshöhe aus Synopsis von klinischem Befund, angiographischem Befund, Lokalbefund, gegebenenfalls transkutaner Sauerstoffdruckmessung;
  • auf gute Weichteildeckung achten;
  • möglichst Endbelastungsfähigkeit des Stumpfs und Erhalt der Sensibilität anstreben, dabei möglichst Deckung mit sensibler Eigenhaut;
  • beim Wundverschluss Spannung vermeiden;
  • Narbe möglichst außerhalb der späteren Belastungszone legen;
  • Knochendurchtrennung mit gekühlter Säge;
  • Glättung des Knochenrands mit Luer-Knochenzange, Abrundung der Knochenkanten, je nach Belastungsanforderung;
  • bei durchspießungsgefährdeten Oberarm-, Oberschenkel- und Unterschenkelstümpfen bei Kindern und Jugendlichen gegebenenfalls Stumpfkappenplastiken;
  • Nervenendigungen nur knapp oberhalb des knöchernen Stumpfendes kürzen, aber aus der Belastungszone auf jeden Fall herausverlegen, alle größeren Nerven mit Ligatur versorgen(Nerven dort amputieren, wo das Neurom sich druckgeschützt entwickeln kann und nicht in Narben hereinwächst);
  • Absetzen von Blutgefäßen 1–2 cm proximal des Knochenstumpfs;
  • Versuch der Fixation der Muskulatur am knöchernen Stumpfende, im Idealfall Myoplastik über dem Stumpfende zur besseren Deckung und physiologischeren Funktion. Myoplastik besonders am Oberschenkel wichtig (Adduktor magnus möglichst fixieren).

Nachbehandlung

  • Spannungsfreie Wundverbände;
  • gute Drainage;
  • wenn notwendig Verbandwechsel am postoperativen Tage, sonst bei durchblutungsgestörten Patienten auf jeden Fall am ersten postoperativen Tag;
  • bei belastungsfähiger Wunde frühzeitiger Beginn mit Stumpfödemausschwemmung durch gekonnte Bandagierungen, Frühprothesenversorgung bzw. pneumatische Übungsprothesen, gegebenenfalls auch Liner-Therapie;
  • Wunde erst bei Belastungsfähigkeit in der Prothese belasten;
  • frühzeitige stationäre Rehabilitationsbehandlung zum intensiven Training und zur Prothesenversorgung (Verlegung möglichst ohne Prothese in die Rehabilitation).

Autor

Bernhard Greitemann

FA Orthopädie, Physikalische und rehabilitative Medizin, Chefarzt und Ärztlicher Direktor Klinik Münsterland am Reha-Klinkum Bad Rothenfelde der DRV
Vorsitzender Vereinigung Techn. Orthopädie der DGOU und DGOOC
Vorsitzender Beratungsausschuss der DGOOC für das Orthopädieschuhtechnikhandwerk