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Spondylitis

Synonyme

Spondylodiszitis; Wirbelentzündung; Bandscheibenentzündung

Englischer Begriff

Spondylitis; Diskitis

Definition

Spondylitis: entzündliche Veränderung eines oder mehrerer Wirbelkörper.

Spondylodiszitis: entzündliche Veränderung eines oder mehrerer Wirbelkörper mit den zugehörigen Bandscheiben.

Siehe auch Wirbelsäulenosteomyelitis.

Pathogenese

Die Ursache für eine Spondylitis bzw. Spondylodiszitis kann in einer bakteriellen (z. B. Staphylokokken, Salmonellen, Neisserien, Brucellen), mykotischen, viralen oder parasitären Absiedelung (meist hämatogene Streuung) liegen. Möglich ist aber auch eine iatrogene Infektion nach vorausgegangenem operativem Eingriff. Oftmals gelingt kein Erregernachweis (Spondylitis fugax), so dass die Spondylitis bzw. Spondylodiszitis ätiologisch ungeklärt bleiben. Der Wirbelkörper (Spondylitis) ist meist mit der angrenzenden Bandscheibe (Spondylodiszitis) von der entzündlichen Veränderung (Ostitis, Osteomyelitis) betroffen. Die entzündliche Destruktion betrifft nahezu regelhaft die vorderen Wirbelkörperanteile, während die Wirbelbögen, Wirbelgelenke, Quer- und Dornfortsätze nur selten beteiligt sind. Die Ausbildung von Keilwirbeln oder Blockwirbeln ist möglich. Paravertebrale (selten epidurale) Abszedierungen oder Senkungsabszesse entlang der Muskelloge des M. psoas sind möglich. Eine Spondylodiszitis ist im Kindesalter durch die oft noch eigenständige Perfusion der Bandscheibe häufig (viertes bis zehntes Lebensjahr).

Symptome

Blande und klinisch nahezu unauffällige Verläufe sind ebenso wie schwere septische Krankheitsverläufe möglich. Eine bakterielle Spondylitis bzw. Spondylodiszitis kann neben einer hochgradigen lokalen Schmerzsymptomatik (Rückenschmerzen) im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt von Allgemeinsymptomen (Fieber, Abgeschlagenheit) und laborchemisch erhöhten Entzündungswerten begleitet sein. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist hochgradig schmerzhaft eingeschränkt. Radikuläre Beschwerden, neurologische Defizite oder eine Querschnittssymptomatik sind vergleichsweise selten, aber bei Ausbildung eines epiduralen Abszesses möglich.

Diagnostik

Die klinischen Untersuchungsbefunde können stark variieren. Betroffen ist meist der thorakolumbale Wirbelsäulenabschnitt. Abgesehen von einer diskreten Klopfschmerzhaftigkeit kann die Beweglichkeit der Wirbelsäule uneingeschränkt sein. Ebenso können je nach Ausprägung der Erkrankung bei akutem Verlauf erhebliche Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit bei nahezu aufgehobener Beweglichkeit des Wirbelsäulenabschnitts mit fixierter Schonhaltung imponieren. Äußerliche Entzündungszeichen (Überwärmung, Rötung) fehlen meist. Die paravertebrale Muskulatur weist reflektorisch einen deutlich erhöhten Tonus auf. Bei längeren Krankheitsverläufen ist die Ausbildung einer fixierten Kyphose möglich.

Röntgenologisch kann sich je nach Stadium und Ausprägung der Spondylitis bzw. Spondylodiszitis ein unterschiedliches morphologisches Bild zeigen. Meist ist im Gegensatz zur Spondylitis tuberculosa nur ein Wirbelkörper (Spondylitis) oder ein Bewegungssegment (Spondylodiszitis) betroffen (Abb. 1). Unregelmäßige Begrenzungen der Grund- und Deckplatten mit Osteolysen oder fleckförmigen subchondralen Sklerosierungen sind typisch. Der asymmetrische Verlust der Wirbelkörperhöhe mit Verschmälerung des Zwischenwirbelraums ist späteren Stadien vorbehalten. Hyperostotische Veränderungen der vorderen Wirbelkörperanteile mit scheinbarer Aufweitung des ventralen Zwischenwirbelraums sind ebenfalls möglich und können typisch für eine Brucellose (Morbus Bang) sein. Mithilfe der Kernspintomographie lassen sich die initialen Veränderungen (Knochenmarködem) in unmittelbarer Nähe zu den Grund- und/oder Deckplatten abgrenzen. Weiterhin kann eine Mitbeteiligung neuraler Strukturen bzw. die Ausbildung eines epiduralen Abszesses ausgeschlossen werden.


