Cephalgie; Cephalgia
Headache
Oberbegriff für Schmerzen im Kopfbereich verschiedener Ursache.
Ätiologisch werden folgende Kopfschmerzarten unterschieden:
Migräne
Migräne ohne und mit Aura. Unter Migräne versteht man eine Erkrankung mit periodisch auftretenden Attacken von Kopfschmerzen, welche häufig mit Licht-, Geruchs-, und Lärmempfindlichkeit sowie Übelkeit und Erbrechen einhergehen. Die Prävalenz bei Frauen beträgt 12–14 %, bei Männern 7–8 %. Bei Kindern besteht vor der Pubertät kein Geschlechtsunterschied, die Prävalenz erreicht 3–5 %. 50 % der Kinder mit kindlicher Migräne erleiden nach der Pubertät keine weiteren Attacken. Während die Migräne bei Frauen meist nach der Pubertät beginnt, treten Migräneattacken bei Männer eher zwischen dem 20.–30. Lebensjahr auf. Eine erstmalige Migräne nach dem 45. Lebensjahr ist selten und sollte zu weiterer Diagnostik Anlass geben. Bei der Migräne ohne Aura treten Kopfschmerzen ohne neurologische Defizite auf. Der Kopfschmerz ist in über 60 % der Fälle einseitig, teilweise mit wechselnder Seitenbevorzugung und pulsierendem Charakter mittlerer bis starker Intensität. Migräneattacken mit Aura gehen neurologische Symptome voraus, welche sich innerhalb von circa 20 min (oder kürzer) entwickeln und bis zu einer Stunde andauern. Häufig sind Sehstörungen, Skotome, Hemianopsien, Parästhesien, Paresen, neuropsychologische Ausfälle (kortikal), aber auch Ausfälle seitens des Hirnstamms kommen vor z. B. Schwindel, Doppelbilder, Ataxie. Der parallel oder nach der Aura auftretende Kopfschmerz dauert wie bei der Migräne ohne Aura zwischen 4–72 Stunden an. Auren ohne Kopfschmerzen können besonders bei jüngeren Patienten auftreten. Bei Kindern ist der Kopfschmerz häufig holokraniell und hält kürzer an. Pathophysiologisch spielt bei Migräne eine Aktivierung des trigeminovaskulären Systems eine Rolle; im Tiermodell konnte eine neurogene Entzündung der Dura mit Freisetzung von Entzündungsmediatoren und vasoaktiven Neuropeptiden gezeigt werden.
Spannungskopfschmerz
Der Spannungskopfschmerz (früher vasomotorischer Kopfschmerz, Muskelkontraktionskopfschmerz) ist die häufigste Kopfschmerzart. Es werden zwei Unterformen unterschieden:
Paroxysmale Kopfschmerzen, Clusterkopfschmerz
Primärer idiopathischer Kopfschmerz. Streng einseitiger extrem starker Schmerz mit autonomen Symptomen wie Augenrötung und Augentränen, Miosis, Lidschwellung, Nasenkongestion oder Nasenlaufen. Übelkeit und Erbrechen können auftreten. Schmerzattacken erreichen in wenigen Minuten das Maximum und dauern bis zu 180 Min an, Frequenz/Tag: 1–8, bei 50 % der Patienten nur nächtliche Attacken. Schmerzen können die Seite wechseln. Alkohol und Nitroglyzerin können Schmerzattacken auslösen. Die Prävalenz beträgt 0,4 % der Bevölkerung, Männer:Frauen: 5–8,3:1; familiäre Häufung, Beginn 20.–50. Lebensjahr, selten aber Auftreten in der Kindheit möglich. 10 % der Patienten haben einen chronischen Verlauf, die episodische Verlaufsform ist am häufigsten (85 %). Attacken dauern im Durchschnitt 20–40 Tage, dazwischen Remissionen zwischen sechs Monaten bis mehreren Jahren. Pathophysiologisch wird eine Entzündung im Sinus cavernosus, aber auch eine Beteiligung hypothalamischer Strukturen diskutiert.
Medikamenteninduzierter Kopfschmerz
Zwei Unterformen:
Zervikogener Kopfschmerz
Migraine cervicale. Seitenkonstanter ziehender nicht pulsierender Kopfschmerz mit reproduzierbaren Auslösern durch Halsbewegungen und -haltungen bzw. durch externen Druck auf Ansatz der okzipitalen Sehnenansätze oder Austritt des N. occipitalis. Halsbeweglichkeit eingeschränkt, ipsilaterale pseudoradikuläre Schmerzen, teilweise kontinuierlicher fluktuierender Kopfschmerz, Schmerzexazerbationen, seltener autonome Störungen wie Schwindel, Übelkeit, Photophobie, Verschwommensehen. Prävalenz in der Bevölkerung: 2,5 %, Überwiegen des weiblichen Geschlechts: 2–3:1, Erstmanifestation: circa 17 Jahre. Pathophysiologisch: Gelenkdysfunktionen der oberen Halswirbelsäule mit Störung der duro-muskulären und duro-ligamentären Verbindungen mit Aktivierung der Nozizeptoren trigeminaler rezeptiver Felder.
