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Spätinfekt

Synonyme

Sekundärer Infekt

Englischer Begriff

Late-onset infection

Definition

Infektion, bei der erstmals 4 Wochen nach erfolgter Osteosynthese Infektionszeichen nachweisbar sind. Spätinfektionen können auch erste Monate oder Jahre nach der Osteosynthese auftreten.

Pathogenese

Es bestehen drei mögliche Infektionswege:

verdeckte Frühinfektion (relativ selten), die sich aufgrund einer guten Infektionsabwehr des Organismus oder aufgrund geringer Virulenz des Keimes sehr langsam entwickelt und erst als „Spätinfektion“ symptomatisch wird.

sekundäre Infektion des Implantates über einen Hautweichteildefekt oder -infekt bzw. eine Nekrose (häufig). Es erfolgt die Fortleitung der Infektion per continuitatem von der Oberfläche über die primär nicht betroffenen Subkutanschicht und die Fascie bis zur Osteosynthese in der Tiefe. Weiterhin können in Organisation befindliche Hämatome sekundär infiziert werden.

Hämatogene Infektion nach Bakteriämie (gelegentlich), aus einem häufig bis dahin asymptomatischen Focus.

Symptome

Im Bereich der Operationsnarbe kommt es zu Rötung, Schwellung und schmerzbedingter Funktionsstörung. Die Symptomatik ist häufig nur dezent ausgeprägt. Erneute Wundsekretionen aus bereits verschlossenen Wunden weisen auf das Vorliegen einer Infektion hin. Eine putride Wundsekretion ist der Beweis einer Infektion.

Laborveränderungen mit Leukozytose, CRP-Erhöhung und Senkungsbeschleunigung können, müssen aber nicht vorliegen.

Diagnostik

Allgemeine körperliche Untersuchung und Lokalbefund. Labordiagnostik mit Blutbild, CRP und Blutkörpersenkungsgeschwindigkeit. Bei schwerer Symptomatik komplette Labordiagnostik zur frühzeitigen Sicherung bzw. Ausschluss einer generalisierten Sepsis.

Röntgenübersichtsaufnahmen der Verletzungsregion in 2 oder mehr Ebenen, die mit den Voraufnahmen verglichen werden müssen.

Sonographischer Nachweis von Flüssigkeitsansammlungen, Punktion und Abstrichentnahme zur mikrobiologischen Untersuchung.

In einzelnen Fällen kann die Diagnostik durch eine Dreiphasenszintigraphie, Leukozytenszintigraphie, CT oder MRT ergänzt werden.

Insbesondere bei Spätinfektionen, die erst Monate oder Jahre nach der Osteosynthese auftreten, sollten Begleiterkrankungen aufgedeckt und eine Focussuche durchgeführt werden, bei der speziell Zahngranulome, NNH- und Harnwegs- und Hautinfektionen ausgeschlossen werden sollten.

Differenzialdiagnose

Aseptische Materiallockerung

Therapie

Chirurgisch

Akuttherapie

Kühlung und Schmerzmedikation, Entlastungspunktion bei Flüssigkeitsverhalt, baldmöglichst operative Versorgung zum Nachweis und zur Therapie der Infektion

Konservative/symptomatische Therapie

In ausgewählten Einzelfällen kann eine empirische antibiotische Therapie begonnen werden. Ein Rückgang der Infektzeichen ist beweisend für eine bakterielle Infektion, eine operative Therapie schließt sich an.

Medikamentöse Therapie

Die antibiotische Therapie wird erst nach Gewinnung von Material zur mikrobiologischen Untersuchung begonnen.

Operative Therapie

Implantatinfektion bei Teil- oder Vollstabilität (selten): es erfolgt zunächst die Metallentfernung, ein sorgfältiges Weichteildébridement mit Abnahme von Abradaten für die mikrobiologische Untersuchung und eventuell die Sequestrektomie von Plattenlagersequestern. Danach muss die Stabilität erneut kritisch geprüft und ggf. eine interne Reosteosynthese oder die Transfixation mit Fixateur externe durchgeführt werden. Bei Gelenkbeteiligung muss zusätzlich eine Synovektomie durchgeführt werden. Lokale und systemische Antibiose.

Spätinfektion mit liegendem Implantat bei Instabilität: Es handelt sich um eine Komplexproblematik, ggf. ist die Verlegung des Patienten in ein entsprechendes Zentrum zu erwägen. Zunächst muss ein individueller Behandlungsplan, der in der Regel aus einer geplanten Etappenrevision besteht, erstellt werden und prinzipiell der Reihenfolge erstens Infektionsberuhigung, zweitens Haut-/Weichteildefektverschluss sowie Knochendefektaufbau (z. B. durch sekundäre Spongiosaplastik) folgen sollte. Dabei kommt die gesamte Palette der Rekonstruktionschirurgie zum Einsatz.

Dauertherapie

Bei eingeschränkter Operationsfähigkeit des Patienten kann eine antibiotische Dauertherapie in Betracht gezogen werden. Hiermit kann in der Regel nur eine Suppression und keine Heilung des Infektes erreicht werden. Bei chronisch-infizierten Endoprothesen kann die kontrollierte Anlage einer Fistel, z. B. als Dauerdrainage, erforderlich sein.

Nachsorge

Gemäß der Infektausdehnung, Infektursache und dem vorhandenen Implantat.

Autor

Matthias Bühler, Hergo Schmidt

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