Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Gehorthese

Synonyme

Oberschenkelorthese; Gehapparat; Thomas-Schiene; Thomas-Splint

Englischer Begriff

Walking orthosis

Definition

Modularer Schienen-Schellen-Hülsen-Apparat mit regulierbaren Gelenken zur Stabilisierung, Führung, Korrektur oder Entlastung des Beins. Übergeordnetes Ziel ist die Erhaltung der Mobilität.

Indikation

Gelenkinstabilitäten, Paresen der Beinmuskulatur, Postpoliosyndrom, Spina bifida, traumatische Querschnittslähmung, Fehlbildungen, Morbus Perthes.

Kontraindikation

Erhebliche Kontrakturen, schwere Gelenkdeformitäten, Gleichgewichtsstörungen, schwere Skoliosen, Hyperkinesen, instabile Frakturen, Luxationen, nicht-belastbare obere Extremitäten, Adipositas permagna.

Durchführung

Die Orthesen werden in der Regel im Bausatzverfahren aus industriellen Produkten (z. B. Gelenke, Schienen, Schellen, Verschlüsse) und aus individuell nach Gipsabdruck angefertigten Komponenten (z. B. Hülsen) hergestellt. In der klassischen Ausführung bestehend aus Beckenführungsteil, lateraler und medialer Schiene, regulierbaren Hüft-, Knie- und Sprunggelenken sowie Sandale. Je nach Indikation sind die Kniegelenke beim Gehen frei oder gesperrt (z. B. bei vollständigem Ausfall der Kniemuskulatur). Neue Werkstoffe wie Carbonfiber, unilaterale Titanschienen und -gelenke erhöhen den Tragekomfort bei gleichzeitiger Gewichtsersparnis und verbesserter Optik. Eine Beinlängendifferenz kann durch eine Spitzfußbettung und ein entsprechendes Fußpassteil mit Abrollhilfe ausgeglichen werden.

Zusätzliche Gummizügel können insuffiziente Muskelfunktionen zum Teil kompensieren (z. B. Glutäuszügel beim Ausfall der Hüftstrecker). Soll das Hüftgelenk entlastet werden, ist eine Oberschenkelhülse mit Tuberaufsitz oder eine tuberumgreifende längsovale Hülse erforderlich. Beidseitige, durch ein Beckenführungsteil gekoppelte Orthesen sind möglich. Bei der reziproken Gehorthese sind beide Hüftgelenke über Zug- und Druckkabel miteinander verbunden, um während des Gehzyklus eine synchronisierte Beckenrotation zu ermöglichen. Damit wird das Gangbild physiologischer bei geringerem Energieaufwand.

Nachbehandlung

Gangschulung unter physiotherapeutischer Anleitung, Kontrolle auf richtigen Sitz, Druckstellen, Verschleiß.

Autor

Rolf Haaker, Michael Kamp

Email: r.haaker@khwe.de
http://www.khwe.de
https://www.klinik-bewertungen.de.../erfahrung-mit-st-vincenz-hospital-brakel
Prof. Dr. R. Haaker
CA der Klinik für Orthopädie,
Rheumatologie, Traumatologie
Schwerpunkte: Primär- und Wechselendoprothetik,aller großen Gelenke; Fuß-, Kinder-, Rheumaorthopädie
Sportverletzungen, Wirbelsäulenerkrankungen