Organisch-symptomatisch verursachter Kopfschmerz
Erkrankungen im Mund-Kieferbereich (Tumore, Entzündungen), Nasennebenhöhlen, Ohrbereich, benigne intrakranielle Hypertension, Pseudotumor cerebri, Liquorüber -/-unterdrucksyndrom, Trigeminusneuralgie, Glossopharyngeusneuralgie, Vaskulitiden, Glaukomanfall, Gefäßdissektion
Posttraumatischer Schmerz
Akuter posttraumatischer Kopfschmerz. Beginn: < 14 Tage nach Unfall, Dauer: längstens bis 8 Wochen nach Trauma. Chronischer Kopfschmerz. Beginn: < 14 Tage nach Unfall, Dauer: > 8 Wochen nach Trauma, Schmerzcharakter: variabel, vegetative Begleitsymptome häufig, Depressionen häufig. Häufiger nach leichten Schädel-Hirntraumen, mehr Frauen als Männer, Manifestation häufig nach 40. Lebensjahr, Alkoholabusus.
Anamnese und neurologische Untersuchung; Kraniale Kernspintomographie zum Ausschluss intrazerebraler Ursachen. Bei zervikogenem Kopfschmerz: HWS Röntgen in zwei Ebenen, Kernspintomographie der Halswirbelsäule, Duplexsonographie der extra-und intrakraniellen Arterien.
Zusätzliche fachärztliche Untersuchung durch Hals-Nasen-Ohrenarzt und Orthopäden.
Organische Ursachen, insbesondere bei Spannungskopfschmerzen und zervikogenem Kopfschmerz.
Migräne: Analgetika (Paracetamol, Aspirin) und NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika: Ibuprufen, Diclofenac, Indometacin).
Serotonin 5-HT 1B/D-Agonisten: Tritane, passieren außer Sumatriptan die Blut-Hirnschranke, arterielle Vasokonstriktion, Hemmung der Freisetzung vasoaktiver Neuropeptide; Kontraindikation: Zustand nach Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronarer Herzerkrankung, schlecht einstellbarem Hypertonus.
Metoproclamid: Antiemetikum in akuter Attacke.
Ergotamine: obsolet.
Clusterkopfschmerz: Attackenkupierung: Sauerstoffinhalation, Triptane (Sumatriptan, Zolmitriptan), Dihydroergotamin; ipsilaterale Lokalanästhesie der Fossa sphenopalatina.
Migräne: Nicht-medikamentös: Verhaltenstherapie, Akupunktur, Ausdauersport, ausreichend Schlaf, kein abrupter Wechsel der Lebensgewohnheiten.
Migränetherapie, Migräne: Beta-Blocker.
Episodische Spannungskopfschmerzen: NSRA, Analgetika.
Chronischer Spannungskopfschmerz: trizyklische Antidepressiva, Botulinumtoxin A Injektionen, nicht-medikamentöse Verfahren: Muskelentspannungsverfahren mit EMG-Biofeedback, progressive Muskelentspannung nach Jacobsen.
Zervikogener Kopfschmerz: NSAIDS, trizyklische Antidepressiva, Muskelrelaxantien, Gabapentin, Carbamazepin, Vaproat, Injektion von Methylprednisolon, Botulinumtoxin A Therapie.
Nicht-medikamentöse Behandlung: Manuelle Zervikaltraktion, Muskeldehnung, segmentale Mobilisierungs- und Muskeldehnungstechniken, manuelle Techniken nach Kaltenborn- Evijenth und Maitland Konzept.
Operative Verfahren: Neurektomie, dorsale Rhizotomien, mikrovaskuläre Dekompression, keine sichere Beurteilung möglich auf Grund unzureichendem Studiendesign.
Medikamenten-induzierter Kopfschmerz: Medikamentenentzug, evtl.stationär, bisweilen Überbrückungstherapie mit Metoclopramid, oder Domperidon, NSRA, Kortison, bei starker Symptomatik Aspirin (ASS iv.), Prophylaxe des Primärkopfschmerzes, Verhaltenstherapie.
Posttraumatischer Kopfschmerz: kurzfristige Immobilisation, krankengymnstische Behandlung. Falls Kopfschmerz chronifiziert, Behandlung wie Spannungskopfschmerz.
Chronischer Clusterkopfschmerz: Radiofrequenz Gangliorhizotomie, Glyzerol Rhizolyse des N. trigeminus, mikrovaskuläre Dekompression, perkutane Radiofrequenz Läsion des Ganglion sphenopalatinum.
Migräneprophylaxe: Mittel erster Wahl: Beta-Blocker, Kalziumkanalblocker, Valproinsäure; Mittel zweiter Wahl: Acetylsaliylsäure, NSARs
Clusterkopfschmerzprophylaxe: Verapamil, Prednison, Lithium, Ergotamin, Methygersid, GABA-erge Medikamente: Vaproat, Gabapentin, Topiramat, Baclofen; ultima ratio: operative Verfahren.
Clusterkopfschmerz: operative Verfahren: bis 50 % der Patienten 90 % Schmerzreduktion, bei 25 % mindestens 50 % Schmerzreduktion; langfristige Wirkung: 50 % Schmerzreduktion.
Medikamentöse Therapie: variabel je nach Studienbericht: positive Effekte: circa 40–60 %
Prednisolon: kurzfristig gutes Ansprechen bis 90 % Schmerzfreiheit.
Spannungskopfschmerzen: Nicht-medikamentöse Entspannungsverfahren: Schmerzreduktion: 40–60 %;
Migräne: Beta-Blocker Prophylaxe: 45 % Besserung.
Sport, körperliche Aktivität, regelmäßiger Tagesablauf.
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