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Metatarsalfrakturen

Englischer Begriff

Metatarsal bone fracture

Definition

Fraktur der Metatarsalknochen.

Pathogenese

Akutes Trauma oder Stressfraktur. Ursache für ein akutes Trauma sind häufig herabfallende Gegenstände, Vorfußdistorsion, Verkehrsunfälle und Überrolltraumata. Ist das Trauma gering, ist eine Dislokation initial und im Verlauf selten. Die Metatarsalia sind intermetatarsal und tarsometatarsal durch starke Bänder fixiert und zwischen der intrinsischen Muskulatur relativ stabil eingebettet. Ausnahmen sind subkapitale Metatarsalfrakturen, welche leicht nach dorsal dislozieren.

Bei schwerem Trauma sind häufig mehrere Metatarsalia betroffen und die Weichteilbeteiligung spielt eine übergeordnete Rolle. Zudem kommt es bei großer Gewalteinwirkung zu Luxationsfrakturen mit Instabilität der Fußsäulen. In solchen Fällen muss primär ein Kompartmentsyndrom am Fuß ausgeschlossen werden.

Symptome

Schmerzen, Schwellung, Fehlstellung, fehlende Belastbarkeit.

Diagnostik

Konventionelle Röntgenbilder anterior-posterior, seitlich, schräg. Bei Verdacht auf Gelenkbeteiligung oder ausgedehnter Trümmerfraktur kann ein Computertomogramm das Ausmaß der Fraktur darstellen. Bei Schmerzen ohne Fraktur werden belastete Aufnahmen des Fußes, stehend anterior-posterior und seitlich, zur Evaluation einer ligamentären Lisfranc-Verletzung durchgeführt. Magnetresonanztomographische Untersuchungen bringen selten Zusatzinformationen.

Differenzialdiagnose

Verletzung des Ligamentum Lisfranc, Lisfranc-Luxationsfrakturen.

Therapie

Zur Therapie von metatarsalen Stressfrakturen siehe unter Stressfraktur.

Die Therapie von akuten Metatarsalfrakturen richtet sich nach:

  1. Weichteilbeteiligung:
    1. geschlossene Fraktur,
    2. offene Fraktur,
    3. Kompartmentsyndrom;
  2. Stabilität:
    1. singuläre Fraktur,
    2. Serienfraktur
    3. Luxationsfraktur;
  3. Lokalisation der Fraktur und Dislokation:
    1. Basis,
    2. Schaft,
    3. subkapital,
    4. Kopf.

Weichteilbeteiligung

  1. Geschlossene Frakturen werden, wo nötig, reponiert und, falls instabil, perkutan mit Kirschner-Drähten fixiert. Falls geschlossen keine befriedigende Reposition erreicht werden kann, muss offen reponiert werden. Wichtig zur Evaluation der Reposition sind Anterior-posterior- und Seitenbild. Fehlstellungen in Flexion führen zur Überlastung des frakturierten Metatarsus, Extensionsstellung oder Verkürzung zur Überlastung der benachbarten Metatarsalia.
  2. Bei offener Metatarsalfraktur gelten die gleichen Grundsätze wie bei offenen Frakturen der sonstigen Röhrenknochen: antibiotische Prophylaxe, Reposition und Retention bis zur Beruhigung der Weichteile, anschließend definitive Therapie. Die Retention wird entweder mit einem Fixateur externe oder mit axialen intramedullären, gekreuzten oder senkrechten Kirschner-Drähten erreicht. Die senkrechten Drähte fixieren den frakturierten Metatarsus an den benachbarten unverletzten Metatarsus zur Längenkontrolle.
  3. Das Ausmaß der Weichteilbeteiligung kann ein wirklicher Notfall sein. Ein Kompartmentsyndrom am Fuß muss klinisch und durch intrakompartimentale Druckmessung innerhalb von sechs Stunden nach Unfall ausgeschlossen oder therapiert werden. Im Zweifel werden alle neun Kompartimente über eine mediale und zwei dorsale Inzisionen gespalten.

