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Vorfußadduktion

Synonyme

Metatarsus adductus

Englischer Begriff

Metatarsus adductus; Bean-shaped foot

Definition

Adduktion der Mittelfußknochen, wobei der erste Mittelfußknochen meist am stärksten betroffen ist.

Vorkommen

Die Adduktion des Mittelfußes kann als isolierte angeborene Deformität (Pes metatarsus varus) vorkommen. Weiterhin ist die Adduktion des Mittelfußes Bestandteil des angeborenen Klumpfußes. Sekundär kann sich eine Vorfußadduktion infolge einer Lähmung der peronealen Muskelgruppe oder der Fuß- und Zehenheber entwickeln.

Diagnostik

Klinisch imponiert bei der angeborenen Form der Vorfußadduktion eine medial gerichtete Abweichung der Mittelfußknochen in Höhe der Tarsometatarsalgelenke, die oft von einer Formstörung der Ossa cuneiformia begleitet ist. Der laterale Fußrand ist bogenförmig konfiguriert. Die Adduktion der Mittelfußknochen kann flexibel oder kontrakt und mit unterschiedlichen Rückfußkonfigurationen kombiniert sein (z. B. varische Rückfußeinstellung beim Klumpfuß oder valgische Rückfußeinstellung beim Sichelfuß).

Röntgenologisch lässt sich die ehemalige Klumpfußfehlstellung beispielsweise durch den erniedrigten talokalkanearen Winkel bestätigen, der beim Sichelfuß regelrecht ausgebildet ist. Das Ausmaß der Mittelfußadduktion kann bestimmt werden, wobei der Winkel zwischen der Schafthalbierenden des ersten Mittelfußstrahls in der Aufsichtsaufnahme mit der Taluslängsachse gebildet wird (Normalwert 0°).

Differenzialdiagnose

Klumpfuß; Serpentinenfuß; Sichelfuß

Therapie

Die Behandlung der angeborenen Vorfußadduktion ist zunächst konservativ. Nur wenige und schwere Deformitäten erfordern eine spätere operative Therapie, die den Behandlungsrichtlinien des Pes metatarsus adductus entspricht. Hat sich die Fußkonfiguration nach zwei bis drei Jahren nicht normalisiert, sind operative Maßnahmen indiziert. Liegen der Vorfußadduktion neuromuskuläre Ursachen zugrunde, können Transpositionen von Sehnen hilfreich sein. Nur selten sind knöcherne Korrekturen erforderlich.

Akuttherapie

Angeborene kontrakte Deformitäten werden unmittelbar nach der Geburt etappenweise im Unterschenkel- oder Oberschenkelgipsverband redressiert.

Konservative/symptomatische Therapie

Ist die Vorfußadduktion noch flexibel, sind Nachtschienen oder dynamische Orthesen bis zum Erreichen des Laufalters empfehlenswert. Parallel dazu sind Übungsbehandlungen auf neurophysiologischer Ebene indiziert. Besteht unverändert eine vermehrte mediale Abweichung des ersten Mittelfußstrahls, können bis zum Alter von zwei bis drei Jahren konfektionierte Antivarusschuhe oder Dreibackeneinlagen angepasst werden. Anschließend werden der konservativen Therapie keine Erfolgsaussichten mehr zugeschrieben.

Operative Therapie

Die Adduktion des Mittelfußes kann ab einem Alter von zwei Jahren mit operativen Weichteileingriffen therapiert werden. Dazu gehören das Release des M. abductor hallucis und ein Release des Tarsometatarsalgelenks mit anschließender mehrwöchiger Gipsimmobilisation in Korrekturstellung. Sind alle Mittelfußknochen von der medialen Adduktion betroffen, kann ein ausgedehntes Release aller Tarsometatarsalgelenke (Operation nach Heyman-Herndon) vorgenommen werden. Knöcherne Eingriffe (basisnahe Korrekturosteotomien der Mittelfußknochen, ausklappende Osteotomie des Os cuneiforme mediale und schließende Osteotomie des Os cuboideum) sind Kindern im Vorschulalter und frühen Schulalter vorbehalten.

Handelt es sich um eine Vorfußadduktion im Rahmen einer angeborenen Klumpfußdeformität, ist auch ein hälftiger Transfer der Sehne des M. tibialis anterior auf das Os cuneiforme intermedium möglich, um die abduzierenden Kräfte auf den Mittelfuß zu erhöhen.

Ist die Vorfußadduktion auf eine Lähmung der peronealen Muskelgruppe bzw. der Fuß- und Zehenheber zurückzuführen, kann eine transmembranöse Verlagerung der Sehne des M. tibialis posterior erfolgen. Neben der teilweisen Wiederherstellung der Fußhebung kann die flexible Vorfußadduktion ausgeglichen werden.

Dauertherapie

Vor allem die Weichteileingriffe zur Behandlung der angeborenen Deformitäten bedürfen einer mehrjährigen Nachbehandlung, die in Physiotherapie, Nachtschienen, dynamischen Orthesen, Dreibackeneinlagen oder so genannten Antivarusschuhen bestehen. Nach Abschluss der Behandlung sind vorübergehend Einlagen, Schuhzurichtungen oder selten orthopädisches Schuhwerk erforderlich, um die Funktion des Fußes zu verbessern und das Gehen zu erleichtern.

Die motorischen Ersatzoperationen zur Behandlung neuromuskulärer Defizite bedürfen meist einer dauerhaften orthetischen Versorgung oder einer individuellen Schuhversorgung.

Bewertung

Bei 15–20 % der angeborenen kontrakten Adduktionsfehlstellungen des Mittelfußes ist mit einer unzureichenden Korrektur bzw. mit Rezidiven zu rechnen, die operativ korrigiert werden sollten. Die hälftige Verlagerung der Sehne des M. tibialis anterior zum Ausgleich einer flexiblen Vorfußadduktion bei Klumpfuß wird zunehmend zurückhaltend durchgeführt, da Überkorrekturen häufig eine Rückverlagerung erforderlich machten.

Nachsorge

Bei angeborenen Deformitäten sollte bis zur Normalisierung der Fußform eine engmaschige fachärztliche Kontrolle erfolgen. Dies gilt insbesondere zur Gewährleistung der fachgerechten konservativen Therapie sowie zur Indikationsstellung operativer Maßnahmen.

Bei erworbener Vorfußadduktion des Erwachsenen ist eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle erforderlich, um die orthetischen Maßnahmen bzw. die Schuhversorgung überprüfen und anpassen zu können.

Autor

Renée Fuhrmann

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