Abb. 1.
Radiologische Darstellung der Spondylodiszitis im unterem Lumbalbereich

Eine diagnostische Sicherung ist durch eine Punktion und anschließende histologische und mikrobiologische Aufarbeitung des Präparats anzustreben.

Differenzialdiagnose

Tumoröse Destruktion, Histiozytose, Sarkoidose.

Therapie

Die Behandlung der Spondylitis bzw. Spondylodiszitis besteht in einer Immobilisation des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts und der gezielten mehrwöchigen oder mehrmonatigen antibiotischen Therapie. Die Entscheidung zwischen konservativen und operativen Behandlungsformen richtet sich nach der Lokalisation der Spondylitis, dem Ausmaß der knöchernen Destruktion, eventuell vorliegenden neurologischen Defiziten und Allgemeinsymptomen. Bei Kindern und Jugendlichen überwiegen die konservativen Therapiemaßnahmen.

Akuttherapie

Analgetika, Antiphlogistika. Liegt eine akute Spondylitis mit septischen Allgemeinsymptomen vor, sollte auch vor der Keimbestimmung und Resistenztestung bereits eine breit wirksame antibiotische Therapie erfolgen. Liegen neurologische Defizite vor, ist ein operatives Vorgehen indiziert.

Konservative/symptomatische Therapie

Grundsätzlich ist eine gezielte mehrwöchige oder mehrmonatige antibiotische Therapie erforderlich. Betrifft die Spondylitis bzw. Spondylodiszitis die untere Halswirbelsäule oder die obere bzw. mittlere Brustwirbelsäule, ist auch bei struktureller Veränderung der betreffenden Wirbelkörper meist ein konservatives Vorgehen möglich. Dies besteht in einer kurzfristigen (mehrtägigen) Immobilisation und der anschließenden funktionellen Behandlung unter Immobilisation mit einer Orthese oder einem Korsett. Betrifft der entzündliche Prozess den thorakolumbalen Bereich, ist eine längerfristige Immobilisation (sechs bis zwölf Wochen) mit anschließender Korsettversorgung erforderlich. Wegen der vergleichsweise langen Behandlungszeit ist hier eher das operative Vorgehen indiziert. Entzündliche Veränderungen des Lendenwirbelsäulenbereichs oder des lumbosakralen Übergangs werden in aller Regel wegen der mangelnden Möglichkeit zur Immobilisation operativ behandelt. Kommt es unter der konservativen Therapie zu einer Zunahme der ossären Destruktion, der Ausbildung einer Instabilität oder ausbleibender bzw. unzureichender knöcherner Ausheilung, ist ebenfalls ein operatives Vorgehen indiziert.

Medikamentöse Therapie

Antibiotika nach mikrobiologischer Keimbestimmung und Resistenztestung. Nur bei hochakuten Verlaufsformen mit septischen Allgemeinsymptomen ist eine breit wirksame Antibiotikatherapie auch ohne vorherige Keimbestimmung sinnvoll.

Operative Therapie

Auch wenn bei Befall des thorakolumbalen Wirbelsäulenabschnitts sowohl konservative als auch operative Therapiemaßnahmen möglich sind, ist dem operativen Vorgehen wegen der bekannten Risiken einer längerfristigen Immobilisation durch Bettruhe der Vorzug zu geben. Die Spondylitis des lumbalen und lumbosakralen Bereichs stellt eine Operationsindikation dar. Kommt es unabhängig von der Lokalisation während der konservativen Therapie zu neurologischen Ausfällen, einer Zunahme der knöchernen Destrukton, Ausbildung einer Instabilität des Bewegungssegments oder unzureichender knöcherner Konsolidierung, ist ebenfalls das operative Vorgehen zu favorisieren.

Die gängigste Operationsmethode ist die ventrale Herdausräumung mit Auffüllung des knöchernen Defekts und die ventrale oder dorsale Stabilisierung.

Bewertung

Das konservative Vorgehen ist in den letzten Jahren zunehmend durch operative Stabilisierungsmaßnahmen ersetzt worden. Damit sind zügige Mobilisation und funktionelle Behandlung möglich.

Nachsorge

Bei positivem Keimnachweis ist in der Regel eine mehrwöchige gezielte antibiotische Therapie erforderlich. Konservative und operative Maßnahmen haben die stabile Ausheilung des betroffenen Wirbelsäulensegments zum Ziel, so dass nach Ausheilung (drei bis sechs Monate) keine äußere Immobilisation mehr erforderlich ist.

Autor

Renée Fuhrmann

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