Stabilität

  1. Ist ein einzelner Metatarsus frakturiert und ein Kompartmentsyndrom ausgeschlossen, wird bei Bedarf eine Reposition und Fixierung durchgeführt. Meistens sind singuläre Frakturen stabil; es wird keine Fixierung benötigt und der Patient kann konservativ mit einer individuell angepassten Einlage oder einem Tape-Verband für vier bis sechs Wochen therapiert werden, bei Bedarf im Verbandschuh. Belastung erfolgt nach Maßgabe der Beschwerden vor allem über die Ferse. Für die Reposition gelten die Kriterien unter 1. a). Ausnahme bei der Belastung sind Os-metatarsale-I-Frakturen. Diese werden im Unterschenkelgehgips mit angepasster Einlage primär drei bis vier Wochen mit Sohlenkontakt belastet. Anschließend erfolgt der Übergang zur Vollbelastung bis zur sechsten bis achten Woche. Eine Entfernung von Kirschner-Drähten bei allen Frakturen erfolgt um die sechste postoperative Woche.
  2. Serienfrakturen von zwei oder mehreren nebeneinander liegenden Metatarsalia sind teilweise instabil und müssen dann fixiert werden. Stabile und stabilisierte Serienfrakturen werden anschließend, wie unter 2. a) beschrieben, ausbehandelt.
  3. Luxationsfrakturen werden reponiert und, wo nötig, mit Kirschner-Drähten fixiert. Nach Beruhigung der Weichteile wird in den meisten Fällen eine stabile Osteosynthese mit Schrauben und/oder Platten nötig, bei Basisfrakturen, eventuell mit tarsometatarsalen (TMT) Arthrodesen der Strahlen I bis III. TMT IV und V werden nur temporär versteift. Ausbehandelt wird im Unterschenkelgehgips mit Belastung über die Ferse für mindestens sechs Wochen nach definitiver Osteosynthese.

Lokalisation der Fraktur und Dislokation

  1. Basisfrakturen gelten bis zum Beweis des Gegenteils (z. B. mit Computertomographie) als Luxationsfrakturen. Nach Ausschluss werden dislozierte Frakturen, eventuell mit Mädchenfänger (Chinese Fingertrap), reponiert. Meist sind Basisfrakturen nicht disloziert oder stabil nach Reposition. Die Therapie ist dann entsprechend 2. a). Instabile Frakturen werden mit Kirschner-Drähten über eine temporäre Arthrodese fixiert; Entfernung der Drähte nach sechs Wochen. Bis dahin Belastung über die Ferse im Unterschekelgehgips oder Verbandschuh.
  2. Schaftfrakturen sind ebenfalls selten disloziert (Kriterien von 1. a)) oder stabil nach Reposition und können dann entsprechend 2. a) behandelt werden. Bei Trümmerfrakturen bietet sich eine Transfixierung an den benachbarten Metatarsus mit senkrechten Kirschner-Drähten an oder bei Serienfrakturen die Längenkontrolle mittels Fixateur externe. Besonders ist auf die Länge des ersten Metatarsus zu achten.
  3. Subkapitale Frakturen sind meist disloziert und bleiben nach Reposition selten in Position. Eine Retention wird über axial eingebrachte Kirschner-Drähte erreicht (Kriterien 1. a)). Das Metatarsophalangealgelenk (MTP-Gelenk) wird in Flexionsstellung gehalten und der Metatarsalkopf axial aufgefädelt und der Draht intramedullär fixiert. Entweder man entfernt den Draht nach vier bis sechs Wochen und biegt ihn dafür distal, oder man versenkt den Draht vollständig intramedullär und belässt ihn in situ. Postoperative Therapie ansonsten wie unter 2. a).
  4. Kleinere intraartikuläre Frakturen des Metatarsalkopfs werden durch Buddy-Taping (= Dachziegelverband unter Einschluss der benachbarten Zehe) behandelt. Ist das Fragment so groß, dass eine Instabilität des MTP-Gelenks resultiert, ist eine Osteosynthese indiziert. Nach Osteosynthese mit Kirschner-Draht oder Kleinfragmentschraube wird ebenfalls durch Buddy-Taping für sechs Wochen postoperativ immobilisiert. Belastung nach Maßgabe der Schmerzen über die Ferse.

Frakturen der Os-metatarsale-V-Basis können Schwierigkeiten in der Auswahl der Therapie bereiten. Grund dafür ist die Konfusion der Bezeichnung Avulsion versus Jones-Fraktur mit den assoziierten etablierten Behandlungsalgorithmen.

Die Jones-Fraktur ist im metaphysären Übergang zur Diaphyse lokalisiert und strahlt nicht in das Tarsometatarsalgelenk V ein. Sie liegt in einer Region mit eingeschränkter Durchblutung und neigt daher zur Ausbildung von Pseudarthrosen. Dieses insbesondere, wenn die Fraktur vorrangig durch chronische Überlastung entstanden ist und repetitive Mikrofrakturen und Nekrosen zu einem avitalen Frakturspalt geführt haben. Konservative Therapieverfahren sind bei akuten Jones-Frakturen ohne Sklerose indiziert. Häufig führt eine Osteosynthese zur schnelleren Heilung und Restitution. Bei Verdacht auf Stressfraktur sollte auf die Stellung des Rückfußes geachtet werden. Eine Varusstellung gilt als prädisponierender Faktor und muss in das Therapiekonzept einbezogen werden.

