Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Varusferse, Sichelfuß

Synonyme

Rückfußvarus mit Metatarsus adductus

Englischer Begriff

Bean-shaped foot

Definition

Adduktion der Mittelfußknochen in Kombination mit einer varischen Einstellung des Rückfußes.

Vorkommen

Ist ein Pes metatarsus adductus (Sichelfuß) mit einer varischen (invertierten) Einstellung des Rückfußes kombiniert, handelt es sich in aller Regel um eine residuale Deformität nach Behandlung eines Klumpfußes.

Diagnostik

Klinisch imponiert beim Pes metatarsus adductus eine medial gerichtete Abweichung der Mittelfußknochen in Höhe der Tarsometatarsalgelenke, die oft von einer Formstörung der Ossa cuneiformia begleitet ist. Der laterale Fußrand ist bogenförmig konfiguriert. Während der Rückfuß beim Pes adductus oder Serpentinenfuß eher valgisch (evertiert) orientiert ist, befindet sich der Rückfuß nach Behandlung einer Klumpfußdeformität in varischer (invertierter) Stellung. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk ist beim Sichelfuß regelrecht, nach einer Klumpfußdeformität jedoch meist eingeschränkt. Ein weiteres Unterscheidungskriterium zum Sichelfuß ist die Wadenatrophie, die typisches Kennzeichen einer ehemaligen Klumpfußdeformität ist.

Röntgenologisch lässt sich die ehemalige Klumpfußfehlstellung beispielsweise durch den erniedrigten talokalkanearen Winkel bestätigen, der beim Sichelfuß regelrecht ausgebildet ist. Das Ausmaß der Mittelfußadduktion kann bestimmt werden, wobei die Schafthalbierende des ersten Mittelfußstrahls in der Aufsichtsaufnahme mit der Taluslängsachse einen nach medial offenen Winkel bildet (Normalwert 0°).

Differenzialdiagnose

Klumpfuß; Serpentinenfuß; Sichelfuß

Therapie

Die Behandlung des Pes metatarsus varus als Residuum des Klumpfußes ist zunächst konservativ. Nur wenige und schwere Deformitäten erfordern eine spätere operative Therapie, die den Behandlungsrichtlinien des Pes metatarsus adductus entspricht. In Abhängigkeit vom Alter und der Flexibilität des varisch orientierten Rückfußes sind konservative Maßnahmen (Redression) oder operative Therapieverfahren indiziert.

Konservative/symptomatische Therapie

Ist die Vorfußadduktion noch flexibel, sind Nachtschienen oder dynamische Orthesen bis zum Erreichen des Laufalters empfehlenswert. Parallel dazu sind Übungsbehandlungen auf neurophysiologischer Ebene indiziert. Besteht unverändert eine vermehrte mediale Abweichung des ersten Mittelfußstrahls, können bis zum Alter von zwei bis drei Jahren konfektionierte Antivarusschuhe oder Dreibackeneinlagen angepasst werden. Anschließend werden der konservativen Therapie keine Erfolgsaussichten mehr zugeschrieben.

Die varische Rückfußfehlstellung muss nach abgeschlossener konservativer Behandlung der Klumpfußdeformität meist einer operativen Therapie zugeführt werden, da es sich in aller Regel um eine kontrakte Deformität handelt.

Operative Therapie

Zur Behandlung des Rückfußvarus können in Abhängigkeit vom Alter des Kindes und der Vorbehandlung ein Release des Talonavikulargelenks, eine Verlängerung des M. tibialis posterior und des M. abductor hallucis sowie ein Release der Plantarfaszie durchgeführt werden. Von lateral kann eine Tenolyse der Peronealsehnen und ein Release des Kalkaneokuboidalgelenks erforderlich werden. Die Reposition des Rückfußes kann über Kirschner-Drähte gesichert werden. Postoperativ ist eine Immobilisation im Oberschenkelgipsverband über sechs Wochen erforderlich, bevor mit Physiotherapie und Lagerungsschienen begonnen werden kann.

Sekundäre kontrakte Deformitäten bei älteren Kindern oder Erwachsenen müssen meist knöchern korrigiert werden. Dies ist je nach Befund mit einer lateralen Keilentnahme aus dem Kalkaneus oder dem Os cuboideum oder entsprechenden Korrekturarthrodesen des Rückfußes bzw. der Fußwurzel möglich.

Die Adduktion des Mittelfußes kann ab einem Alter von zwei Jahren mit operativen Weichteileingriffen therapiert werden. Dazu gehören das Release des M. abductor hallucis und ein Release des Tarsometatarsalgelenks mit anschließender mehrwöchiger Gipsimmobilisation in Korrekturstellung. Sind alle Mittelfußknochen von der medialen Adduktion betroffen, kann ein ausgedehntes Release aller Tarsometatarsalgelenke (Operation nach Heyman-Herndon) vorgenommen werden. Knöcherne Eingriffe (basisnahe Korrekturosteotomien der Mittelfußknochen, ausklappende Osteotomie des Os cuneiforme mediale und schließende Osteotomie des Os cuboideum) sind Kindern im Vorschulalter und frühen Schulalter vorbehalten.

Dauertherapie

Vor allem die Weichteileingriffe bedürfen einer mehrjährigen Nachbehandlung, die in Physiotherapie, Nachtschienen, dynamischen Orthesen, Dreibackeneinlagen oder so genannten Antivarusschuhen besteht. Nach Abschluss der Behandlung sekundärer Klumpfußdeformitäten sind Einlagen, Schuhzurichtungen oder selten orthopädisches Schuhwerk erforderlich, um die Funktion des Fußes zu verbessern und das Gehen zu erleichtern.

Bewertung

Bei 15–20 % der kontrakten Adduktionsfehlstellungen des Mittelfußes ist mit einer unzureichenden Korrektur bzw. mit Rezidiven zu rechnen, die operativ korrigiert werden sollten. Bei den Klumpfußdeformitäten ist bei etwa der Hälfte der Kinder mit einer verbleibenden Rückfußfehlstellung zu rechnen, die oftmals ebenfalls einer operativen Therapie bedarf.

Nachsorge

Nach Stellung der Diagnose sollte bis zur Normalisierung der Fußform eine engmaschige fachärztliche Kontrolle erfolgen. Dies gilt insbesondere zur Gewährleistung der fachgerechten konservativen Therapie als auch zur Indikationsstellung operativer Maßnahmen.

Autor

Renée Fuhrmann