Im Gegensatz dazu heilt die häufigere Avulsionsfraktur der Os-metatarsale-V-Basis auch ohne besondere Maßnahmen konservativ aus. Die Fraktur verläuft extraartikulär als reine Avulsion der Tuberositas des fünften Mittelfußknochens oder in das Tarsometatarsalgelenk V hinein. Die Ursache ist immer ein adäquates Trauma. Allerdings wird der Arzt im Verlauf durch den sichtbaren Frakturspalt in der sechsten und seltener auch in der zwölften Kontrollwoche fehlgeleitet und die Gipsbehandlung wird unnötig verlängert. Das Kontrollröntgenbild hängt der klinischen Situation oft nach.

Die Therapie der Fraktur der Os-metatarsale-V-Basis richtet sich nach der Klassifikation von DeLee et al. 1983:

  1. akute Jones-Fraktur (meta-diaphysäre Fraktur):
    1. undisloziert,
    2. disloziert;
  2. chronische Jones-Fraktur (meta-diaphysäre Fraktur):
    1. Sklerose an der äußeren Frakturlinie,
    2. Sklerose intramedullär;
  3. Avulsionsfraktur (metaphysäre Fraktur):
    1. Tuberositas (extraartikulär),
    2. intraartikuläe Frakturen des Metatarsokuboidalgelenks.

Akute Jones-Fraktur

  1. Akute Jones-Frakturen mit einem adäquaten Trauma ohne Anzeichen von Sklerosezonen als Zeichen von chronischer Überlastung reagieren auf eine konservative Therapie in einem Unterschenkelgehgips für sechs bis zwölf Wochen mit erlaubter Vollbelastung, besonders über die Ferse, nach Maßgabe der Schmerzen. Dislokationen oder Stauchungsfrakturen mit einer Dehiszens von bis zu 2 mm werden wie nicht-dislozierte Frakturen behandelt. Zur Verlaufskontrolle sind die klinischen Symptome des Patienten maßgeblich. Das heißt bei schmerzfrei belastbarem Fuß, aber noch offenem Frakturspalt kann der Gehgips weggelassen werden.
  2. Bei zunehmender Dislokationen über 2 mm werden die Frakturen als instabil bewertet. Bei aktiven Patienten kann alternativ zur Therapie in 1. a) eine perkutane intramedulläre Schraubenosteosynthese angeboten werden. Im Anschluss wird zwei Wochen über die Ferse im Verbandschuh oder Unterschenkelgips belastet, dann Übergang auf eine angepasste Einlage im Normalschuh. Eine Metallentfernung wird bei Bedarf nach frühestens drei Monaten durchgeführt. Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität erfolgt in der Regel sechs Wochen postoperativ.

Chronische Jones-Fraktur

  1. Der Patient hat typischerweise bereits seit einiger Zeit Schmerzen an der lateralen Fußkante. Ein adäquates Trauma muss nicht vorliegen. Im Röntgenbild sieht man Sklerosierungen um den Frakturspalt als Zeichen einer chronischen Überlastung. Bei anspruchslosen Patienten kann eine Therapie wie unter 1. a) durchgeführt werden. Aktive Patienten, insbesondere Hochleistungssportler, müssen über die langsame Heilung der Fraktur unter konservativer Therapie informiert werden. Falls eine schnelle Rehabilitation erwünscht ist, kann eine perkutane intramedulläre Schraubenosteosynthese oder eine Zuggurtung durchgeführt werden. Im Allgemeinen ist eine Spongiosaplastik nicht notwendig.
  2. Zeichen einer älteren Stressfraktur ist intramedullärer Kallus. Zwei Drittel der Kortikalis werden durch die endostale Durchblutung versorgt und nur ein Drittel über das Periost. Der Kallus führt zur Einschränkung der endostalen Durchblutung der Kortikalis und macht eine spontane Heilung einer solchen chronischen Jones-Fraktur unwahrscheinlich. Bei anspruchslosen Patienten ist eine konservative Therapie wie unter 1. a) angezeigt, bei aktiven Patienten und Hochleistungssportlern wird die Rehabilitation durch eine perkutane intramedulläre Schraubenosteosynthese verkürzt.

Avulsionsfraktur

  1. Avulsionsfrakturen der Tuberositas können immer primär symptomatisch mit einer individuellen Einlage oder einem Tape-Verband für zwei bis sechs Wochen behandelt werden. In den seltenen Fällen von persistenten Beschwerden wird das Fragment débridiert und der M. peroneus brevis an der Basis refixiert. Dies jedoch in der Regel nicht vor sechs Monaten.
  2. Avulsionsfrakturen mit Ausläufer in das Metatarsokuboidalgelenk werden wie akute Jones-Frakturen behandelt. Alternativ zur Schraubenosteosynthese kann eine Zuggurtungsosteosynthese durchgeführt werden, um den Zug der Sehne des M. peroneus brevis zur Kompression zu verwenden.

Nachsorge

Siehe jeweils im Unterpunkt.

Autor

Geert I. Pagenstert

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